„Europäische Kulturhauptstädte“ als Motor für Stadtentwicklung

03.03.2023
Kultur

Elefsina-©-John-Stathis-4

„Bad Ischl – Salzkammergut 2024“ wird im kommenden Jahr, nach Linz und Graz, den Titel der Europäischen Kulturhauptstädte tragen.

 

Die Herausforderung ist eine „kulturelle Identitätsverhandlung“, um die Vielfalt aus historisch verwurzelter und zeitgenössischer Kunst und Kultur vor den Vorhang zu holen und die Region international zu vernetzen. Gespannt erwarten wir die Entwicklungen im Salzkammergut und werden darüber gesondert berichten.

 

Warum der Besuch von Kulturhauptstädten für StadtgestalterInnen wichtig ist und was wir von den Beispielen der Kulturhauptstädte für die eigene Stadtentwicklung ableiten können, zeigen wir hier auf.

 

Wille zur Weiterentwicklung

„Den Titel bekommt nicht die Stadt, die das schon damit verdient hat, was sie bisher geleistet hat“, sagt Tamás Szalay, der bereits das Kulturhauptstadt-Programm von Pécs entwickelt hat.

„Sondern es geht vielmehr darum, wie viel sich die Stadt mithilfe des Titels weiterentwickeln kann. Eine solche Geschichte oder solche Entwicklungen können einen Titel oder sogar schon eine Bewerbungsphase sehr, sehr schön voranbringen.“

Das Ringen um diese internationale Auszeichnung haben wir von Stadtmarketing Austria in zwei Blogbeiträgen beleuchtet: https://www.stadtmarketing.eu/europaeische-kulturhauptstadt-2024/, sowie https://www.stadtmarketing.eu/europaeische-kulturhauptstadt-2024-2/

„Der Titel „Kulturhauptstadt Europas“ ist kein Preis für eine besonders schöne, kulturreiche Stadt, sondern ein „Stipendium für Stadtentwicklung“, betont auch Ulrich Fuchs. Er saß von Anfang 2014 bis Ende 2019 in der europäischen Auswahljury für die Kulturhauptstädte Europas. Er war auch für die Kulturhauptstadtprogramme in Linz und Marseille-Provence verantwortlich.

„Sie können die Chance wirklich ergreifen und sagen, ich gewinne mit dem Projekt zehn Jahre Stadtentwicklung“, sagt Fuchs. Weitere Überlegungen sind HIER nachzulesen und nachzuhören.

 

Reisen veredelt den Geist

Das Zitat „Reisen veredelt den Geist“ stammt von Oscar Wilde. Der österreichische Dachverband Stadtmarketing Austria ergänzt diese Überzeugung mit dem Gewinn von viel praktischem Know-How und Anregungen für die Weiterentwicklung unserer Städte, die Reisen mit sich bringt.

Daher ist die Organisation von Fachstudienreisen ein fixer Bestandteil der vielfältigen Jahresaktivitäten unseres Dachverbands. Wir konnten bisher viele interessante Ziele besuchen, wie Belgien, China, Deutschland, Dänemark, England, Frankreich, Italien, Israel, die Niederlande, Schweden, die Schweiz und sogar die USA. Alles Eindrücke und Erfahrungen für die Weiterentwicklung der eigenen Stadt.

 

Kulturhauptstädte
Fachstudienreise England 2016

 

 

STAMA Fachstudienreise – Griechenland mit Eleusis und Athen

vom 26. – 30 April 2023

Für die heurige Fachstudienreise hat der Dachverband den alten Mysterienort Eleusis – eine der heurigen Europäischen Kulturhauptstädte – und Athen als Ziel ausgewählt. Besonders spannend wird der Kontrast zwischen dem was einmal war und dem, was heute an derselben Stelle existiert.

 

Europäische Kulturhauptstadt Eleusis

Der Titel „Europäische Kulturhauptstadt“ wurde 1985 auf Initiative der griechischen Kulturministerin Melina Mercouri ins Leben gerufen. Das Ziel sollte sein, der Vielfalt der Kulturen in der europäischen Gemeinschaft einen festlichen, einenden Rahmen zu geben und sie miteinander bekannt zu machen.

