Gemeindefinanzen zwischen Pflicht, Kür und Realität

27.05.2025
Gesellschaft, Wirtschaft

Landes GF des Kärntner Gemeindebundes Peter Heymich im Podcast Gespräch mit Inga Horny
(c) STAMA Aut Johanna Wohlfahrt

Peter Heymich, Landesgeschäftsführer des Kärntner Gemeindebundes, im Gespräch mit Inga Horny, Vorstandsmitglied von Stadtmarketing Austria: Sie sprechen über den Spagat, der bei den Gemeindefinanzen derzeit vollzogen werden muss, um der Pflicht genüge zu tun und dennoch die Lebensqualität in Orten und Städten nicht totzusparen.

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Inga Horny:
Schönen guten Nachmittag, Herr Mag. Heymich, vielen Dank für Ihre Zeit! Wir wollen uns heute über Gemeindefinanzen unterhalten. Ein brisantes Thema. Überall ist das Geld knapp und viele Gemeinden stellen sich die Fragen: was müssen wir machen, was können wir machen, was soll man machen und was machen wir in Zukunft nicht mehr?

Peter Heymich:
Sehr gerne, danke für die Einladung. Die Bundesverfassung gibt uns eine klare Grundlage. Gemeinden haben sogenannte „eigene Wirkungsbereiche“, die ihnen verfassungsgesetzlich garantiert sind. Dazu zählen etwa Bau- und Raumordnung, Straßen- und Feuerpolizei, die Wasserversorgung, Abwasserentsorgung, Straßeninstandhaltung. Das sind alles hoheitliche Aufgaben. Zusätzlich gibt es viele gesetzliche Verpflichtungen auf Länderebene, etwa im Bildungs- und Sozialbereich.

Es gibt dann auch noch paradoxe Sachen, wo man sich fragt, warum ist eine Gemeinde dafür zuständig. Zum Beispiel die Tierzuchtförderung, wo man dann auch für die Förderung der Tierzucht zuständig ist und Zahlungen leisten muss. Besonders relevant sind die Umlagenzahlungen, etwa für Gesundheit und Soziales. Diese nehmen teilweise weit über 50 Prozent des Gemeindebudgets ein, bevor eine Gemeinde überhaupt noch eigene Schwerpunkte setzen kann.

Inga Horny:
Wir reden ja immer von einem Kulturauftrag, den Gemeinden hätten. Wie schaut es mit der Kultur aus, was ist da verpflichtend?

Peter Heymich:
Die Kultur ist rechtlich gesehen keine Pflichtaufgabe, auch wenn sie oft als „moralische“ Pflicht gesehen wird. Musikschulen etwa sind in manchen Bundesländern teilfinanziert oder geregelt. Stadttheater oder kulturelle Veranstaltungen werden traditionell von Gemeinden mitgetragen, aber auf freiwilliger Basis – und oft gemeinsam mit Land und Bund kofinanziert.

Das gilt auch für Vereine im Bereich Volks- und Hochkultur. Das sind auch die Bereiche, die man prinzipiell gut vermarkten kann, weil es die Identität einer Gemeinde auch zum Ausdruck bringt. Aber es ist kein Bereich, wo man sagen kann, es gibt eine Zahlungsverpflichtung in der Größe X.

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Gibt’s den „Kulturauftrag“ einer Gemeinde? Der Experte sagt: Eine moralische, aber keine faktische Pflicht. (c) Klamag_derSchindler

Inga Horny:
Und wie sieht es beim öffentlichen Verkehr aus?

Peter Heymich:
Der Linienverkehr wird zumeist über Verkehrsverbünde organisiert, finanziert von Land und Gemeinden. Gemeinden leisten Beiträge zur Tarifstützung. Darüber hinaus können sie Leistungen zukaufen, je nach Budgetlage. Verpflichtend ist der öffentliche Verkehr nur begrenzt, etwa beim Schülerverkehr. Es gibt ja grundsätzlich die Schülerfreifahrt und da gibt es entsprechende Kofinanzierung, die über das Finanzministerium bzw. das zuständige Finanzamt erfolgt.

