Neue Ladenöffnungszeiten pro und contra

18.02.2020
Wirtschaft

Mehr als die Hälfte der Befragten befürwortet laut einer Umfrage Einkaufsmöglichkeiten mit neuen Ladenöffnungszeiten am Sonntag. Wer dadurch gewinnen und wer verlieren würde, haben wir Experten in dieser kontroversen Debatte über die Ladenöffnungszeiten gefragt.

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Mehr als die Hälfte der Befragten befürwortet laut einer Umfrage Einkaufsmöglichkeiten mit neuen Ladenöffnungszeiten am Sonntag. Wer würde dadurch gewinnen und wer verlieren? Das haben wir Experten in dieser kontroversen Debatte gefragt.

Der Onlinehandel bietet viele Vorteile – unter anderem, rund um die Uhr einkaufen zu können. Das schafft dem heimischen stationären Handel Konkurrenz. Denn es ist Alltag geworden, alle erdenklichen Produkte aus aller Herren Länder über das Netz einfach, bequem und per Mausklick zu erstehen.

Wer an Sonn- und Feiertagen etwas für die Küche braucht, kann Supermärkte auf Bahnhöfen aufsuchen oder das Nötigste in Tankstellenshops erstehen. Auch in Krankenhäusern haben Lebensmittelgeschäfte laut der aktuellen Ladenöffnungszeiten teilweise am Sonntag offen. Wer Nahe einer deklarierten Tourismuszone wohnt, kann ebenso am Sonntag zu Billa, Adeg, Spar & Co. einkaufen gehen.

Wenn es aber darum geht, sich einem ausgedehnten Shoppingvergnügen für Mode, Möbel, Accessoires oder dergleichen hinzugeben, kommt der Sonntag dafür in der momentanen Regelung der Ladenöffnungszeiten nicht in Betracht. Während die Ladenöffnungszeiten während der letzten Jahre zwar immer wieder ausgeweitet wurden, bleiben die Läden am Sonntag nach wie vor geschlossen.

E-Commerce sei dank

Wer an diesem Tag nun Schuhe, Taschen oder Kosmetikprodukte kaufen will, macht das bei Kaffee und Kuchen bequem daheim vom Sofa aus. Österreichische Online-Shops profitieren vom E-Commerce-Markt nur begrenzt, da mehr als jeder Zweite außerhalb des Landes einkauft.

Das Interesse der Konsumenten an einer weiteren Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten wäre – vor allem bei den Jüngeren – durchaus vorhanden.

Eine Umfrage der Hoteliersvereinigung, die von Marketagent durchgeführt wurde zeigt, dass 54 Prozent der Befragten Wiener befürworten würden, wenn sie sonntags in stationären Shops einkaufen könnten. Neun von zehn Personen geben außerdem an, im Urlaub gerne einkaufen zu gehen.

Ladenöffnungszeiten heute

Die gesetzlichen Ladenöffnungszeiten in Österreich sind hauptsächlich in der ab 1. Jänner 2008 gültigen Novelle des Öffnungszeitengesetzes 2003 geregelt. Momentan gelten in Österreich seit 2008 einheitliche Grundregeln.

  • Der Maximalrahmen für die wöchentlichen Ladenöffnungszeiten liegt bei 72 Stunden. Geschäfte können von Montag bis Freitag zwischen 6.00 Uhr – bzw. 5.00 Uhr in Niederösterreich – und 21.00 Uhr öffnen. Am Samstag von 6.00 Uhr bis 18.00 Uhr.
  • Der jeweilige Landeshauptmann kann diese Zeitspannen der Ladenöffnungszeiten für folgende Verkaufsstellen verlängern: Bäckereibetriebe, Naturblumen, Süßwaren sowie Obst und Gemüse.
  • Außerdem kann der Landeshauptmann montags bis freitags aus Anlass von Orts- und Straßenfesten oder in Gebieten, in denen bedeutende Veranstaltungen stattfinden, einen späteren Ladenschluss bis längstens 0.00 Uhr erlauben.
  • Ausnahmen liegen darüber hinaus bei der Sonntagsöffnung in sogenannten Tourismuszonen. Hier dürfen Geschäfte, die für den Tourismus relevant sind – also Shops im Lebensmittelhandel sowie Trafik- und Souvenirläden oder auch Sportgeschäfte in Wintersportorten – zusätzlich an Sonntagen aufsperren.
    Derartige Tourismuszonen gibt es in allen Bundesländern bis auf Wien.
  • Weitere Ausnahmen gibt es z. B. für Lebensmittelläden in Bahnhöfen, auf Flughäfen und in Krankenhäusern.

