Warum Sie Ihre Gemeinde auf ein Blackout vorbereiten sollten

13.08.2019
Wirtschaft

blackout

Europas Stromnetz stand in den vergangenen Jahren mehrfach am Rande eines Blackout. Wo die Ursachen dafür zu finden sind, wie die Blackout-Vorsorge in Österreich derzeit aufgestellt ist und warum Gemeinden tragfähige Konzepte für Infrastruktur und Einbeziehung der Bevölkerung entwickeln sollten, lesen Sie in diesem Beitrag.

 

Wodurch kann ein Blackout in Österreich ausgelöst werden?

Den Begriff Blackout verwendet man fälschlicherweise oft für lokale Störungen, bei denen der Strom für einige Stunden in Teilen Österreichs ausfällt. Dabei handelt es sich aber um einen normalen Stromausfall.

Von einem Blackout spricht man erst dann, wenn es sich um einen plötzlichen, länger andauernden und überregionalen Stromausfall handelt, der mehrere Bundesländer oder Staaten gleichzeitig betrifft und zum Ausfall wichtiger Infrastrukturen führt. Für einen Blackout gibt es viele Ursachen.

 

1. Instabilitäten in den europaweiten Netzen

Das österreichische Stromnetz ist Mitglied des europäischen Netzverbunds. Eine Großstörung in einem europäischen Land kann sich innerhalb von wenigen Sekunden über weite Teile Europas ausbreiten (Dominoeffekt).

„Es gibt keinerlei Vorwarnzeichen. Aufgrund der Vernetzung können sich lokale Ausfälle kaskadenartig über Grenzen hinweg ausbreiten“, erklärt Sandra Dazinger vom OÖ Zivilschutzverband.

Österreichs wichtigster Stromlieferant ist Deutschland, dessen Elektrizitätsnetz im Juni 2019 mehrmals schwere Krisen mit europaweiten Folgen verursacht hat. Die Systemsicherheit war sogar gefährdet.

 

2. Überaltertes Stromnetz

Seit der Errichtung des österreichischen Übertragungsnetzes Mitte des vorigen Jahrhunderts ist nicht nur der Verbrauch stark gestiegen, auch die Liberalisierung des Strommarktes hat die Belastung der Netze erheblich verschärft. Das Stromnetz arbeitet an seinen Leistungsgrenzen, da es für die heutige Importsituation nicht konzipiert wurde.

Nur durch ein komplexes Engpassmanagement (EPM) kann der Netzbetrieb noch aufrechterhalten werden. Regelmäßig müssen alte österreichische Gaskraftwerke spontan einspringen – was ineffizient und teuer ist.

Die Gefahr einer Überlastung der Netze steigt, warnt der Netzbetreiber APG. Die Kosten für die Sicherung der Stromversorgung stiegen auf 300 Millionen Euro. Für die Zukunft brauche man „alle Gaskraftwerke“ und dringend neue Leitungen.

 

Kosten für Engpassmanagement zur Verhinderung eines Blackout
Quelle: Aktuelle Situation der Versorgungssicherheit, Herbert Saurugg

 

3. Energiewende

Der rasche Ausbau dezentraler Wind- und Solaranlagen verschärft die Situation zusätzlich aufgrund weiter Wege und schwankender Stromproduktion. Infolgedessen sind immer öfter stabilisierende Eingriffe in den Betrieb des Stromnetzes nötig. Die Kosten, um das Netz weiter stabil zu halten und Blackouts zu vermeiden, steigen enorm.

Einen ersten Vorgeschmack auf zukünftige Entwicklungen gab das vergangene Jahr. Der Jänner war trocken und kalt. Der Juni trocken, heiß und windstill. Weder die Wasser-, Wind- noch Solarkraftwerke konnten genug Strom erzeugen, um den heimischen Bedarf zu decken.

An 301 Tagen musste der Übertragungsnetzbetreiber APG eingreifen, um das Netz stabil zu halten. Erst durch den Einsatz aller thermischen Kraftwerke im Land und massiver Importe (etwa von slowenischen Braunkohlekraftwerken) konnte man eine Überlastung verhindern.

Mithilfe von neuen digitalen Sicherungstechnologien, die in den nächsten fünf Jahren in Betrieb gehen, soll das Ökonetz der Zukunft stabil gemacht werden.