Eleusis ist nach 1985, Thessaloniki 1987 und Patras 2006, die vierte griechische Stadt, die den Titel „Europäische Kulturhauptstadt“ trägt. Von den insgesamt 68 europäischen Kulturhauptstädten, ist es mit seinen knapp 30.000 EinwohnerInnen die bisher Kleinste – die Größe allein ist natürlich kein beschränkender Faktor.

Kulturelle Formate in kleinerem Maßstab können genauso wichtige Impulse für die Entwicklung eines Ortes und deren Aufenthaltsqualität geben.

Eleusis, vor den Toren Athens am Nordufer des Saronischen Golfs in der Region Attika, wartet mit einer Geschichte und einem kulturellen Erbe auf, um die sie viele Millionenmetropolen beneiden würden. In der Landessprache wird dieser antike Ort „Elefsina“ bezeichnet.

 

Kulturhauptstädte
Elefsina © Pinelipi Gerasimou

 

Klimawandel, Mobilität, Soziales, kulturelle Nachhaltigkeit, Stadtentwicklung und Bürgerbeteiligung sind die zentralen Fragen, die sich Europäische Kulturhauptstädte heute stellen müssen.

Sie sollen die kulturelle Vielfalt aufzeigen, die Kulturszene ins Rampenlicht rücken, Impulse für deren langfristige Entwicklung auslösen und sich mit globalen Herausforderungen auseinandersetzen.

Das Programm der Europäischen Kulturhauptstadt Eleusis umfasst 130 Kunstwerke, 465 Veranstaltungen, 30 Veranstaltungsorte, 17 Kunstformen, 192 griechische und 137 internationale KünstlerInnen aus 30 Ländern aus Europa, Amerika und Asien.

 

Kulturhauptstädte
Elefsina © Gerasimos Domenikos Fos Photos

 

Mysterien 2023

„Mysterien des Übergangs“ lautet das Motto. Es ist von der reichen Geschichte der Stadt inspiriert und bietet ein Kunst-, Forschungs- und Bildungsprogramm, das auf eine nachhaltige und umweltschonende Stadtentwicklung abzielt. Diese Mysterien basieren auf den zentralen Themenachsen Mensch und Gesellschaft sowie Umwelt und Arbeit.

Sie spiegeln die einzigartigen Merkmale der Stadt und die aktuellen Herausforderungen wider, vor denen sowohl Eleusis als auch Europa im Jahr 2023 stehen.

Der Auftakt war spektakulär vom belgischen Kunstkollektiv TimeCircus inszeniert. Sie reisten über dreitausend Kilometer mit einem Landschiff an und zogen in einer Prozession am Eröffnungstag in Elefsina ein. Die Verbindung zwischen Arbeit und Kunst stellt die „Eleusis Terracottaarmee“ als ein Porträt der Arbeiterschaft der Stadt her.

Stellvertretend für aktive und pensionierte ArbeiterInnen verschiedener Fabriken wurden handgemachte Tonhelme hergestellt, die in der „Iris Fabrik“ gezeigt werden.

 

Eleusis am Prüfstand

Der Charakter der Stadt setzt sich aus einzigartigen Spuren der Antike und der modernen Geschichte der Arbeiterbewegungen einer industriellen und kulturellen Entwicklung zusammen. Das macht Eleusis zu einem einzigartigen historischen Ort der antiken und modernen griechischen Geschichte und zu einem dynamischen Modell der europäischen Stadtentwicklung.

An den „Mysterien von Eleusis“ im antiken Griechenland, mit Initiationsriten und streng geheimen Zeremonien, nahmen bis zu dreitausend Menschen teil – ein Magnet des damaligen Attika.

Ab dem 19. Jahrhundert wurde Eleusis als Schauplatz der ersten griechischen Industrialisierungswelle zu einem der produktivsten Motoren der griechischen Wirtschaft, gefolgt von einer zweiten Welle im 20. Jahrhundert. Ölraffinerien, Stahl- und Zementwerke, Werften sind stille Zeugen der einstigen Blüte.

