Design Thinking als Methode zur Entwicklung von Innovationen findet zunehmend Eingang in das Stadtmarketing. Wir zeigen Ihnen anhand des Stadtplatz LEO, wie der Design Thinking Prozess in der Entwicklung regionaler Projekte erfolgreich eingesetzt werden kann.
Design Thinking als Methode zur Entwicklung von Innovationen findet zunehmend Eingang in das Stadtmarketing. In diesem Beitrag geben wir einen kurzen Überblick zur Methode des Design Thinking und zeigen Ihnen anhand des Stadtplatz LEO, wie der Design Thinking Prozess in der Entwicklung regionaler Projekte erfolgreich eingesetzt werden kann.
Was genau ist Design Thinking?
Design Thinking ist eine kreative und sehr effektive Innovationsmethode, die zur Lösung von Problemen, Erstellung von Konzepten aller Art und dann vor allem zur Entwicklung von Produkten, Dienstleistungen, Prozessen und Geschäftsmodellen angewendet werden kann.
Die Grundannahme des Design Thinking ist, dass Innovation in der Schnittmenge aus den drei gleichberechtigten Faktoren Mensch, Technologie und Wirtschaft entsteht. Nur wenn alle drei Faktoren Beachtung finden, setzt sich eine Innovation durch.
Die Design Thinking Methode zeichnet sich vor allem durch drei Arbeitsweisen aus:
Starke Orientierung am Kunden und Nutzer: Durch die intensive Einbindung von Nutzern bzw. der Orientierung an deren Bedürfnissen kann vermieden werden, dass Lösungen/Konzepte erarbeitet werden, die letztlich vom Nutzer bzw. Kunden nicht angenommen werden.
Iterativer Prozess: Die Annäherung an die beste Lösung erfolgt nicht Schritt für Schritt, sondern durch iterative Lernprozesse mit Schleifen. Eine Idee wird auf diese Weise in sich wiederholenden Schleifen immer mehr verfeinert.
Kontinuierliche Tests mit „unfertigen“ Prototypen: Durch die Arbeit mit Prototypen werden Ideen klar definiert und besser vorstellbar. Probleme und Herausforderungen können frühzeitig aufgedeckt, Erkenntnisse gesammelt, neue Ideen abgeleitet und Risiken dadurch reduziert werden.
6 Phasen im Design Thinking Prozess
Bei Design Thinking navigiert man nicht schrittweise durch einzelne Phasen, sondern kommt durch ständiges Wiederholen von Schleifen zum Ziel. Der Prozess läuft meist in sechs Phasen ab.
Phase 1: Verstehen – Das Problemfeld definieren
Ziel der ersten Phase ist es, das Problemfeld zu verstehen, den Lösungsraum abzustecken und folglich die Projektziele mit zielgerichteten Fragen zu definieren. Die formulierten Fragen sollten spezifisch genug sein und gleichzeitig den Lösungsraum nicht einschränken
Phase 2: Beobachten – Nutzerbedürfnisse verstehen
Im zweiten Schritt geht es darum, möglichst viele Informationen zum Thema und den relevanten Stakeholdern zu sammeln. Hier gilt es dann, empathisch die Bedürfnisse der Zielgruppe durch Beobachten, Befragen und Interagieren vor Ort zu erfassen und zu verstehen.
Phase 3: Sichtweise definieren – Synthese, Fokussierung & Personas
Anschließend erfolgt die Synthese der beiden ersten Schritte, in der die gewonnenen Einsichten zu einem gemeinsamen Standpunkt zusammengeführt werden.
Aus den gewonnenen Informationen wird die Essenz herausgearbeitet und dann ein konzeptioneller Rahmen entwickelt, der den Lösungsraum absteckt und den idealen Kunden (Persona) definiert.
Phase 4: Ideen entwickeln – Lösungen entwerfen und priorisieren
Ziel dieser Phase ist es, mit verschiedenen Kreativitätsmethoden möglichst viele Ideen zu generieren. Anschließend werden die Ideenvorschläge geclustert, bewertet und für die weitere Bearbeitung priorisiert.
Phase 5: Prototypen entwickeln – Erste Modelle der besten Ideen
Um Ideen greifbar zu machen, werden einfache Prototypen beispielsweise aus Papier, Lego, Knete, Karton oder anderen Materialien entwickelt. Je konkreter die Lösung im Laufe des Projektes ausgearbeitet wird, umso detaillierter wird auch der Prototyp.