Den Rest müssen dann immer die Gemeinden tragen und das kann bis in Richtung 40, 50 Prozent gehen, was da zugeschossen wird. Wenn das Land sich zurückzieht, bleiben die Kosten oft bei den Gemeinden hängen, wie wir in Kärnten nach der Hypo-Krise gesehen haben.

Inga Horny:
Welche Leistungen sind aus Ihrer Sicht typische „freiwillige Aufgaben“?

Peter Heymich:
Die Frage ist natürlich, nimmt man die rechtliche Verpflichtung, nimmt man die moralische Verpflichtung oder die politische Verpflichtung? Aber rein rechtlich gesprochen ist alles freiwillig, wozu es keine gesetzliche Verpflichtung gibt.
Das umfasst etwa Freizeit- und Sportinfrastruktur, das Hallenbad, Jugendzentren, Veranstaltungen, Wirtschaftsförderung. Auch Kultur fällt hier vielfach darunter. Das sind die Bereiche, die, die eine Gemeinde oder eine Stadt lebenswert machen, die, wie ich glaube, auch den Kommunalpolitikerinnen Spaß machen – da gibt es meistens gute Sachen zu berichten. Sie sind aber eben auch die ersten Bereiche, die bei Budgetkürzungen unter Druck geraten.

Bei jeder Infrastruktur muss in bestimmten Zyklen reinvestiert werden, damit man nicht komplett erneuern muss.

Inga Horny:
Sie haben jetzt für uns wichtigen Aspekt angesprochen, nämlich die Gestaltung und Attraktivierung des öffentlichen Raums. Inwieweit sind Gemeinden verpflichtet, zu sparen, damit sie sich große Investitionen wie einen neuen Kanal oder eine Platzgestaltung überhaupt leisten können?

Peter Heymich:
Für Kanal, Leitungsnetz etc, also die sogenannten Gebührenhaushalte, Wasser, Kanal, Müll und ähnliches, gibt es ja gesetzliche Verpflichtungen, diese Leitungen und diese Infrastruktur bereit zu stellen – sofern man sich nicht Dritter bedient wie Stadtwerke, Wassergenossenschaften, Wasserverbände. In jedem Gebührenhaushalt und bei jeder Infrastruktur muss in bestimmten Zyklen reinvestiert werden, damit man nicht komplett erneuern muss.

Die Frage ist dann oft: Wie hoch setzt man die Gebühren an? Da gibt es einen bestimmten Korridor, der das doppelt Notwendige nicht übersteigen darf, aber es möglich macht, Rücklagen für Reinvestitionen zu bilden. Das hängt stark von der kaufmännischen Betriebsleitung ab, und von der politischen Vorgabe. Sprich: wie stark schaut man auf Investitionen oder wie niedrig müssen die Gebühren für den Endnutzer sein? Das ist auch eine Wertungsentscheidung.

Was steht monetär zur Verfügung, aus Eigenmitteln, Förderungen, Krediten und möglichen Einnahmen?

Inga Horny:
Was aber, wenn eine Gemeinde feststellt, wir hätten gerne ein Opernhaus oder eine Messehalle. Das ist eine Großinvestition und es gibt nicht die Opernhausgebühr, die jeder Haushalt entrichtet. Wie geht man so ein Projekt an?

Peter Heymich:
Bei Großinvestitionen, wie einem Stadion, Hallenbad oder eben Opernhaus, muss man sich aufgrund der finanziellen Situation entsprechend anzunähern. Die Frage ist: was hat man zur Verfügung und wo muss man Abstriche machen. Am Beispiel Hallenbad: Soll es ein Familienbad sein? Soll das dazu geeignet sein, schwimmen zu lernen? Soll es für Leistungssport geeignet sein?