 

4. Digitalisierung der Steuerung

Die Wahrscheinlichkeit von Blackouts in Europa nimmt auch deshalb zu, weil die Bedeutung von modernen Informations- und Kommunikationstechnologien zur Steuerung der komplexen Stromnetze steigt. Dadurch können vermehrt Störungen auftreten, welche die regionale und überregionale Stromversorgung gefährden.

So konnte etwa im Jänner 2019 nur knapp ein europaweites Blackout verhindert werden. Laut Angaben des österreichischen Übertragungsnetzbetreibers APG löste „ein Datenfehler an einem Netzregler“ im Gebiet der deutschen TenneT den Störfall aus.

 

5. Cyberangriffe: Reelle Bedrohung für den Netzbetrieb

Die Verwundbarkeit des Netzbetriebs wird auch durch die Digitalisierung (digitales Umspannwerk, Smart Metering) verstärkt und macht das Netz anfälliger für Cyberangriffe. Ein Cyberangriff auf die kritische Infrastruktur Österreichs wäre mit einem Aufwand von lediglich 10 Millionen Euro machbar. Im Verteidigungsministerium geht man davon aus, dass großflächige Angriffe nur mehr eine Frage der Zeit sind.

Wie real dieses Szenario ist, zeigt der Cyberangriff in der Ukraine Ende 2016. Hacker legten das ukrainische Energienetz über Stunden hinweg komplett lahm. Dabei handelt es sich zwar um einen extremen Vorfall, doch auch Hackerangriffe auf Raffinerien, Verteilungsnetze, Stadtwerke und Atomkraftwerke sind bereits vielfach dokumentiert.

Bei einer gewissen Größe von Angriffen könnten „Auswirkungen bis hin zu einem vollständigen Blackout im europäischen Verbundnetz nicht ausgeschlossen werden“, hieß es im August 2018 in einer Lageeinschätzung des Nationalen Cyber-Abwehrzentrums der deutschen Bundesregierung. Eine stetige Analyse der Angreiferfähigkeiten und Verbesserung der Schutzmaßnahmen sei zwingend notwendig.

Auf präventiven Schutz setzt auch Verteidigungsminister Thomas Starlinger: „Es ist völlig illusorisch, dass wir Vorwarnzeiten hätten. Na, die werden anrufen und sagen: In drei Monaten machen wir einen Cyberangriff – bildet mal dafür die Leute aus.“

 

6. Naturereignisse

Gewitter, Blitzschlag, Stürme, Sonnenstürme, Hagel, heftige Schneefälle und Elementarereignisse (Lawinenabgänge, Vermurungen, Felsstürze oder Erdbeben) können die Stromnetzinfrastruktur ebenfalls ernsthaft beschädigen.

Extreme Kältewellen führen mitunter zu Leitungsausfällen, weil Eis und Schnee Hochspannungstrassen lahmlegen. Während des Kälteeinbruchs im Januar 2017 mussten beispielsweise die europäischen Übertragungsnetzbetreiber intensiv zusammenarbeiten, um die Stromversorgung aufrecht zu erhalten.

Auch Hitzesommer wie im Jahr 2015 und 2018 beeinflussen den Netzbetrieb. Im Hitzesommer 2015 zählte TSCNET die Rekordzahl von 46 Multilateral Remedial Actions. Dabei handelt es sich um kritische Netzsituationen bei denen Übertragungsnetzbetreiber aus mehreren Ländern koordiniert eingreifen mussten, um die Versorgung aufrecht zu erhalten.

 

7. Weitere Faktoren

  • Systemische, organisatorische Mängel: Ständig überhöhte Leitungslasten durch Netzaufsplitterung, Gewinnstreben, internationalen Stromhandel.
  • Menschliches Versagen: Schaltfehler in Umspannwerken, Fehlreaktionen
  • Technisches Versagen: Wartungsmängel, Überalterung von Anlagen, Spannungsüberschläge bei Freileitungen
  • Kriminelle Aktivitäten: Diebstahl von z.B. Kupfer, gezielte Zerstörungen durch Sprengstoff und Waffenwirkung, Zerstörung von Elektronikbauteilen durch EMP, Mikrowellen.
  • Ausfall der Primärenergie: Mangel an Öl, Gas, Kohle oder Brennstäben

 

Auswirkungen eines Blackouts

Bei einem überregionalen bzw. europaweiten Stromausfall bricht innerhalb weniger Tage die komplette Versorgung zusammen – also so gut wie alles, das für das tägliche Leben benötigt wird. Schon wenn die Stromversorgung um 30 Prozent gedrosselt werden müsste, könnte beispielsweise in Wien an keinem einzigen Bankomaten mehr Geld abgehoben werden.

