Adelsheim leuchtet – Das Zentrum der Welt

11.07.2017
Architektur, Kultur

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 Ein Blogbeitrag von Claus Friede, Kurator, Autor und Berater:

 

Ein Projektions- und Videokunstprojekt mit Erfolgscharakter

Adelsheim? Wie bitte? Wo oder wer ist Adelsheim?

Die kleine, 5.000 Einwohner zählende Stadt im Norden des deutschen Bundeslandes Baden-Württemberg liegt fast auf halbem Weg zwischen Würzburg und Stuttgart. Es war, wenn überhaupt, einigen wenigen Autobahnbenutzern der A81 durch das eigene Abfahrtsschild geläufig.

Dabei ist Adelsheim alt, sehr alt, mit 1.300-jährigen geschichtlichen Facetten. Mit einem Wasserschloss, Ritterorden, altem Fachwerk, Kirchen, einer ehemaligen Synagoge und einem ganz besonderen Ortseingangsschild. Zumindest auf der Homepage von „Adelsheim leuchtet“ – auf dem untereinander aufgeführt steht: „Stadt Adelsheim – Zentrum der Welt – Neckar-Odenwald-Kreis“.

Abb. 01 Adelsheim-Ortsschild (Fotomontage)
Abb. 01 Adelsheim-Ortsschild (Fotomontage)

 

„Zentrum der Welt“?

Entweder neigen die Kreis- und Stadtverantwortlichen zur Übertreibung, oder sie glauben dies wirklich, oder haben eine gute Portion Humor, oder es handelt sich um eine Bildmontage. So eine Aussage weckt jedenfalls Neugierde, auch wenn es sich tatsächlich um eine Montage handelt.

 

Und die folgende Geschichte wird sich vielleicht ebenfalls in die Annalen der Stadt einreihen. Denn seit 2005 gibt es ein Kulturprojekt, das seinen Widerhall in den unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen findet. Sowohl Einwohner Adelsheims, als auch Besucher des Städtchens, als auch Kunstinteressierte von nah und fern lieben es gleichermaßen. „Adelsheim leuchtet“ ist ein Projektions-, Video- und Lichtkunstfestival und zieht mittlerweile selbst Touristiker, Amtsinhaber und Politiker an, die hier etwas Beispielhaftes finden.

Darüber hinaus präsentiert „Adelsheim leuchtet“, neben der Stadt im ungewohnten nächtlichen Gewand und dem gemeinschaftlichen Erleben, zudem eigene, ortsspezifische, ästhetische Kreationen im urbanen und privaten Raum sowie eine ungeahnte physische wie geistige Wahrnehmungserweiterung durch die große Vielfalt an künstlerischen Annäherungen an die jeweiligen gesetzten Mottos des Projekts.

 

Der Mensch hinter der Idee – mit Mut, Netzwerk und finanziellem Risiko

Die anfangs gestellte Frage wo oder WER Adelsheim sei macht durchaus Sinn, denn im Schloss sitzt der Baron von Adelsheim. In der Rechtsnachfolge ist dies Louis von Adelsheim, Jahrgang 1953, von Beruf Videokünstler und Kameramann. Der Schweizer Künstler stand irgendwann vor der Entscheidung, den Besitz und die damit verbundenen Aufgaben als Schlossherr vom Vater zu übernehmen oder weiterhin als Weltenbummler umherzuziehen, Kunst zu machen und auszustellen.

Er entschied sich dafür, beides zu kombinieren. Er übernahm das Schloss sowie die Ländereien und arbeitet weiterhin weltweit an seinen Videoprojekten, insbesondere in Chile, wo er bereits mehrfach im Museum für Gegenwartskunst in Santiago de Chile präsentiert wurde. Ihm ist es zu verdanken, dass es „Adelsheim leuchtet“ gibt. Er generierte den Ort zum „Zentrum der Welt“. Auch darin ist die Verbindung aus verantwortlicher Eigentumspflicht und künstlerischer Haltung wiederzufinden.

Er und eine kleine Gruppe von Mitstreitern – zunächst wenige, dann Dutzende – setzten alles daran, die Inspiration – den öffentlichen Stadtraum von Adelsheim und die private Schloss- und Parkanlage unkonventionell als riesige Projektionsfläche zu nutzen – Realität werden zu lassen.