 

Elefsina © Pinelipi Gerasimou

 

Das problematische Erbe von Arbeitsmigration, Umweltzerstörung, Industrialisierung und Deindustrialisierung werden für die Europäische Kulturhauptstadt kreativ genutzt. Zwischen Industriehafen und antiker Ausgrabungsstätte werden Prozesse zur eigenen Entwicklung und Identität angestoßen.

Schauplätze sind der archäologische Park, die Backsteinbauten des Bahnhofes und der alten Industrieruinen, eine alte Olivenmühle, Eleourgiki als ehemaliger Industriekomplex und das X – Bowling Art Center.

 

Kulturhauptstädte
X-Bowling Art Center Elefsina © John Stathis

 

Die alte Farbfabrik IRIS wird im Rahmen der Kulturhauptstadt renoviert und neuer Kulturort zum Vermächtnis für die Menschen der Region.

 

Kulturhauptstädte
IRIS © Angelos Christofilopoulos Fos Photos

 

IRIS Elefsina © John Stathis

 

Bei unserer Reise nach Eleusis besuchen wir die interessantesten revitalisierten Veranstaltungsorte und Industriedenkmäler der Stadt, denn in allerorten gibt es Räume, die in ihrer ursprünglichen Funktion nicht mehr benötigt werden.

Hier erfahren wir, wie Räume eine neue Nutzung finden können. Diesem Beispiel folgend ist die Europäische Kulturhauptstadt Bad Ischl bereits in der Vorbereitung mehr als 300 Leerstände zu erheben, um aus alten Plätzen neue Orte zu machen.

 

 

Mystery 44

Der Design Campus auf einem ehemaligen Campingplatz ist eine weitere Station unserer Reise. Ein Projekt für nachhaltige Stadtentwicklung, in das ArchitektInnen, StadtplanerInnen, StudentInnen und BewohnerInnen von Elefsina einbezogen werden. Acht Monate lang wird die Stadt kartiert, um ihre Umweltprobleme zu erkennen und Lösungen in einem Aktionsplan umzusetzen.

Wir führen Gespräche über Konzepte und Projekte, sammeln Eindrücke von der sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Stadtentwicklung Euleusis, um daraus zu lernen.

 

Ecoculture Festival © John Stathis

 

 

Kulturhauptstädte
ΕΛΕVΣΙΣ Innovation Lab by 2023 Eleusis © John Stathis

 

Athen

Athen ist der einzige Ort“, so brachte es der stolze Staatsmann Perikles auf den Punkt, „an dem ein unpolitischer Mensch nicht als ein stiller, sondern als ein schlechter Bürger gilt.“

Der Dachverband Stadtmarketing Austria setzt sich intensiv mit der Rolle des Menschen in der Stadt auseinander. Wahrzunehmen ist, dass sich heute Bürger nicht mehr als Teil einer Rolle begreifen, sondern als öffentlichen Ausdruck einer eigentlich privaten Angelegenheit.

Was dieser Rollenverlust bewirkt und welchen Einfluss das auf unsere Städte hat, bzw. welche Rolle wir als StadtgestalterInnen haben, werden wir in unserer DenkwerkStadt in Gmunden am Traunsee im Herbst diskutieren.

Die Beschäftigung mit dem Thema ist auch ein Anlass, auf das zurückzublicken, was Perikles über Athen sagte und diese geschichtsträchtige Stadt zu besuchen.

 

In Athen wird besonders spürbar, wie sich im Laufe der Geschichte eine Stadt verändert. Wir verbinden in erster Linie Akropolis, Parthenon und den antiken Boden als kulturelle Wiege des Abendlandes damit. Moderne Stadtplanung rückt nicht gleich in den Fokus und mitunter werden moderne Bauten als unerfreulicher Kontrast zum antiken und neoklassizistischen Erbe wahrgenommen.

Athen hingegen bietet eine bemerkenswerte Hinterlassenschaft an qualitätsvoller, moderner Architektur.

