Eine Frage der Identität: Die Bedeutung von Museen für Orte und kleine Städte

31.03.2023
Kultur

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(c) Stama Hall/Tirol

Kleinmuseen haben ihren besonderen Charme und tragen wesentlich zum gesellschaftlichen Leben in kleineren Kommunen bei. Sie unterliegen keinen strengen Richtlinien und legen ihre Regeln selbst fest – von Öffnungszeiten bis zur Präsentation und zu Veranstaltungen. Ein Beitrag über die Bedeutung von Museen für Orte und kleine Städte.

Tausende Museen, Sammlungen und Galerien liegen in Österreich in der Hand privater BetreiberInnen und von Vereinen, die mit großem Engagement das Leben vor Ort bereichern.

Viele bieten Besonderes, sind aus dem Ort und der Region nicht mehr wegzudenken und stiften Identität. Mitunter können sie spezifischer auf Vermittlungsbedürfnisse reagieren als große Häuser. In diesem Beitrag werden wir diesen kulturellen Einrichtungen anhand einiger Beispiele auf den Grund gehen.

Museen als „vierter Ort“

Markus Laumann, Leiter der Abteilung Ausstellungsmanagement im Naturhistorischen Museum Wien, stellt fest, dass sich Gesellschaft und Museen in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt haben.

Die Verschiebung zum wirtschaftlichen System und eine Verortung von Kultur als Teil des Marktes bleibt für die Museen nicht ohne Folgen: „Sie sind Teil der Freizeit- und Konsumgesellschaft geworden. Dies hat viel Positives bewirkt, es besteht jedoch die Gefahr einer Reduktion des Museums auf einen sogenannten „Dritten Ort“ der Erlebnisgesellschaft.

Museen könnten aber „Vierte Orte“ sein, einen gesellschaftspolitischen Auftrag erfüllen und auf qualifizierte Art anders sein als die Freizeitindustrie.“ Museen sollten als Plattform für offene Prozesse taugen und zentrale Fragen der Gegenwart – wie Identität und Migration – zur Diskussion stellen.

Dazu bedarf es einer umfassenden Bereitschaft der Verantwortlichen, sich auf solche Prozesse einzulassen. Kunst und Kultur in Kleinstädten dient als unverzichtbares Element der Identitätsstiftung.

Weitere Infos zum Museum als vierter Ort finden Sie hier.

Aktuelle Kulturereignisse in Diskussion: Ein Beleg für Emotion

Mistelbach ist in Aufruhr, da kürzlich bei Demonstrationen die Schließung des international angesehen Hermann Nitsch-Museums gefordert wurde.

Pünktlich zur Osterzeit gehen die Wogen hoch, weil das „Mysterientheater“ die Museumssaison eröffnet. Es findet im Ensemble der ehemaligen Pflugfabrik Heger statt, das 2007 als Nitsch-Museum eröffnet wurde und damit Mistelbach ins Zentrum der weltweiten Aufmerksamkeit des zeitgenössischen Kunstgeschehens gerückt hat.

Manuel Bures, Geschäftsführer der Mistelbach Marketing GmbH, hat keinerlei Bedenken, dass dieses Haus geschlossen wird. „Es dient nicht nur als kultur-touristischer Anziehungspunkt für eine internationale Kunst-Klientel. Sondern es war für die Stadt Mistelbach in der Vergangenheit oft Grundlage für weitere Kulturprojekte, die der Weinviertler Bezirkshauptstadt den Ruf als niederösterreichische Kulturhauptstadt verliehen haben.

Seit dem Ableben des Künstlers wird das Nitsch-Museum noch stärker in die Standortvermarktung integriert und prägt das kulturelle Angebot mehr denn je!“

Die Bedeutung von Museen für Orte und kleine Städte.
Nitsch Museum © Dachverband Stadtmarketing Austria

Ein anderes Beispiel für ein kontroversielles Projekt im öffentlichen Raum sind dieWörgler Meilensteine. Die Stadt Wörgl hat 304 „Meilensteine“ aus zweitausend Jahren gesammelt und präsentiert sie auf einem Rundweg.