Phase 6: Testen – Was sagen die Nutzer?
Mit Prototypen testet man schließlich die Ideen und sammelt Feedback von Nutzern. Dadurch erhält man wertvolle Einblicke auch in Bereiche, die bisher vielleicht verborgen waren.
Mit der Phase des Testens schließt sich der Kreis im Design Thinking Prozess wieder. Stellt man beim Testen z.B. fest, dass man die anfängliche Aufgabenstellung neu definieren oder der Prototyp variieren muss, dann durchläuft man eine weitere Schleife. Ganz nach dem Motto „Fail often and early and fail forward“.
Design Thinking in der Regionalentwicklung
Innovation betrifft nicht nur Unternehmen – auch Städte und Regionen verändern sich schließlich und können Innovationsmethoden wie Design Thinking nutzen, um Probleme zu lösen und die Bedürfnisse ihrer Stakeholder besser zu erfüllen.
Ein Beispiel dafür, wie die Methode des Design Thinking erstmals in der Regionalentwicklung erfolgreich eingesetzt wurde, ist das oberösterreichische Regionalentwicklungsprojekt NOI – NATURE OF INNOVATION (2016 – 2019).
In den NOI- Innovationswerkstätten identifizierte das NOI-Team rund um Andreas Kupfer zuerst gemeinsam mit Innovationsteams aus Bürgern die zentralen Herausforderungen und aussichtsreichsten Entwicklungsmöglichkeiten in der Region. Darauf aufbauend wurden 30 Projekte definiert und für die weitere Bearbeitung ausgewählt.
Eines dieser Projekte – den Stadtplatz LEO – möchten wir Ihnen in Folge näher beschreiben.
Best Practice: Stadtplatz LEO
Das Projekt startete im September 2017 unter der Leitung von Stadtmarketing Steyr-Chefin Daniela Limberger. Ziel war es schließlich neben der Entwicklung von Ideen und Konzepten zum Marktgeschehen in Steyr auch die Stadt-Umland Beziehungen (Konsumenten und Produzenten) zu verbessern.
Im Rahmen von mehreren Workshops haben sich also 39 Beteiligte rund ein halbes Jahr lang gemeinsam Gedanken über den neuen Regionsmarkt für das Zentrum in Steyr gemacht. Der gesamte Design Thinking Prozess wurde vom NOI-Team begleitet.
Phase 1: Verstehen – Das Problemfeld definieren
In einem ersten Schritt wurden in mehreren Vorgesprächen grundlegende Informationen zum Thema gesammelt und die damit verbundenen Problematiken sowie Herausforderungen erarbeitet und strukturiert zusammengefasst.
Problem
Herausforderung
Integration neuer Ausstellungskonzepte in den bestehenden Wochenmarkt
Veränderung eines etablierten Marktsystems erfordert sehr viel Einfühlungsvermögen und Kommunikationsarbeit.
Konkurrenzsituation zwischen den Marktflächenanbietern (Gemeinden, Städte)
Rückgang der Marktstände in den letzten Jahren bei höherer Anfrage nach regionalen Produkten. Durch diesen Trend wird es immer schwieriger, Aussteller zu finden.
Neue Verkehrsführung und „multifunktionale“ Marktflächen
Durch die Neukonzeption der Verkehrsflächen im Zuge des Baus des Fußgängerstegs entstehen schließlich mehrere und großzügigere Marktflächen am Stadtplatz, die entsprechend bespielt und gestaltet werden sollten.
Stadtplatz als Marktumgebung
Der Stadtplatz Steyr soll im Kontrast zu den Trends der Einkaufszentren außerhalb des Altstadtkerns an Attraktivität gewinnen und für regionale Produkte bekannt werden. Darüber hinaus soll das Zusammenspiel mit den weiteren Nutzungen des Stadtplatzes (Events, Konzerte, Sport- und Gewerbeveranstaltungen, etc.) gewährleistet sein.
Der Markt am Stadtplatz und seine Stakeholder
Attraktives Angebot für „Standler“ in Hinblick auf Platz, Logistik, Infrastruktur und Terminen. Ansprechender, übersichtlicher Markt für Besucher. Wirtschaftstreibende profitieren von der zusätzlichen Frequenz. Anrainer schätzen das Angebot vor der Haustüre.