Bei unseren Erkundungen stoßen wir immer wieder auf moderne, den Ideen des Bauhauses folgende Spuren. Wir besichtigen das Stadtentwicklungsgebiet Ellinikon und den „Romantso Hub“, ein Kreativzentrum und Drehscheibe für Startups. Dort treffen wir auf GesprächspartnerInnen zu den Themen: Kunst, Kultur, Creative Industries, Stadtentwicklung, Städtebau, Mobilität und Klima.

 

Smart City Ellinikon

Das Ellinikon soll eine neue „Stadt in der Stadt“ werden und ist eines der ehrgeizigsten Stadterneuerungsprojekte Europas. Nachhaltiges Wohnen, Leben und Arbeiten an der Küste Athens sollen miteinander verbunden werden.

Athen möchte damit zum internationalen Vorreiter in Sachen Küsten- und Umweltdesign, intelligentem Wohnen, Indoor-Outdoor-Business sowie nachhaltiger, kohlenstoffarmer Stadterneuerung werden.

Auf 6 Millionen Quadratmetern sollen 10.000 Wohn- und Büroeinheiten und rund 75.000 Arbeitsplätze entstehen.  Weiters soll der größte Küstenpark der Welt geschaffen werden. Fünfzig Kilometer Rad- und Fußwege, flächendeckend freier WIFI-Zugang,  AR-Navigation sowie intelligente Energiesysteme sind geplant.

Das „Experience Center“, das wir im Rahmen unserer Reise besuchen, gibt den BesucherInnen Einblicke, wie die Küste vor Athen in einigen Jahren aussehen soll.

 

Kulturhauptstädte
Ellinikon Experience Centre Model (c) Ellinikon

 

Experience Centre Exterior (c) Ellinikon

Einblicke zum Projekt gibt es HIER.

 

Kulturhauptstädte
Das Projekt wird in einem ehemaligen Flugzeughangar präsentiert © Ellinikon

 

ROMANTSO CREATIVE HUB – eine Organisation, die kontinuierlich urbane Kultur erforscht und fördert.

Der Romantso Creative Hub befindet sich im historischen Zentrum von Athen in den Räumlichkeiten einer ehemaligen Druckerei, die das berüchtigte Magazin Romantso produzierte. Das Gebäude besticht durch seine industrielle Ästhetik und die Bauhaus Grundstruktur.

Einerseits ist es ein Inkubator für Start up-Unternehmen in der Kreativbranche, in dem ArchitektInnen, MusikerInnen, GrafikerInnen und KünstlerInnen verschiedener Disziplinen zusammenarbeiten und Ideen austauschen. Andererseits ein kulturelles Zentrum, das eine Vielzahl von Veranstaltungen organisiert. Das Romantso verfügt über ein Café,  Ausstellungsräume, Coworking Spaces und eine Konzert-/Theaterbühne.

 

Was bleibt von einer Europäischen Kulturhauptstadt?

Was von Eleusis bleibt, wird man erst in einigen Jahren beurteilen können. Das Kulturhauptstadtjahr wird bestimmt ein Gewinn für die Menschen und ihren Lebensort. Ziel der Europäischen Kulturhauptstadt ist es, von BewohnerInnen, KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen zu lernen, wie die Zukunft besser gestaltet werden kann.

Der Auftrag nachhaltigen Denkens und Handelns für die nächste Generation sind Herausforderung und Chance zugleich. Städte brauchen atmosphärische Räume, die einen Austausch untereinander ermöglichen und die Spielraum für Aktivitäten und Experimente zulassen.

Europäische Kulturhauptstädte stoßen Prozesse an, von denen StadtentwicklerInnen und regionale GestalterInnen vieles ableiten können. Sie werden zum Motor für moderne Stadtentwicklung. StadtgestalterInnen profitieren durch derartige Studienreisen und sollten die Chance wahrnehmen, mit KollegInnen in die Zukunft der Stadtentwicklung einzutauchen.

 

ZUM REISEPROGRAMM

Video Eleusis: https://www.youtube.com/watch?v=vdWk30DMmFQ

Titelbild: Elefsina © John Stathis_2023eleusis.eu

Karin Klotzinger

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