In den höher gelegenen Stadtteilen und den oberen Stockwerken gibt es kein Wasser mehr und tausende Menschen würden im Lift steckenbleiben. Auch die Tankstellen würden großflächig ausfallen.

 

Ein Blackout läuft in drei Phasen ab.
Quelle: Die drei Phasen eines Blackout, Herbert Saurugg

 

Wie gut ist Österreich gewappnet?

Wie gut sich Österreich für ein Blackout gerüstet hat, wurde erst kürzlich vom Nachrichtenportal „Addendum“ erforscht. Das Fazit: Österreich ist auf einen echten Blackout nur unzureichend vorbereitet. Die Bevölkerung hofft natürlich in solchen Situationen auf die Hilfe des Staates. Laut „Addendum“-Recherchen sind allerdings weder die Polizei und Feuerwehr noch das Bundesheer in der Lage, ihre Handlungsfähigkeit aufrechtzuerhalten.

Diese Einschätzung teilen auch Vertreter aus Polizei, Militär, Gesundheitseinrichtungen, Regierungsbehörden und Bundesländern, die Anfang September 2018 in Wien an der Tagung „Die Gesundheitsversorgung nach einem Blackout“ teilnahmen.

Die Situation in Österreich wurde im Rahmen der Veranstaltung ganz offen angesprochen. Demnach sei auf dem Papier die Notfallversorgung Österreichs bei einem Blackout präzise geregelt, praktisch sei man aber darauf nicht vorbereitet.

So könne man etwa die Versorgung von Österreichern durch das Bundesheer im Falle eines Blackouts aufgrund jahrelanger Budgetkürzungen und daraus resultierender unzureichender strategischer Treibstoffversorgung, fehlender Wasserversorgung und fehlender Lebensmittelreserven nicht gewährleisten.

Auch der digitale Behördenfunk, an dem neben der Polizei sämtliche Einsatzorganisationen hängen, weise bedenkliche Schwächen auf. Die Kommunikationsstrukturen könnten lediglich zwischen 24 und 72 Stunden batterieversorgt aufrechterhalten werden. Danach wäre ein Weiterbetrieb nur mithilfe von Notstromaggregaten der Feuerwehr möglich. Im Notfall wäre das nicht umsetzbar.

Neben den unzureichenden Handlungsmöglichkeiten der Behörden sind auch die Erkenntnisse aus der Studie Risiko‐ und Krisenmanagement für die Ernährungsvorsorge in Österreich (EV‐A)  alarmierend. Demnach ist die Bevölkerung kaum auf einen Blackout vorbereitet: Ein Drittel der Bevölkerung kann sich maximal vier Tage selbst versorgen.

Nach sieben Tagen betrifft das bereits zwei Drittel der Bevölkerung, oder rund sieben Millionen Menschen. Rund 1,5 Millionen Menschen verfügen über keinerlei Wasservorräte. Dafür gibt es jedoch keinerlei Vorsorgemaßnahmen. Was das im Ernstfall bedeuten würde, liegt auf der Hand.

 

Studie Ernährungsvorsorge im Falle eines Blackout
Quelle: Studie „Risiko‐ und Krisenmanagement für die Ernährungsvorsorge in Österreich (EV‐A)“

 

Krisenvorsorge durch Bottum-up Maßnahmen

Auf die Hilfe des Staates kann man also derzeit im Falle eines Blackouts nicht wirklich bauen. Daher kann eine Stabilisierung im Ernstfall nur „Bottom-up“ funktionieren – auf lokaler und regionaler Ebene, insbesondere in der Nachbarschaft und auf Gemeindeebene.

Regionalpolitiker müssen dafür Sorge tragen, dass die Blackout-Krisenpläne des Bezirks (Unternehmen, Gemeinden, Bezirke) inhaltlich aufeinander abgestimmt werden. Wichtige Katastrophenschutzmaßnahmen sowie Vorkehrungen zur Katastrophenhilfe sollte man im Rahmen realistischer Übungen praktisch testen.

