Gemeindefusion: Wie Zusammenlegung Gemeinden stärker macht

14.08.2018
Wirtschaft

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Demografischer Wandel, wirtschaftliche Entwicklungen in der Europäischen Union und nicht zuletzt geänderte Lebensrealitäten erforderten in den vergangenen Jahren die Anpassung von Verwaltungsstrukturen, um die zukünftige Leistungsfähigkeit von Städten und Gemeinden in Österreich zu erhalten.

Insbesondere in der Steiermark gab es große Umwälzungen. Einige steirische Gemeinden, die ihre Position durch die Gemeindefusion stärken konnten, stellen wir Ihnen in diesem Beitrag vor.

 

Gemeindefusion in Österreich

Gemeindestrukturreformen sind in Österreich nicht neu. Im Burgenland, in Niederösterreich, in Kärnten und in der Steiermark fanden zwischen 1960 und 1970 umfassende gebietliche Neuordnungen statt, die die Anzahl an österreichischen Gemeinden beinahe um die Hälfte reduzierten.

Österreich gliederte sich 1961 noch in 3.999 Gemeinden. 2013 waren es 2.357 und 2018 sind es nur mehr 2.098 Gemeinden. Die hohe Reduktion der Gemeinden in den letzten Jahren ist vor allem der Gemeinstrukturreform in der Steiermark zuzurechnen.

 

Ausgangslage der steirischen Strukturreform

Die Steiermark hatte die kleinteiligste Gemeindestruktur Österreichs. Viele Gemeinden waren nicht mehr in der Lage, die Daseinsvorsorge und die Infrastruktur ohne maßgebliche Unterstützung des Landes aufrechtzuerhalten.

Aber nicht nur die Finanzlage, auch Abwanderung, Standortwettbewerb, Leistungsgrenzen in der Verwaltung, geänderte Mobilität der Bevölkerung sowie die hohen Anforderungen an den Vollzug der Rechtsnormen waren maßgeblich für die Entscheidung der Landesregierung zu einer Strukturreform.

Um es mit den Worten von Michael Parkinson, Professor an der Universität Liverpool, zu formulieren:„Unsere Städte und Gemeinden haben Grenzen aus dem 19. Jahrhundert. Sie haben Verwaltungsstrukturen aus dem 20. Jahrhundert und müssen die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bewältigen.“

 

Orientierung am Zentrale Orte Prinzip

Mit dem Ziel, die Steiermark zukunftsfähig zu machen, wurde daher unter dem Leitbild „Stärkere Gemeinden – Größere Chancen“ die Anzahl der steirischen Gemeinden im Jahr 2015 von 542 auf 287 reduziert, teilweise auch gegen den Widerstand der beteiligten Gemeinden.

Hinsichtlich  der  Kriterien der Gemeindefusion orientierte sich die Gemeindestrukturreform vor allem am Konzept der „Lebensrealitäten-Zentrale Orte“. Wobei insbesondere die Funktionsfähigkeit bestehender Zentren gestärkt werden sollte. Hierbei bildeten die bereits existierenden Aktionsräume der Menschen die Basis.

Von Bedeutung waren weiters die Haushaltsentwicklung, die demografische Entwicklung, raumordnungspolitische und  infrastrukturelle Gesichtspunkte, die geografische Lage sowie die bestehenden Kooperationen.

Ziel der steirischen Strukturreform waren nicht nur Einsparungen, sondern vor allem Effizienzsteigerung. Etwaige Kostenersparnisse sollten Spielräume für Investitionen in die Zukunft erschließen.

 

Birkfeld – Umfangreiche Verbesserungen durch Gemeindefusion

Seit Beginn des Jahres 2015 ist Birkfeld mit den nunmehrigen Ortsteilen Gschaid, Koglhof, Haslau und Waisenegg zur größten Gemeinde des Bezirkes Weiz gewachsen. Rund 5.100 BewohnerInnen zählt die Gemeinde im Zentrum des Feistritztales nach der Gemeindefusion.

Die steirischen Preisträger bei der Gratulation durch LR Johann Seitinger, AWV Steiermark

Durch die Zusammenlegung wurden zahlreiche Verbesserungen möglich.

Das Großprojekt des Umbaus der Neuen Mittelschule Birkfeld, die Sanierung der Volksschule mit angeschlossenem Kindergarten in Koglhof, die Harmonisierung der Abgaben für alle GemeindebürgerInnen oder die Neugestaltung des Sportplatzes im Ortsteil Waisenegg.

