Wie sich der Trend zur Senioren Wohngemeinschaft auf die Stadtentwicklung auswirkt

02.05.2017
Gesellschaft, Trends

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Die Senioren Wohngemeinschaft liegt im Trend. Die Generation der „neuen Alten“ möchte ihren eigenen Lebensrhythmus beibehalten und ein selbstorganisiertes Leben nach eigenen Gewohnheiten führen. Derzeit beschränkt sich das Angebot vorwiegend auf Seniorenheime und –residenzen, betreutes Wohnen oder das Wohnen zu Hause im gewohnten Umfeld, mit oder ohne Pflegedienst. Immer häufiger gibt es jedoch auch neue Wohnkonzepte, die ein selbstbestimmtes Wohnen, eingebettet in eine „Wahlfamilie“ oder Hausgemeinschaft, ermöglichen.

Einfluss des Trends auf die Stadtentwicklung

Ergebnisse der empirischen Sozialforschung zeigen, dass sich die kommende Generation älterer Menschen deutlich von den heutigen SeniorInnen in Hinblick auf Werthaltungen, Lebensführung und Lebensstil unterscheidet. Es wird in Zukunft zwar mehr ältere Menschen in Österreich geben, das Spektrum der Alten wird aber bunter und vielfältiger. Die Anzahl selbstbewusster und ambitionierter Älterer, die ihre experimentierfreudige und freie Lebensweise bis ins hohe Alter führen möchten, wächst stetig.

Interesse für Senioren Wohngemeinschaft steigt

Wohnen in privaten Haushalten wird in Zukunft dem institutionellen Wohnen vorgezogen werden. Man möchte solange wie möglich in den „eigenen vier Wänden“ bleiben. Gleichzeitig wollen viele ältere Menschen heutzutage auch nicht mehr alleine leben. Die neuen Alten wünschen sich gemeinschaftsorientierte Wohnprojekte. Alternative Wohnformen wie Wohngemeinschaften, Hausgemeinschaften oder Generationenwohnen gewinnen demnach immer mehr an Bedeutung.

Die Forschungsergebnisse der Wiener Wohnbauforschung im Rahmen der Studie „Älter werden – individuell wohnen“ bestätigen, dass heute für viele Menschen gemeinschaftliches Wohnen in der zweiten Lebenshälfte vorstellbar ist. Die in Kooperation mit dem Österreichischen Gallup Institut durchgeführte Umfrage zeigt, dass sich 39 Prozent grundsätzlich eine gemeinschaftliche Wohnform vorstellen können, wobei sich aktuell 10 Prozent und 29 Prozent in Zukunft dafür interessieren.

Senioren Wohngemeinschaft und andere Wohnformen - Umfrage Gallup Institut
Quelle: Befragung „Gemeinschaftliches Wohnen“, Gallup Institut 2014

Herausforderungen für den Wohnungsmarkt

Dieser Trend hat nicht nur Auswirkungen auf viele Produkt- und Dienstleistungsmärkte, auch der Wohnungsmarkt ist von diesen sozialstrukturellen Umbrüchen der „jungen Alten“ betroffen. Wie die Gallup-Umfage veranschaulicht, würden 50 Prozent der Befragten bevorzugen, mit Personen unterschiedlichen Alters zusammenzuwohnen. Zudem würde man sich Personen mit ähnlichen Interessen wünschen.

Senioren Wohngemeinschaft und gemeinschaftlichen Wohnprojekte - Generationenwohnen auf Platz 1 der Gallup Umfrage
Quelle: Befragung „Gemeinschaftliches Wohnen“, Gallup Institut, 2014

Wer daher Stadtentwicklung und Wohnungsangebot für die „Alten von morgen“ an den „Alten von heute“ ausrichtet, plant an den Bedürfnissen einer alternden und individualisierten Gesellschaft vorbei. Im Sinne einer nachhaltigen und bürgerorientierten Stadtentwicklung sollte dem Trend zur Senioren WG von Kommunen Rechnung getragen und in der Planung entsprechend berücksichtigt werden.

Steigende Anzahl von Single-Haushalten erfordert neue Wohnkonzepte

Neben dem Wandel zu einem neuen Selbstverständnis der älteren Generation verliert auch das traditionelle Familienmodell immer mehr an Bedeutung. Der Trend geht hin zur Kleinfamilie, zu Singles und kinderlosen Paaren. Die damit einhergehende Individualisierung der Gesellschaft führt zur Erhöhung der Anzahl von Einpersonenhaushalten.

Gemäß einer aktuellen Erhebung von Statistik Austria ist die Anzahl von Single-Haushalten von 779.000 im Jahr 1986 auf 1.429.000 im Jahr 2016 gestiegen. Die größte Gruppe der Alleinlebenden ist im Alter ab 65 Jahren zu finden: 32 Prozent der Personen über 65 wohnen, oft bedingt durch Trennung oder Tod des Partners, alleine in einem Privathaushalt.