 

Adelsheim leuchtet: Die Umsetzung

Als Grundvoraussetzung unterstützen Bürgermeister und Stadtrat. Die örtlichen Bewohner, Händler und Handwerker willigten ebenfalls ein, das Experiment zu versuchen.

Die Stadt ließ an verschiedenen Stellen Masten aufstellen, von deren jeweiliger Spitze aus nachts in den Sommermonaten projiziert werden kann. Seit Anbeginn stehen zudem für sechs bis sieben Wochen Projektoren in Schlaf- und Wohnzimmern Adelsheimer Bürger. In Schaufenstern von Läden und an weiteren ausgesuchten Orten werfen lichtstarke Beamer Bildwelten beispielsweise auf Mauern, Hausfassaden, die Außenwand der Kirche, Bäume im historischen Schlosspark, auf das Unter- und Oberschloss, den Wasserfall und Wände in alten Fabrik- und Werkräumen.

 

 

Die Projektionen lassen die Stadt plötzlich und im wahrsten Sinne über Nacht zu einer völlig anderen werden. Orte, die tagsüber eher Nebenschauplatz sind, blühen nachts auf, werden herausgehoben und schließlich mit Leben erfüllt.

Abb. 05 Rosen auf die Kirchwand
Abb. 05 Rosen auf die Kirchwand

 

Unweit der Stelle wo sich die Flüsschen Seckach und Kirnau verbinden, meditiert eine Figur im Buddha-Sitz am hell erleuchteten Wasserfall.

 

Abb. 06 Meditation am Wasserfall
Abb. 06 Meditation am Wasserfall

 

Bodenprojektion „9/11 Memorial“

Ein Stück weiter schreitet der Besucher über einen Kiesweg, auf den von oben das New Yorker „Ground Zero-“ oder auch bekannt als „9/11 Memorial“ aus der Vogelperspektive projiziert ist.

 

Abb. 07 Bodenprojektion „9/11 Memorial“
Abb. 07 Bodenprojektion „9/11 Memorial“

 

Hier zeigen sich die weltweit diskutierten und aktuellen Themen und die thematische Bandbreite komprimiert und fokussiert in einem einzigen Kunstprojekt.

Während sich tagsüber die Menschen zum Einkaufen durch die Marktgasse begeben, erzählen die Hausfassaden nachts vom sanften Schlaf und Traum eines Ritters.

 

Abb. 08 Projektion im historisch-romantischen Stil und mittelalterlichen Motiven
Abb. 08 Projektion im historisch-romantischen Stil und mittelalterlichen Motiven

 

In ausgewählten Jahren leuchten auch im Dezember für ein paar Tage Schloss und winterlicher Park und erfinden weitere, neue und magische Geschichten, wo sonst eher eingefrorene Ruhe herrscht.

 

Neben eigenen Werkpräsentationen lädt Louis von Adelsheim Künstlerkolleginnen und Kollegen ein, u.a. beispielsweise den in Los Angeles lebenden Künstler Till Nowak, der bereits mit seiner Lichtinstallation im alten Wasserkraftwerk in Bad Gastein und an der Hamburger Elbphilharmonie für Aufsehen sorgte. Sowie den Chilenen Juan Castillo Diaz und den deutsch-amerikanischen Videokünstler und Pionier der digitalen Bildbearbeitung Stefan Roloff.

Technik und menschliche Arbeitskraft

Jeder, der mit Licht- und Projektionskunst einmal zu tun hatte, weiß, dass notwendige Technik und menschliche Arbeitskraft die teuersten Elemente im Reigen der Kosten sind. Hier ging Louis von Adelsheim ins Risiko und kaufte folglich kurzerhand einen gehörigen Teil der Technik. Diese war notwendig, um eine solche großräumige Veranstaltung umsetzen zu können und ließ seine Mitarbeiter zu Meistern und Fachleuten in Sachen Projektionskunst werden.

Ohne die ehrenamtliche und ehrenwerte Mitarbeit von ungefähr 60 Personen wäre allerdings das Projekt nicht durchführbar (Aufsicht, Abendkasse, Bewirtung, Technik). Darüber hinaus waren folglich regionale Sponsoren notwendig, Finanz- und Sachmittel aufzubringen. Auch das Land Baden-Württemberg lobte die Adelsheimer Initiatoren und unterstützte aus deren „Innovationsfonds Kunst“, der insbesondere auch „dezentrale Kunstprojekte und kulturelle Bildung“ fördern soll, in den Jahren 2013 und 2015 mit einer je fünfstelligen Summe.