Essenziell ist: Was steht monetär zur Verfügung? Bei einer Zusammenschau dessen, was an Förderungen lukrierbar ist, was man selbst an Eigenmitteln hat, was man an Krediten bedienen könnte und was man über Eintrittsgebühren tatsächlich einnehmen kann.

Inga Horny:
Aber es gibt keine Verpflichtung für solche großen Investitionen langfristig anzusparen?

Peter Heymich:
Nein das obliegt der Schwerpunktsetzung der jeweiligen Gemeinde, Stichwort Gemeindeautonomie.

Inga Horny:
Anderes Thema: Wie steht es um die Verpflichtung der Gemeinde zur Information der Bürger? Wo fängt sie an und wo hört sie auf?

Peter Heymich:
Harte rechtliche Fakten wie Gebühren und Abgaben, Flächenwidmungsplan, Bebauungspläne, Umweltverträglichkeitsprüfungen etc. sind den Bürgerinnen und Bürgern mitzuteilen. Da gibt es gesetzliche Verpflichtungen. Wenn etwa eine Verordnung nicht ordnungsgemäß kundgemacht ist, ist die Gebühreneinhebung rechtswidrig.

Neu, aber auch verpflichtend nach den Informations- und Statistikgesetzen der jeweiligen Bundesländer ist, auf Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern zu reagieren. Da können interessierte Bürger Anfragen stellen, wenn auch mit bestimmten Ausnahmen. Zum Beispiel, wenn diese Daten nicht vorhanden sind und die Gemeinde die Daten erst mühsam aufbereiten müsste. Auch dort, wo zum Beispiel ein Amtsgeheimnis noch dagegen spricht, muss man nicht informieren, oder wenn persönliche Interessen oder Grundrechte betroffen wären, also Datenschutz, Unternehmensgeheimnisse u.ä.

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Die Informationspflichten für Kommunen sind klar geregelt, betreffen aber beschränkte Themenbereiche (c) generated by playground/Gottfried Goiginger

Inga Horny:
Aber ist diese Informationsverpflichtung ausreichend abgedeckt, wenn man die Information nur digital zur Verfügung stellt? In vielen Gemeinden wird ja derzeit die Einstellung der Gemeindezeitung diskutiert, als Einsparungsmöglichkeit in angespannten Budgetsituationen.

Peter Heymich:
Also Gemeindezeitungen sind freiwillige Leistungen. Es ist in gewisser Weise fast eine ethische Frage, weil gerade die ältere Generation freut sich immer noch über eine adressierte Post. Die Jüngeren sind eher auf Social-Media-Kanälen unterwegs, informieren sich darüber und würden eine Gemeindezeitung, glaube ich, gar nicht mehr aufschlagen.

Also das ist eine Zielgruppenfrage. Eine gewisse Grundinformation über das Gesellschaftsleben würde ich als moralisch verpflichtend ansehen. Man muss sich nicht viel Sorgen um solche Informationen machen, weil alles, was irgendwie gut und wichtig ist, wird aus politischem Interesse auch kommuniziert werden, um die eigenen Leistungen zu verkaufen.

Die größte Verpflichtung ist die Umlagenzahlung an das Land. Sie nimmt  70 bis 90 Prozent der Einnahmen einer Gemeinde in Anspruch.

Inga Horny:
In Österreich gibt es im Moment die Situation, dass Städte und Gemeinden landauf, landab budgetären Problemen zu leiden haben. Die Aufgaben werden immer mehr, die Digitalisierung schreitet voran, das heißt aber nicht, dass wir weniger Mitarbeiter brauchen. Woran kann man eine gesunde oder eine kranke Gemeinde erkennen? Gibt es sowas wie Kennzahlen für Gemeinden?

Peter Heymich:
Ja, es gibt sicher einige Kennzahlen. Zunächst der Saldo der operativen Gebahrung. Da stellt man die Abgabeneinnahmen einer Gemeinde, die Ertragsanteile aus den Bundessteuern und sonstige Transfer-Einnahmen, Förderungen etc. gegenüber dem Personalaufwand, dem Sachaufwand und den Transferzahlungen ans Land. Ein negativer Saldo weist hin auf ein grundlegendes Problem.