„Der Hauptvorteil ist, dass wir in unserer Abwanderungsregion der Jugend eine Perspektive für die Zukunft geben können. Dies insofern, als dass wir uns wirtschaftlich auf eigene Beine stellen können.

Wir können dadurch die Infrastruktur so gestalten, dass wir den Birkfelderinnen und Birkfeldern eine interessante und lebenswerte Heimat für die Zukunft bieten können“ resümiert Bürgermeister Franz Derler.

Sogar einen Staatspreis konnte das neue Birkfeld für sein modernisiertes Müllentsorgungssystem lukrieren. Ohne den Zusammenschluss der fünf Gemeinden wäre das nicht möglich gewesen.

Vor der Gemeindefusion hatte jede der fünf Gemeinden eine eigene Müllabfuhr. Bei der Abholung wurden die gleichen Straßen oft doppelt und dreifach befahren. Das sollte optimiert werden – was auch überzeugend gelungen ist.

 

Knittelfeld – Trendumkehr dank Eingemeindung

Die Obersteiermark war seit Jahrzehnten eine Abwanderungsregion. Mit der Eingemeindung von Apfelberg in die Gemeinde Knittelfeld wurde eine Trendumkehr möglich.

Erstmals nach Jahrzehnten konnte der Prozess des Schrumpfens gestoppt und sogar umgekehrt werden. Bereits ein Jahr nach dem Zusammenschluss stieg die Einwohnerzahl in Knittelfeld um 120 Personen.

Entscheidend dafür, dass mit der Fusion neue Entwicklungen angestoßen werden konnten, war vor allem die topografische Lage. Die Siedlungsgebiete von Knittelfeld und Apfelberg gingen bereits vor der Fusion fließend ineinander über.

Knittelfeld war jedoch als dichtbesiedeltste Stadt der Steiermark durch das Fehlen von Entwicklungsflächen für Betriebe oder Wohnbau eingeschränkt. Apfelberg hingegen hatte flächenmäßig viel Potenzial. Erst durch die Fusion wurden Projekte wie die „GRueN City“ möglich.

 

Wohnbauprojekte werden oftmals erst durch Gemeindefusionen möglich
Direkt neben der städtischen Volksschule Landschach entstanden mit Unterstützung der Stadt neue Reihenhäuser, die mitten in Knittelfeld, aber auf bisherigem Apfelberger Gebiet, errichtet wurden.

 

Auch der neue Ortsteil Apfelberg hat profitiert. Nach 15 Jahren gibt es mit dem Wohlfühlladen wieder einen Nahversorger und im ehemaligen Gemeindeamt erstmals einen Arzt. Weiters wurde auch der Kindergarten bereits erweitert. „Durch die Fusion hat Knittelfeld enorme Zukunftschancen erhalten“, erklärt Bürgermeister Gerald Schmid.

 

Weiz – Fusion ermöglicht Durchbruch

Für Weiz brachte die Fusion mit der Nachbargemeinde Krottendorf einen echten Durchbruch. Die Einwohneranzahl stieg auf mehr als 10.000. Man hat zusätzliche Finanzmittel generiert, neue Projekte und Flächen für Entwicklung standen zur Verfügung.

Die Schul- und Industriestadt hatte vor der Fusion ähnliche Problemfelder wie Knittelfeld. Mit der zweitgrößten Dichte in der Steiermark und zahlreichen Industriebetrieben war Weiz flächenmäßig an der Grenze. Wenn Privatpersonen oder Betriebe bauen wollten, haben sie sich im Umland angesiedelt, nicht aber in Weiz.

Allerdings musste Weiz mit seinen damals rund 9.000 EinwohnerInnen die Infrastruktur für rund 20.000 Menschen in der gesamten Umgebung aufrecht erhalten. Die neue Stadt hat nun Entwicklungsflächen und jährlich rund eine Million Euro mehr an Einnahmen als Krottendorf und Weiz zuvor allein.

So konnte etwa mit dem Projekt Ortsdurchfahrt ein jahrzehntelanger Wunsch der Stadt Weiz auf Schiene gebracht werden. Die Mehreinnahmen durch die Fusion machen es möglich, dass Weiz den 20-Prozent-Anteil des 100-Millionen Euro-Projekts zusätzlich zu anderen Investitionen stemmen kann.