Daraus wurden erste Fragestellungen zur Zielformulierung abgeleitet:
Wie kann der „Leopoldimarkt“ neu gedacht werden und folglich in punkto Design, Möblierung, Produkte, etc. als moderner, urbaner, regionaler Markt gestaltet sein?
Was muss man beachten, um ein ganzjähriges Marktprogramm für Anbieter und Kunden attraktiv zu gestalten und schließlich gut zu kommunizieren?
Wie können potentielle, neue regionale Anbieter in der Vermarktung und im Zugang zum Markt unterstützt werden?
Als konkrete Fragestellung, die zum Projektstart als Leitfrage zur Herausforderung diente, wurde schließlich die 2. Frage „Wie kann ein ganzjähriges Marktprogramm für Anbieter und Kunden attraktiv gestaltet sein und gut kommuniziert werden?“ ausgewählt.
Phase 2: Beobachten – Nutzerbedürfnisse verstehen
Der erste Workshop war schließlich der Erhebung der Wünsche und Bedürfnisse relevanter Zielgruppen gewidmet. Nach Erstellung einer Stakeholder-Map führten die Workshop-Teilnehmer folglich zahlreiche Interviews am Markt und verarbeiteten deren Input in den darauffolgenden Prozessschritten.
„Wir haben uns von Anfang an bemüht viele Akteure in das Projekt einzubeziehen,“ sagt Andreas Kupfer, NOI-Gesamtprojektleiter. „Stadtplatzkunden und Marktfahrer, Kaufleute und Politiker, Bürger, Kreative und das Marktamt.
Deren Wünsche und Vorstellungen haben wir dann in mehreren Workshops zu einem Prototypen verdichten können. Den Feinschliff haben dann Experten gemacht: Designer, Grafiker und Architekten.“
Phase 3 + 4: Fokussierung und Ideensammlung
Im Mittelpunkt des 2. Workshops stand dann die Erarbeitung von Personas und die Ideenfindung. Bevor das Innovationsteam rund um Daniela Limberger loslegen konnte, erfolgte noch eine umfassende Information über die Erwartungen und Vorhaben der Stadt durch Vize-Bgm. Willi Hauser. Damit war auch der Rahmen des Projektes abgesteckt.
1. Brainstorming zu wichtigen Aspekten
Nach einer Kurzzusammenfassung des ersten Workshops durch die Moderatoren sammelten die Workshop-Teilnehmer dann zunächst auf einem Plakat die wesentlichen Aspekte zum Marktplatz in Steyr aus dem Problemraum.
2. Erarbeitung der Personas
Im Anschluss daran entwickelten zwei Gruppen dann jeweils zwei sehr detaillierte (Buyer) Personas, die als Orientierungspunkt für die weitere Entwicklung der Lösung dienten.
3. Ideensammlung
Der Einstieg in die Ideensammlung erfolgte mit der Kopfstandmethode. Dabei hat man die Teilnehmer aufgefordert, zu überlegen, was am Markt sein müsste, um die Bedürfnisse der Personas auf keinen Fall erfüllen zu können:
Was wäre das schlechteste Service/Produkt, das Sie sich vorstellen können?
Was müssten Sie tun, damit die Personas den Markt nicht mehr besuchen?
Im Anschluss daran stellte man dann das Ganze auf den Kopf und wandelte die einzelnen negativen Eigenschaften positiv um. Aus verstreut stehenden Marktständen mit einer geringen Angebotsvielfalt entstand dann z.B. ein kompakt strukturierter Marktplatz mit einem attraktiven Angebot regionaler Produkte. Auf diese Weise generierte das Team erste Ansatzpunkte für Ideen, die man dann weiter verfeinerte.
Aufbauend auf dieser ersten Ideensammlung entwickelte das Team schließlich anhand mehrerer Methoden weitere Ideen. Zum Abschluss erfolgte dann eine Clusterung der Ideen auf einem großen Plakat.