In Wien werden laut Prognosen der ÖROK (Österreichische Raumordnungskonferenz) im Jahr 2031 bereits die Mehrheit der Haushalte Singlehaushalte sein, wobei zwischen freiwilligen und unfreiwilligen Singles zu unterscheiden ist. Ältere sind tendenziell der Gruppe der unfreiwilligen Singles zuzuordnen und stellen mit 51 Prozent eine relativ große Gruppe dar.

Singletypologien Zukunftsinstitut zum Thema Senioren Wohngemeinschaft - Ältere Singles machen den überwiegenden Anteil aus

Quelle: Singles in Wien, Zukunftsinstitut GmbH

In diesem Zusammenhang ergeben sich Fragen zu Flächenverbrauch, Organisation der Fürsorge im Alter sowie zum Phänomen individueller Vereinsamung. Bei steigendem Bevölkerungswachstum wird der daraus resultierende überproportionale Flächenanspruch in Zukunft ein Problem darstellen.

Kommunen stehen daher angesichts dieser Entwicklung vor neuen Herausforderungen, die neue Wohnkonzepte erfordern. Die Senioren Wohngemeinschaft kann hier in mehrfacher Hinsicht einen wichtigen Beitrag zur Entlastung der Stadt darstellen.

Senioren Wohngemeinschaft und Ökonomie

Der ökonomische Aspekt von Wohngemeinschaften bietet Vorteile in zweierlei Hinsicht. Zum einen profitiert der Einzelne in persönlicher und finanzieller Hinsicht vom gemeinschaftlichen Wohnen, zum anderen können gesellschaftlich wichtige Ressourcen geschont werden.

Positive Effekte für die Senioren Wohngemeinschaft

  • Geringere Lebenserhaltungskosten: Viele ältere Menschen müssen sparen, um mit ihren Pensionen auszukommen. In Gemeinschaft zu leben ist in der Regel kostengünstiger. Man spart nicht nur Energie und Wohnfläche, vieles kann auch gemeinsam genutzt werden.
  • Soziales Umfeld: In Gemeinschaft zu leben verhindert Einsamkeit und Depression. Sozialer Austausch und gemeinsame Aktivitäten fördern Lebensfreude, Wohlbefinden und Gesundheit. Erfahrungen mit Wohngemeinschaften älterer Menschen zeigen, dass die Gruppen zusammenwachsen und die BewohnerInnen sich nicht so allein und auch sicherer fühlen, weil sie von befreundeten Menschen umgeben sind.
  • Gegenseitige Unterstützung: Gemeinschaftliche Wohnprojekte bringen Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten, aber auch Einschränkungen zusammen. Die gegenseitige Hilfe reduziert die Notwendigkeit mobiler Dienste. Es können dadurch Kosten gespart werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit von Synergie-Effekten, wenn mobile Dienste von mehreren Personen an ein und demselben Ort in Anspruch genommen werden müssen.

Positive Effekte für die Gesellschaft

  • Kosteneinsparung bei Pflegediensten: Ältere Menschen stellen aufgrund des demografischen Wandels zunehmend eine ökonomische Belastung für die Gesellschaft dar, die hauptsächlich auf den Schultern der Jüngeren ruhen wird. In Zukunft werden beträchtliche Kosteneinsparungen in der Gesundheits- und Sozialfürsorge notwendig sein. Gleichzeitig werden aber auch die Pflegekosten für mobile Dienste und stationäre Pflege stark ansteigen.
    Gemeinschaftliche Wohnprojekte, in denen ältere Menschen selbständig leben und sich gegenseitig unterstützen können, stellen schließlich für das öffentliche Gesundheits- und Sozialwesen eine Möglichkeit zur Kosteneinsparung dar. Mobile Dienste werden seltener gebraucht, Wege verkürzt und der Energieverbrauch und die Umweltbelastungen minimiert. Die Versorgungseinrichtungen sparen damit Geld und gewinnen Zeit.
  • Reduzierung des Flächenverbrauchs: Der Flächenverbrauch in qm/Person wächst stetig, da ältere Menschen häufig alleine auf einer verhältnismäßig großen Fläche wohnen. Eine Person lebt beispielsweise 30 Jahre mit der Familie, dann ziehen die Kinder aus, der Mann oder die Frau verlässt die Familie oder stirbt und die übrig bleibende Person lebt noch weitere 30 Jahre in der ehemaligen Familienwohnung auf 100 bis 150 qm. Wohngemeinschaften reduzieren den Flächenverbrauch pro Person und schaffen Spielraum für den zukünftigen Wohnflächenbedarf.
  • Verbesserung der Energiebilanz: Das im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie durchgeführte Projekt „Neues Wohnen im Alter – ökologisch, gemeinschaftsorientiert und finanzierbar“ verdeutlicht, wie durch die Implementierung von gemeinschaftlichen Wohnprojekten in den Bestand schließlich Energie und damit Kosten gespart werden können.
    Das ist nicht nur ein Gewinn für jeden einzelnen Bewohner, sondern auch für die gesamte Kommune. Die Integration gemeinschaftlicher Wohnprojekte in bestehende Wohngebäude in der Gemeinde ist daher aus ökonomischer wie auch sozialer Sicht sinnvoll.