Die nächste Kennzahl wäre der Nettofinanzierungssaldo. Da sieht man sich die erwähnte operative Gebahrung an, und nimmt die investive Gebahrung hinzu. Wie viel wurde verkauft, was hat Einnahmen gebracht, was hat die Gemeinde gekauft, wofür wurde Geld ausgegeben, wie wurde investiert?

Dann gibt es noch eine wesentliche Kennzahl: Der Geldfluss der voranschlagswirksamen Gebahrung. Klingt furchtbar technisch. Dabei sieht man sich zusätzlich den Geldfluss der Finanzierungstätigkeit an. Das heißt, was kam durch Darlehensaufnahme herein in diesem Jahr und ist an Schulden laufend zu tilgen in einem Jahr.

Eine All-in-One-Kennzahl ist die Quote der freien Finanzspitze. Da zeigt sich genau der Spielraum für Projekte, für Investitionen, unter Betrachtung der Folgelasten. Man schaut: was ist effektiv verfügbar? Spannend: die Gemeinden, die uns jetzt ihre Voranschläge für das Jahr 2025 übermittelt haben, haben im Schnitt eine Quote der freien Finanzspitze von minus zwei Prozent. Das heißt, die freie Finanzspitze ist de facto negativ. Viele Gemeinden haben in den letzten Jahren Rücklagen aufgebraucht, einfach um überhaupt den operativen Haushalt stemmen zu können.

Landes GF des Kärntner Gemeindebundes Peter Heymich im Podcast Gespräch mit Inga Horny
Inga Horny, Vorstandsmitglied von Stadtmarketing Austria im Gespräch mit dem Kärntner Gemeindebund-GF Peter Heymich (c) STAMA Aut/Johanna Wohlfahrt

Inga Horny:
Was also tun? Eine Gemeinde hat ja unglaublich viele Verpflichtungen. Man kann nicht einfach sagen, wir schließen jetzt die Volksschule 1 und arbeiten nur noch mit der Volksschule 2. Wie kann eine Gemeinde zu Geld kommen?

Peter Heymich:
Der Bund und die Länder haben die Möglichkeit, Darlehen für den laufenden Betrieb aufzunehmen. Die Möglichkeit haben Gemeinden aber nicht. Die Gemeinden haben aber viele Verpflichtungen. Und die größte Verpflichtung ist die Umlagenzahlung an das Land. Sie nimmt oft zwischen 70 und 90 Prozent der Einnahmen einer Gemeinde in Anspruch. Und dann bleibt für die Erfüllung der restlichen Aufgaben einer Gemeinde wenig übrig.

Das heißt, bei den Pflichtaufgaben kann man nur sehr begrenzt sparen. Die Frage ist, wie betriebswirtschaftlich man denkt und über welche Hürden man zu springen wagt. Ob man mit anderen Gemeinden kooperiert etwa, Dinge effizienter erbringt, ob man regionale Schwerpunkte setzt.  Aber das hängt natürlich auch mit dem Stolz einer Gemeinde und dem Anspruch eines Kommunalpolitikers zusammen. Und das sind die Dinge, die schwierig sind. Gemeinden folgen keiner Konzernlogik. Jeder Eingriff ist hier emotional.

Das ändert aber nichts daran, dass man wirtschaftlich Handlungsbedarf hat. Also: Pflichtaufgaben effizienter erfüllen, Synergien suchen oder kooperieren. Oder man auch Ermessensausgaben streichen. Das geht auch mit klaren Prioritäten, Stichwort: aus minimalem Mitteleinsatz das Maximum herausholen. Das wäre dann das intelligente Sparen, ist aber am schwierigsten.

Digitalisierung, Bürokratieabbau und Mitarbeitereinsparung, das hätte man gern von allen Verwaltungsebenen.