Insgesamt ergaben sich sechs wesentliche Ideenbereiche. Diese reichten von einer Angebotserweiterung bis hin zur Unterstützung der Standler:
Angebote am Markt
Atmosphäre am Markt
Kunden- und kinderfreundliches Rahmenprogramm
Kommunikations- und Marketingmaßnahmen
Verkehr & Infrastruktur
Unterstützung für Standler
Nach Bewertung der Ideen kristallisierte sich dann vor allem die Atmosphäre und das Rahmenprogramm am Markt als besonders wichtig heraus.
Phase 5: Entwicklung von Prototypen
Im dritten Workshop wurden Ideen weiterentwickelt und erste Konzepte bzw. Prototypen erarbeitet. In einem eigenen Design-Workshop entwickelten anschließend zwei Teams konkrete Prototypen für einen Marktstand mit mobilen und flexiblen Elementen, einer klaren Struktur und einem einladenden, architektonischen Konzept.
Professionelle Unterstützung erhielten sie schließlich von den drei Experten Barbara Ambrosz (Design), Michael Atteneder (Kommunikation) und Gernot Hertl (Architektur).
Nach Abschluss dieses Prozesses wurden dann im Rahmen der Nachbereitungsphase die Designerin Barbara Ambrosz und der Grafiker Michael Atteneder mit der Erstellung eines Detailkonzepts beauftragt.
Phase 6: Testen des Prototyps
Das erarbeitete Konzept stieß auf große Zustimmung. Bürgermeister Gerald Hackl gab die Zusage für die Finanzierung des Prototyps und nach nur einem Monat präsentierte man einen ersten Musterstand im Rahmen des eigens organisierten Leopoldifests.
Nach erfolgreicher Testung optimierte das Team den Prototyp nochmals und produzierte anschließend im Rahmen eines gemeindeübergreifenden Projekts (Stadt-Umland-Kooperation) in höherer Stückzahl.
Die finale Präsentation des Projekts fand im Rahmen der NOI Kongresswoche 2019 und konkret am 24. Mai 2019 im Rahmen des Genussfestes des Landes Oberösterreich und der Stadt Steyr am Steyrer Stadtplatz statt.
Das Ergebnis
Mit dem Stadtplatz LEO schuf man einen Markt und inszenierte ihn mit seinem Namen, Logo und unverwechselbaren Design als Marke. Damit verfügt der Markt über einen hohen Wiedererkennungsgrad. Die Eckpfeiler des Konzepts lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Der Markt ist modular aufgebaut.
Das Mobiliar ist leicht auf- und abbaubar.
Das Mobiliar ist adaptierfähig für unterschiedlichste Aussteller.
Der Markt ist klar strukturiert.
Der Gesamtauftritt ist frisch, zeitgemäß und hat einen hohen Wiedererkennungswert.
Der Markt dient zum Einkaufen, zum Flanieren und zum Gustieren.
Das Konzept ist auf andere Märkte in der Region übertragbar.
Praxistag „Region macht Markt“ in Steyr
Wenn Sie noch mehr darüber erfahren möchten, wie der Design Thinking Prozess zur Regionsentwicklung eingesetzt werden kann, laden wir Sie herzlich zu unserem nächsten Praxistag „Region macht Markt“ in Steyr am 3. Juli 2020 ein.
Designerin Barbara Ambrosz wird zum Thema „Stadtmöblierung“ referieren und u.a. anhand des Stadtmöblierungsprojektes „Stadtplatz LEO“ den positiven Einfluss von Produktdesign auf regionale Entwicklungen erläutern.
Weiters spricht Architekt Gernot Hertls in seinem Vortrag „drei Orte – drei Kerne“ über den Gestaltungsprozess des Stadtplatz LEO und stellt zusätzlich den Vergleich zu den beiden derzeit auch in Bearbeitung befindlichen Ortskerngestaltungen in Adlwang und Hörsching her.
In einer sich rasch verändernden Welt müssen sich auch Städte und Gemeinden Veränderungsprozessen stellen. Design Thinking kann mit seinem nutzerzentrierten Ansatz eine sehr effiziente Methode sein, um auf kreative und strukturierte Weise zu neuen, nachhaltigen Lösungen zu finden.
Mit diesem Beitrag möchten wir zeigen, wie interessant diese Methode auch für Stadtmarketing ist und Mut machen, diese auch zu nutzen.
Titelbild: Stadtplatz LEO in Steyr (c) Stadtmarketing Steyr
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