 

Gemeindefusion ermöglicht die Ortsumfahrung in Weiz
„Der Bau der Ortsdurchfahrt Weiz bis zum Jahr 2021 ist ein Jahrhundertprojekt, das in vielen Bereichen wie Verkehr, Mobilität, Lebensqualität und Standortsicherung die Basis für die Weiterentwicklung unserer Stadt in Richtung einer positiven Bewältigung der Zukunftsaufgaben bildet“, so Bürgermeister Erwin Eggenreich.

 

Mittlerweile entstand auch ein neuer Gewerbepark, ein neues Industriegebiet und ein Bauhof. Zwei Millionen Euro wurden in die größte Ultra-Filtrationsanlage Österreichs investiert, mit der die Trinkwasser-Versorgung für die gesamte Region sichergestellt wird.

Auch das Krottendorfer Vorzeigeprojekt „Garten der Generationen“ floriert und ist als Veranstaltungszentrum ein beliebter Treffpunkt aller Weizer.

 

Seiersberg-Pirka – Wachstum durch Fusion meistern

Die Gemeinden Seiersdorf und Pirka hätten in Hinblick auf Abwanderung und Schrumpfung keinen Fusionsbedarf gehabt. Beide Gemeinden verzeichneten in den vergangenen Jahrzehnten ein rasantes Wachstum und waren finanziell gut aufgestellt. Allerdings wäre Pirka nach den Fusionen in der Umgebung die kleinste Gemeinde gewesen und Seiersdorf benötigte Entwicklungsflächen.

Die Fusion wurde daher sowohl von Bürgermeister Werner Baumann als auch Pirkas letzten Bürgermeister Thomas Göttfried offensiv betrieben und unter Beteiligung der Bevölkerung einstimmig beschlossen.

Gemeindefusion ermöglicht Investitionen in Bildungsinfrastruktur
Ab September startet die Privatschule auch das neue Oberstufenrealgymnasium

„Um das Wachstum zu bewältigen, müssen wir immer ein Jahrzehnt vorausblicken“, meint Bürgermeister Werner Baumann. Schätzungen der Gemeindeführung gehen davon aus, dass die neue Gemeinde in den kommenden Jahren auf bis zu 15.000 Menschen anwachsen wird.

Mit den von Pirka eingebrachten Entwicklungsflächen und dem zusätzlichen Investitionskapital lasse sich dieses Wachstum bedeutend besser steuern.

Vor allem die Schaffung neuer Infrastruktur steht ganz oben auf der Agenda. Im Ortsteil Pirka entstand bereits eine neue Kinderkrippe sowie ein Ärztezentrum, das im früheren Gemeindeamt untergebracht wurde.

Zur besseren Anbindung des Ortsteils hat man die Buslinie zur Volksschule Pirka verlängert und mit dem Ende 2017 eröffneten privaten Gymnasium ist in Seiersberg-Pirka nun auch eine durchgängige Ausbildung bis zur Matura möglich.

Dass es der neuen Gemeinde finanziell sehr gut geht, lässt sich auch an den zahlreichen Vereinen, sozialen Einrichtungen und einem umfassenden Förderprogramm ablesen. Auch Vizebürgermeister Thomas Göttfried ist mit der Entwicklung zufrieden: „Ich denke, wir haben als ehemalige Gemeinde Pirka enorm von der Fusion profitiert.“

 

Fazit: Gemeindefusion gelingt mit Unterstützung der Bevölkerung

Fusionen aus mehreren Gemeinden führen nicht automatisch zu einer neuen, starken Gemeinde. Die Mitwirkung der Bevölkerung ist dafür eine wesentliche Voraussetzung. Es gilt, bestehende Identitäten zu bewahren und ein gemeinsames Wir-Gefühl zu schaffen.

Die genannten Beispiele zeigen, wie Fusionen Gemeinden stärker machen können, wenn Verantwortungsträger an einem Strang ziehen und die Veränderungen von den BürgerInnen mitgetragen werden.

Eine umfassende Messung der Effekte kann allerdings erst nach einem längeren Zeitraum ab der Geltung der neuen Gemeindestruktur seriös beurteilt werden, wobei ExpertInnen von einem Zeitraum von fünf bis zehn Jahren nach dem Inkrafttreten der Strukturreform ausgehen.

 

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