Alternative Wohnprojekte und Initiativen

Neben privat organisierten Senioren WGs, die in Österreich bislang nur vereinzelt zu finden sind, bieten zudem die großen Trägerorganisationen wie etwa Volkshilfe, Samariterbund, Kolping Österreich oder Hilfswerk Senioren Wohngemeinschaften (mit oder ohne Betreuung) an.

Zudem werden zunehmend von Architekten und Bauträgern Wohngruppenprojekte initiiert, aber auch private, kommunale und genossenschaftliche Initiativen und Baugruppen nach dem Motto „Gemeinsam statt einsam“ sind verstärkt zu beobachten. Im Folgenden werden einige Beispiele angeführt, in denen ältere Menschen bzw. Alt und Jung in einer Wohnungsgemeinschaft im Neubau oder Bestand leben.

Wohngruppen für Fortgeschrittene

Das Projekt „Wohngruppen für Fortgeschrittene“ wurde 2012 innerhalb der neu erbauten Wohnhausanlage in der Steinbruchgasse, 1160 Wien fertiggestellt. Es handelte sich dabei um ein Modellprojekt, das den Fokus auf die differenzierten Wohnbedürfnisse der Generation 50+ legte.

Die beiden Wohngruppen der Generation 50+ sind mit 23 Wohnungen in die Wohnhausanlage integriert, die insgesamt 78 geförderte Wohneinheiten beherbergt. Jede Wohnung ist barrierefrei und behindertengerecht ausgestattet und verfügt über einen eigenen Freiraum in Form einer Loggia. Pro Stockwerk gibt es außerdem eine Gemeinschaftsterrasse sowie eine halböffentliche Gruppenküche, in der BewohnerInnen auch kleine Feste mit MitbewohnerInnen oder FreundInnen organisieren können. Zu den Gemeinschaftseinrichtungen haben nur die SeniorInnen Zugang.

Das Besondere an diesem Wohnbauprojekt ist, dass sich die Mitglieder der Senioren Wohngemeinschaft frühzeitig kennenlernten und der Gruppenfindungs- und Gruppenbildungsprozess professionell moderiert wurde.

Senioren Wohngemeinschaft - Projekt Wohngruppen für Fortgeschrittene
Foto: Senioren Wohngemeinschaft 50+ Steinbruchgasse © Schaub-Walzer/PID

Mandalahof

Im Wohnmodell „Mandalahof“ wohnen in insgesamt 25 Wohnungen (30 bis 70 qm) jüngere und ältere Menschen gemeinsam mitten im Zentrum von Wien. Jeder hat seine eigene Wohneinheit. Zu den Gemeinschaftsräumen gehören ein Dachgarten, mehrere Terrassen, die gemeinsame Küche mit Essräumen sowie einige kleine Arbeitsräume.

Eine Zielgruppe für das Projekt sind außerdem auch Personen mit therapeutischen Berufen, da es mehrere Therapieräume für Massage oder andere Behandlungen gibt. Für ältere MitbewohnerInnen soll das Wohnmodell die Möglichkeit bieten, das Übersiedeln in ein Pensionistenheim überflüssig zu machen. Ein gemeinsames Betreuungssystem für SeniorInnen ist vorgesehen.

https://www.instagram.com/p/BOCGg6Ujt3d/?tagged=mandalahof&hl=de

WGE! – Gemeinsam wohnen

WGE! Gemeinsam wohnen ist beispielsweise ein gemeinnütziger Verein, der Wohnen in Wien & Umgebung auf neue Art gestalten und leistbar machen will. Das junge, ehrenamtlich arbeitende Team setzt sich aus SozioökonomInnen, RaumplanerInnen und PsychologInnen zusammen. Über die Internet-Plattform werden Wohngemeinschaften zwischen Jung und Alt vermittelt und begleitet. Die Idee: Leer stehende Zimmer in Wohnungen von älteren Menschen werden gegen eine geringe Miete und/oder Unterstützung im Alltag für jüngere Menschen zur Verfügung gestellt.

Weitere Projekte gemeinschaflichen Wohnens:

Fazit: Alternative Wohnprojekte boomen

Die kommende Generation von SeniorInnen bringt nicht allein durch ein verändertes Selbstverständnis neue Herausforderungen für die Stadtentwicklung. Demografische Veränderungen und die steigende Zahl von Singlehaushalten machen daher neue Wohnkonzepte erforderlich. Die Senioren Wohngemeinschaft, gemischte Wohngemeinschaften zwischen Jung und Alt oder Generationenwohnhäuser sind Alternativen, die folglich gefördert und ausgebaut werden sollten. Ein erfülltes Leben im  Alter und Ressourceneinsparungen, die wieder der Gesellschaft zugute kommen, sind positive Nebeneffekte dieses Trends.

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