Neue Ladenöffnungszeiten: Touristen mit Shopping locken?

Österreichische Online-Shops profitieren vom E-Commerce-Markt nur begrenzt, da mehr als jeder Zweite außerhalb des Landes einkauft. (c) Pixabay 

Vor allem der Handelsverband Österreich aber auch große Handelskonzerne der Lebensmittelbranche setzen sich für eine Ausweitung der Ladenöffnungszeiten von 72 auf 76 Stunden ein.

„In der Bundeshauptstadt kann man am Sonntag durchaus einkaufen gehen. Allerdings nur über Amazon“, sagt Martin Stanits vom Handelsverband.

„Dabei wird der Großteil in ausländischen Shops gekauft. Eine Ausweitung der Ladenöffnungszeiten an Sonntagen in Wien würde einen dreistelligen Millionenbetrag Mehreinnahmen für den Handel und eine vierstellige Zahl an Arbeitsplätzen bringen“, sagt Stanits.

Zeitweise Ausweitung als Chance?

Herbert Brugger, Geschäftsführer der Salzburg Tourismus GmbH, würde eine zeitweise Ausweitung der Sonntagsöffnungszeiten begrüßen. „Wünschenswert wäre, dass an Sonn- und Feiertagen Geschäfte zumindest in einer gewissen Zeitspanne von vier bis fünf Stunden geöffnet haben dürfen.“

Herbert Brugger, Salzburg Tourismus: „An bestimmten Sonntagen wäre eine Liberalisierung hilfreich.“

Die Stadt Salzburg habe über das Jahr hinweg 6,5 Millionen Tagesbesucher. Davon sind drei Millionen Touristen. Die anderen 3,5 Millionen kommen aus der Umgebung von Salzburg in die Stadt. Weiters sind pro Jahr etwa 1,9 Millionen Nächtigungstouristen in der Mozartstadt zu Gast.

„Besonders an den Adventsonntagen, aber auch zu Ostern, in der Festspielzeit oder an verlängerten Wochenenden wäre eine Liberalisierung für eine zusätzliche Öffnung für jeweils vier oder fünf Stunden hilfreich“, sagt Herbert Brugger. „Gerade im Advent sind die Straßen in der Altstadt bummvoll und viele Touristen würden es gewiss begrüßen, bei ihrem Besuch am Sonntag das eine oder andere Weihnachtsgeschenk in Salzburg zu kaufen.“

Fixe Vorgaben, an welchen Sonntagen im Jahr die Türen offen stehen dürfen, hält er dementsprechend für nicht sinnvoll. „Jeder soll selbst entscheiden können, an welchen Sonntagen er öffnen will!“

Gerade auch im Jänner oder Februar, wenn über das Jahr hinweg am wenigsten Touristen nach Salzburg kommen, könne es eine Chance sein, die Ladenöffnungszeiten am Sonntag zu erweitern. So könne man Touristen bei kaltem Wetter zumindest mit Shoppingmöglichkeiten locken.

Vier bis sechs Sonntage mehr pro Jahr?

Auch Inga Horny, Präsidentin von Stadtmarketing Austria, befürwortet die derzeitige Regelung der Sonntagsöffnung nicht. „Die jetzige Situation in den Tourismuszonen muss dringend überarbeitet werden“, sagt Inga Horny.

„Die Frage ist, welche Shops überhaupt tourismusrelevant sind! Denn wenn in Salzburg das Lebensmittelgeschäft und der Souvenirladen offen haben darf, warum gerade in Salzburg die Boutique mit den Abendkleidern nicht?“ Inga Horny spricht sich dafür aus, dass in den Tourismuszonen alle Geschäfte die Möglichkeit haben sollten, vier bis sechsmal pro Jahr an Sonntagen aufzusperren.