Sie sollen erlebbar machen, wie sich Vernetzungen, Parallelitäten, gesellschaftliche und familiäre Verknüpfungen auf unser heutiges Leben auswirken. Nach umfangreichen öffentlichen Diskussionen sollen sie nun verlegt werden, die Kulturgeschichte wird in Wörgl aktiv weiter geschrieben.

Frauenmuseum Hittisau: regionale KulturvermittlerInnen begleiten das Publikum

Das Frauenmuseum Hittisau im Bregenzerwald zeigt seit zwanzig Jahren Frauen*geschichte und Frauen*kultur. Anspruch der Betreiberinnen ist: „dass Museen nicht nur Orte der Geschichts- oder Kunstaufbewahrung sind, sondern vor allem Räume für deren Deutung.“

Begleitend zu den Ausstellungen bietet das Frauenmuseum Hittisau ein dichtes Rahmenprogramm an – das bringt Gäste aus dem gesamten deutschsprachigen Raum. Die Auszeichnung mit dem „European Museum of the Year Award 2021“ zeigt den Erfolg ihrer Arbeit. Besondere Identifikation wird durch Kulturvermittlerinnen geboten.

In der Region lebende Frauen begleiten das Museum und treten in direkten Kontakt mit dem Publikum. Bis 2017 war die Gemeinde Hittisau einzige Trägerin, seit 2018 wird es vom „Verein Frauenmuseum Hittisau“ betrieben – Gemeinde und Land Vorarlberg entsenden je drei Personen in den Vorstand.

Die Bedeutung von Museen für Orte und kleine Städte.
Außenansicht Frauenmuseum © Frauenmuseum Hittisau /Ines Agostinelli

 

Hommage an einen großen Schweden als örtliches Literaturerlebnis

Das Strindbergmuseum im Mühlviertler Ort Saxen ist als einziges Museum außerhalb von Schweden dem berühmten Autor August Strindberg gewidmet. Im Mittelpunkt stehen dort seine Aufenthalte zwischen 1893 und 1896 und hier entstandene Werke.

Originalbriefe und -manuskripte, zeitgenössische Fotos und eine multimediale Installation stellen Romanpassagen nach und lassen so Literatur zum Erlebnis werden.

Ein Kulturverein betreibt das Strindbergmuseum und ist „außerdem bemüht, kulturelle Angebote im Museum und an anderen Orten in Saxen zu präsentieren. Wir veranstalten Konzerte, Lesungen, Ausstellungen und das beliebte Wein-Garten-Fest“, erklärt ein Mitglied des Trägervereins.

Die Bedeutung von Museen für Orte und kleine Städte.
Strindbergmuseum Saxen © R. Ginterstorfer

Technische Sammlung im Schinderhaus wächst durch örtliche LeihgeberInnen

In Bad Hofgastein entstand im Jahr 2000 auf private Initiative hin dieTechnische Sammlung Breyer. Der „Kulturverein Ladislaus“ und die Gemeinde Bad Hofgastein riefen dieses Museum ins Leben.

Das ehemalige Schinderhaus aus dem 16. Jahrhundert befindet sich inmitten des Grießparks neben dem Seniorenheim in Bad Hofgastein und zeigt dort auf zwei Etagen die Sammlerstücke des Elektrikers Johann Breyer.

Seit der Eröffnung des Museums wächst die Sammlung stetig: „Es finden sich SpenderInnen und LeihgeberInnen, die uns ihre wertvollen Stücke überlassen und sie der Öffentlichkeit zugänglich machen“ zeigt sich der Betreiber erfreut.

Olympia-Holz in Riedau als kulturelles Epizentrum der Gemeinde

Begeisterung für das Arbeiten mit Holz ist Grundprinzip des Holz- und Werkzeugmuseums Lignorama. 1998 war das heutige Museumsgebäude bei den Olympischen Winterspielen in Hakuba (Japan) als Österreichhaus im Einsatz und wurde dafür im selben Jahr mit dem Vorarlberger Holzbaupreis prämiert.