Zusätzlich muss man die Bevölkerung sowohl psychisch als auch organisatorisch auf einen länger andauernden Stromausfall vorbereiteten. Denn nur wenn jeder einzelne Bürger Vorsorgemaßnahmen trifft, kann man ein Blackout bewältigen. Ohne die persönliche Vorsorge möglichst vieler Menschen werden alle anderen Maßnahmen keine Wirkung entfalten können.

„Wir verlassen uns viel zu sehr auf andere und das immer alles funktioniert, aber das ist eine sehr trügerische Sicherheit. Wenn sich nicht jeder Einzelne von uns darauf vorbereitet, dann funktionieren die Maßnahmen der organisierten Hilfe nicht. Denn niemand kann acht Millionen Menschen versorgen.“ Blackout-Experte Herbert Saurugg

 

Best Practice: Blackout-Konzept Stadtgemeinde Feldbach

Feldbach hat als erste Stadt Österreichs im Rahmen des Projekts „Regionales Energiezellen- und Krisenvorsorgekonzept am Beispielszenario „Blackout“ – Energiezelle Feldbach“ eine umfassende Blackout-Strategie entwickelt. Bürgermeister Josef Ober möchte, dass die Bürger für den Ernstfall gerüstet sind. Man wolle keine Panikmache betreiben, aber: „Eine moderne Gesellschaft tut gut daran, Vorsorge zu treffen“, sagt Ober.

Quelle: Blackout-Projekt Feldbach

Im Rahmen einer breit angelegten Informationskampagne wurde die Feldbacher Bevölkerung in das Thema Blackout eingebunden. Für die Informationsweitergabe fand etwa ein außerordentlich gut besuchter Vortragsabend im Zentrum Feldbach statt.

Weiters erhielten alle 5.600 Haushalte den Flyer „Blackout – Was passiert, wenn’s passiert“. An alle Unterstufenschüler wurde die Broschüre SchülerInnen-Information verteilt und auf der Gemeinde-Website steht die Vorsorgebroschüre Blackout-Vorsorge geht uns alle an!  zum Download zur Verfügung.

Zusätzlich lief über mehrere Monate eine Artikelserie in der Gemeindezeitung. Auch das Feuerwehr-Einsatzzentrum Feldbach und das Bereichsfeuerwehrkommando wurde inzwischen flächendeckend „blackout-sicher” gestaltet.

Eine umfassende Dokumentation der Maßnahmen finden Sie auf der Website des Blackout-Experten und Projektpartners Herbert Saurugg. Sollten Sie Interesse haben, für Ihre Gemeinde eine ähnliche Kampagne zu starten, dann kontaktieren Sie bitte Herrn Saurugg.

 

Best Practice: Fallstudie Pinzgau

Wie sich Gemeinden auf einen Blackout vorbereiten können, veranschaulicht auch die Fallstudie „Blackout und seine Folgen – worauf sich die Bevölkerung des Pinzgaus bei einem großräumigen Strom- und Infrastruktur-Unfall einstellen sollte.“ Studienautor Gottfried Pausch, Oberst beim österreichischen Bundesheer, engagiert sich seit 2017 intensiv für die Sensibilisierung der Bevölkerung im Hinblick auf eigenverantwortliche Krisenvorsorge.

In Salzburg unterstützt er überdies die dortigen Bemühungen, Krisenpläne zu optimieren und notwendige Maßnahmen zur Bewältigung eines Blackouts zu forcieren.

Die Erkenntnisse und Maßnahmenempfehlungen sind für jede österreichische Gemeinde von Relevanz und adaptierbar. Neben der Beschreibung von Ursachen und Folgen eines Blackouts enthält die Studie ausführliche Checklisten und Blackout-Krisenpläne für Einzelpersonen, Familien, Unternehmen, Gemeinden und Bezirke.

 

Fazit: Gemeinden müssen Blackout-Vorsorge selbst in die Hand nehmen

Ein Blackout ist unter den derzeit gegebenen Bedingungen des europäischen Stromnetzes ein reales Bedrohungsszenario. Länder, Bezirke und Gemeinden können den Ernstfall nur dann meistern, wenn sie bereits im Vorfeld für einen effektiven Katastrophenschutz und eine wirksame Katastrophenhilfe gesorgt haben.

Neben infrastrukturellen Maßnahmen muss die Bevölkerung zur individuellen Krisenvorsorge motiviert und bei den Vorkehrungen auf einen Blackout-Fall beraten werden.

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