Inga Horny:
Also das Stichwort heißt Kooperation, Zusammenarbeit, Ressourcen teilen und bündeln. Da geht es dann auch schnell um Totschlagargumente wie Strukturreform, Bürokratie- und Mitarbeiterabbau.  Gibt es denn eine Mitarbeiterkennzahl, die gut strukturierter Magistrat oder eine gut strukturierte Gemeinde gemessen an Einwohnern, Einnahmen oder Fläche braucht?

Peter Heymich:
Man kann natürlich die Gemeindegröße in Relation zur Anzahl der Vollzeitäquivalente setzen. Fraglich, wie aussagekräftig ist das. Also gerade wenn ich Magistrate vergleiche mit regulären Gemeinden, dann haben alle anderen Gemeinden die Aufgabe der Bezirksverwaltungsbehörde nicht mit abzudecken.

Nach meinem Wissensstand sind wir bei Gemeinden, zumindest in Kärnten, zwischen 16 und 35 Prozent der Einnahmen für den Personalaufwand. Das hängt auf von Faktoren wie der topografischen Lage ab. Ich werde mehr Personal in einer Wörthersee-Gemeinde brauchen mit Tourismus und Seepromenade und aktiver Hotellerie als zum Beispiel in einer Gemeinde, die zu 70 Prozent aus Ödland und Gebirge besteht.

Für 128 Kärntner Gemeinden aber gibt es einen sogenannten Normstellenplan, in dem aufgrund der Einwohnerzahl, der Siedlungsfläche, der Anzahl der Nächtigungen, der Arbeitsplätze, etc. gewisse Obergrenzen definiert sind. Aber die Digitalisierung, der Bürokratieabbau und die  Mitarbeitereinsparung, das hätte man gern von allen Verwaltungsebenen.

Ich glaube nur, dass die Entbürokratisierung auf der Gemeindeebene am schwierigsten zu bewerkstelligen ist, weil die Gemeinden sind ja ausführende Organe. Das heißt, deregulieren müsste man auf Landes- und auf Bundesebene.

Für alle Schulen beispielsweise das Toilettenpapier oder Reinigungsmittel gemeinsam zu bestellen. Klingt fast banal, kann aber viel bewirken.

Inga Horny:
Gibt es Best-Practice-Beispiele? Städte, Gemeinden, Orte, wo eine Struktureform geglückt ist?

Peter Heymich:
Dafür gibt’s ja mittlerweile schon Awards, an denen man sich orientieren kann. In Kärnten etwa den Primus für Kommunalverwaltungen. Er wurde zuletzt etwa für ein besonders innovatives und toll designtes Veranstaltungszentrum vergeben. Oder für einen Prozess, wo per Funkverbindung zu sämtlichen Pumpanlagen der aktuellen Zustand einer Wasserversorgung angezeigt wird. Das hat eine Gemeinde mit knapp 1.000 Einwohnern eingeführt, mit internationalen Forschungsmitteln.

Innovationen gibt’s auch in den Strukturen: Zwei Kleingemeinden etwa, die eine gemeinsame Kinderbildungs- und Betreuungseinrichtung haben. Das funktioniert wunderbar. Die haben auch das Angebot massiv ausgebaut. Das zeigt: Wenn es die Angebote gibt, dann werden sie dann auch genutzt.

Es gibt auch Beispiele von Gemeindeverbänden, die sich im Beschaffungwesen zusammengetan haben und nun mehrere Pflegeheime mit einer Küche versorgen. Den großen landesweiten Rollout für solche Dinge habe ich noch nicht gesehen, obwohl es durchaus sinnvoll wäre. Für alle Schulen Kärntens beispielsweise das Toilettenpapier oder die Reinigungsmittel gemeinsam zu bestellen. Klingt fast banal, kann aber viel bewirken. In Summe spart das viel Geld, das man anderswo besser einsetzen könnte.