Damit war es ideal geeignet für die Nutzung als Holz- und Werkzeugmuseum und wurde dann in den Ortskern von Riedau verpflanzt. Es versteht sich als „Erlebnisraum“, der Fachinformationen über das Thema Holz, Biologie, Umweltschutz und die Abhängigkeit des Menschen von der Natur durch interaktive Unterhaltung vermittelt.

Das „Lignorama“ ist ein lebendiges Haus der Begegnung, es gibt Ausstellungen zeitgenössischer KünstlerInnen und HandwerkerInnen sowie Vorträge und Diskussionen – Naturmaterial am Puls der Zeit. Museumsleiterin Cornelia Schlosser beschreibt ihre Arbeit so: „In unserer 2000-Seelen-Gemeinde sind wir als Museum das kulturelle Epizentrum.

Ein Stück weit sind wir verantwortlich für das, was Riedau ausmacht. Und wenn ein Reisebus kommt, dann kommt er fast zu 100% zu uns!“

Das „Klockermuseum in Hall in Tirol“: mitten im Leben durch niederschwelligen Zugang

2020 wurde in Hall in Tirol des „Klocker Museum“ eröffnet. Diese Privatsammlung österreichischer Kunst umfasst 1.200 Werke, die allesamt nach 1945 erschaffen wurden. Gründerin Emmy Klocker wurde in Hall in der ehemaligen Galerie „Goldener Engl“ fündig. Das Architekturbüro Scharfetter, Rier und Max Schönherr schuf hier eine moderne Atmosphäre für die Präsentation der Sammlung.

Zusätzlich lobt die Stifterin seit 2014 mit dem „Klockerpreis“ den höchstdotierten Kunstpreis Österreichs aus. Lena Ganahl ist die künstlerische Leiterin. Sie erklärt: „Wir verstehen uns als neuer Ort für Kunst, Vermittlung und Dialog, der das bestehende Angebot bestmöglich ergänzen soll.

Verschiedene Veranstaltungsformate sollen also der örtlichen Bevölkerung einen niederschwelligen Zugang zu Kunst bieten und sie einladen, bei uns vorbeizuschauen und sich mit anderen interessierten Menschen auszutauschen.“

Man verstärkt die positive Wahrnehmung der Stadt, indem sich das Klockermuseum bei Aktivitäten wie der Langen Einkaufsnacht „Haller Nightseeing“ oder dem „ARTperitiv“ in das kulturelle Leben einbringt.

Die Bedeutung von Museen für Orte und kleine Städte.
Klockermuseum © Stadtmarketing Hall in Tirol

Lernorte und Gedächtnisspeicher

Privatmuseen erzeugen also durch persönlichen Einsatz und bunte Themenvielfalt großen Mehrwert für unsere Gemeinden und Städte. Wir als Verantwortliche für das Marketing sollten daher verstärkt deren Wert erkennen und sie aktiv ins regionale Geschehen einbinden.

Museen sind also kulturelle Lernorte, liefern Fakten und dienen als Gedächtnisspeicher unserer Gesellschaft. Kunst und Kultur stiften Identität, bereichern jede Region, sind Begegnungsorte und gestalten damit die lebenswerte Stadt der Zukunft mit.

In kleinen Städten scheinen die Emotionen, die durch künstlerische Interventionen hervorgerufen werden, näher und persönlicher als in Metropolen zu sein. Aber gerade diese Emotionen sind der Reibebaum, an dem sich die Urbanität definiert: am Umgang mit der Konfliktlösung.

Titelbild: Klockermuseum © Stadtmarketing Hall in Tirol

Gsaller

Michael Gsaller

Michael Gsaller ist seit 25 Jahren Geschäftsführer vom Stadtmarketing Hall in Tirol und seit vielen Jahren im Vorstand des Dachverbandes „Stadtmarketing Austria“. Ein ausgewiesener Experte für belebte und attraktive Orte.
Gsaller war Referent bei der zweiten Ausgabe der Südtiroler Akademie für Orts- und Stadtentwicklung.

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