 

Die Nacht der 10.000 Lichter

Zur Finissage der Lichtkunst-Festspiele feiert „Adelsheim leuchtet“ mit vielen tausend Besuchern und Einheimischen die „Nacht der 10.000 Lichter“. Neben den Projektionen und Illuminationen reihen sich in dieser letzten Nacht des Festivals in der Altstadt auf Straßen und Plätzen Tische und Bänke aneinander, die durch eine nicht enden wollende Linie aus Kerzenlichtern verbunden sind.

Jeder ist eingeladen, die laue Sommernacht mit Freunden, Nachbarn, Gästen und (noch) Unbekannten zu verbringen, sich Essen und Getränke mitzubringen oder entsprechendes bei den anliegenden Gastwirten zu bestellen und miteinander ins Gespräch zu kommen.

Abb. 09 „Die Nacht der 10.000 Lichter“
Abb. 09 „Die Nacht der 10.000 Lichter“

 

Kein Besucher, der nicht vom Glanz, von den Geschichten, Projektionen und Stimmungen mitgerissen werden würde. Zugegeben, es benötigt immer etwas Zeit, um schließlich auch überregional wahrgenommen zu werden. Was sich Adelsheim da nachhaltig kulturelles „leistet“, kann sich sowohl national als auch international sehen lassen!

So schüttelte schließlich im Jahr 2008 der Bürgermeister des kleinen Städtchens weit weg, in der deutschen Hauptstadt, die Hand des damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler. Denn es war eine Ehrenurkunde überreicht worden, die die Überschrift „Deutschland, Land der Ideen“ trägt und Adelsheim seither zu den ausgewählten und besonderen Orten hinzufügt. Und dies trägt zu Recht zur Aufmerksamkeit der kleinen Erfolgsgeschichte bei.

 

Und was hat es tatsächlich mit dem ‚Zentrum der Welt’ auf sich? Louis von Adelsheim sagt aus eigener Erfahrung dazu, dass man nicht um die halbe Welt reisen müsse, um zum Zentrum der Welt zu gelangen. „Das Zentrum der Welt ist für jedes Individuum immer genau dort, wo es sich gerade befindet. Es kann den jeweiligen Ort erstrahlen lassen und zum Zentrum machen.“

Abb. 10 „Die Nacht der 10.000 Lichter“
Abb. 10 „Die Nacht der 10.000 Lichter“

 

Facts & Figures:

„Adelsheim leuchtet“

Bisher 20 Ausstellungen (Sommer 6-7 Wochen, 22-2 Uhr / Winter an jeweils zwei Wochenenden, 17-21 Uhr)

Gesamtkosten: Je Sommerausstellung ca. 45.000 € (ohne Technikkosten).

Finanziert über 50% Einnahmen (Eintritt), 15% Spenden (an den Verein „Adelsheim leuchtet e.V.). 25% Eigenmittel, die im Laufe eines Jahres erwirtschaftet werden müssen, 10% Fremdmittel (lokale Sponsoren, Privatleute)

Die Stadt Adelsheim fördert durch Bauhofleistungen und Zurverfügungstellung von Material.

Besucherzahlen: Durchschnittlich 8.000 zahlende Besucher je Veranstaltung im Sommer, im Winter ist der Eintritt frei und es erfolgt keine Besucherzählung. Während die Resonanz der Ausstellungen sich zunächst auf die Region beschränkte, kommen die Besucher inzwischen aus dem ganzen Land.

Jeweils zzgl. Ehrengäste, Presse etc.

Medien: Lokale und inzwischen auch überregionale Medien wie die ‚Landesschau Baden-Württemberg’ (TV, Radio, Internet) und Feuilletons berichten regelmäßig.

 

„Adelsheim leuchtet“ findet das nächste Mal im Herbst 2018 statt.

Weitere Informationen zum Projekt finden Sie hier.

YouTube-Videos von Klaus Kühnel geben dazu einen tieferen Einblick:

 

Weitere Licht- und Videokunstprojekte in anderen Städten und Regionen

 

Alle Fotos © Sabine Braun, „Adelsheim leuchtet e.V.“

 

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