Bei der Infrastruktur wird noch sehr regional gedacht. Weil das sehr sensibel ist. Wenn es in der Nachbargemeinde eine Einrichtung gibt, die dem Stand der Technik betrifft, könnte man sie mitnutzen. Zugleich geht es freilich auch immer darum, eigene Infrastruktur zu schaffen oder zu erhalten. Aber letztlich ist jede Krise eine Chance, die man ergreifen kann.

Mitarbeitereinsparungen werden schwierig. Früher gab es viele Themen gar nicht. Oder sie sind nun viel stärker reguliert.

Inga Horny:
Wir lernen also: Strukturen teilen, kooperieren in der Beschaffung. Ein wichtiges Thema in diesem Kontext ist auch Digitalisierung. Bringt sie für Gemeinden, für Städte, Orte tatsächlich Einsparungspotenzial?

Peter Heymich:
Digitalisierung hat unterschiedliche Triebfedern. Etwa, damit man Sachen schneller findet, Verfahren beschleunigt. Sie kann aber auch bewirken, dass man besser arbeitet. Wenn man etwa Verträge digitalisiert, ein Vertragsmanagementsystem einführt und dann Fristen mit Alarmen hinterlegt kann das, glaube ich, zur Professionalisierung beitragen.

Was KI-Anwendungen betrifft fällt mir zum Beispiel Kremsmünster als Best Practice ein. Als Alexa noch bestenfalls zum Musikhören verwendet wurde, hatten sie dort bereits eine Alexa im Bürgerservice für Anfragen aller Art stehen.

Es gibt also Beispiele, wie man gut damit umgehen kann. Damit man das aber ausrollen kann, braucht es mehr AI Literacy, also KI-Kompetenz. Für spezifische Bereiche braucht es schon qualifiziertere Anwender, damit man keine unerwünschten Effekte hat.

Insofern ja: In Digitalisierung steckt Potenzial. Aber Mitarbeitereinsparungen werden trotzdem schwierig. Das liegt vor allem daran, dass die Themen komplexer geworden sind. Früher gab es viele Themen gar nicht. Oder sie wurden viel stärker reguliert.

Wenn früher jemand auf der Straße ausgerutscht ist, blieb das folgenlos. Heute hört der Bürgermeister, dass es seine Aufgabe gewesen wäre, die Straße von Schnee und Eis freizuhalten. Da ist es nicht mehr weit bis zur Klagsdrohung. Und damit haben auch Verwaltungen zu kämpfen.

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KI-Anwendungen in Gemeinden sind wünschenswert, aber nur wenn die KI-Kompetenz der Anwender vorhanden ist © playground.com/ggoiginger

Inga Horny:
Gutes Stichwort: An welche Institutionen kann man sich wenden, um Rat und Hilfe zu bekommen?  Wo kriegt man Auskunft zum Thema Strukturreform, Digitalisierung, Aufgaben der Gemeinden, Sparmöglichkeiten, Kooperationen?

Peter Heymich:
Gemeindebund und Städtebund sind sicher Anlaufstellen. Hilfreich sind auch Fachmagazine oder entsprechende Podcasts. Beispielsweise hat auch der Präsident des österreichischen Gemeindebunds seit kurzem ein Podcast-Format. Vernetzung hilft in jeder Form. Der Besuch von Vernetzungsveranstaltungen, von Messen etc., aber auch Austausch mit Forschungseinrichtungen, dem Zentrum für Verwaltungforschlug, aber auch mit Hochschulen, würde ich als essenziell sehen in dem Zusammenhang.

Inga Horny:
Abschließend könnte man also sagen: Kooperation, Zusammenarbeit, Austausch, voneinander lernen, schauen, wie machen es die anderen, das muss die Richtung sein für Gemeinde- und Stadtentwicklung in den nächsten Jahren. Herr Heymich, vielen Dank für dieses  Gespräch. Ich hoffe, dass wir uns bald wieder auf diese Art austauschen können.

Peter Heymich:
Sehr gerne. Dankeschön.

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Inga Horny

Geschäftsführerin Klagenfurt Marketing GmbH

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