Von einer weiteren Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten über die Tourismuszonen und diese ausgewählten Sonntage hinaus hält sie allerdings wenig. „Wenn man an diesen Schrauben dreht, würde das weitreichende Folgen haben.

Beispielsweise geht es um die Attraktivität von Arbeitsplätzen einer ganzen Branche, um die Problematik der Kinderbetreuung und um die Frage, wie die vielen Beschäftigten am Sonntag in die Arbeit kommen würden. Es würde dann auch der öffentliche Verkehr eine Neuregelung brauchen.“

Für viele Unternehmer kritisch

Ladenöffnungszeiten pro und contra
Getreidegasse: Touristen können am Sonntag Souvenirs und Lebensmittel kaufen. (c) Salzburg Tourismus

Johann Höflmaier, Geschäftsführer der Wirtschaftskammer Salzburg für die Sparte Handel, steht einer Ausdehnung der sonntäglichen Öffnungszeiten für mehrere Warengruppen bzw. Branchen äußerst kritisch gegenüber.

„Wenn ich alles liberalisiere, ist das ein grundsätzlicher Türöffner der Ladenöffnungszeiten in Richtung Sonntag“, so Höflmaier. „Das hat weitreichende Folgen für die Unternehmer. Rahmenbedingungen wie Personalkosten und Personalaufwendungen sind hier ein entscheidender Faktor, der nicht für alle Unternehmer zu bewerkstelligen ist!“

Zu Recht gäbe es schließlich Zuschläge für die Arbeit am Sonntag – nämlich in Form von Überstunden mit einem Plus von 100 Prozent, sagt Johann Höflmaier. Die Frage ist, inwieweit das für den kleinen Unternehmer leistbar und wirtschaftlich bleibt.

Kaufkraftverschiebung in Richtung Stadtzentren

Johann Höflmaier, Geschäftsführer der Wirtschaftskammer Salzburg Sparte Handel: „Weitere Liberalisierung ist grundsätzlicher Türöffner in Richtung Sonntagsöffnung“

Höflmaier sieht darüber hinaus die Gefahr einer generellen Kaufkraftverschiebung in Richtung Stadtzentren bzw Tourismuszonen, was Folgen für das gesamte Bundesland nach sich ziehen würde.

Johann Höflmaier ortet ein „durchaus berechtigtes Interesse an ausgedehnten Sonntagsöffnungszeiten für bestimmte Branchen und Regionen“, warnt aber vor den breiten Auswirkungen auf die Volkswirtschaft. „Der Wunsch weniger ist der Fluch vieler“, bringt er es auf den Punkt.

Es gelte, die Einzelinteressen gegenüber dem Gesamtinteresse gut abzuwägen und nicht „das Kind mit dem Bad auszuschütten“. Höflmaier verweist auf das Nachbarland Italien, wo die Sonntagsöffnung zigtausend Unternehmern das Leben gekostet habe. Nach dem Vorstoß der Liberalisierung sei man schließlich wieder zurückgerudert.

Sollte eine weitere Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten angedacht werden, spricht sich Höflmaier für eine bundesweite Regelung der Ladenöffnungszeiten aus. „Dafür wäre es Voraussetzung, dass Wien auch eine Tourismusregelung bekommt“. Das Thema sei zu wichtig, als dass man es den einzelnen Ländern individuell überlassen könne.

Sonntagsöffnungszeiten nur im innerstädtischen Bereich?

Roland Murauer, CIMA: „Sonntagsöffnung ist EU-wettbewerbsrechtlich gefährlich.“
(c) Marcel Hagen

Roland Murauer, Geschäftsführer der CIMA Beratung + Management GmbH, stellt in Frage, ob es tatsächlich umsetzbar ist, erweiterte Sonntagsöffnungszeiten lediglich auf den innerstädtischen Kernbereich zu beschränken: „EU-wettbewerbsrechtlich ist diese Überlegung höchst problematisch und gefährlich. Wenn man beispielsweise nur in der Altstadt in Salzburg aufgrund der Touristen öffnet, wie sieht es dann mit den Einkaufszentren wie dem EUROPARK aus?“ Und: „Für kleine Bezirksstädte, die kaum Tourismus haben, ist eine zusätzliche Sonntagsöffnung mehr als zu hinterfragen.“ Dort steht man nämlich bereits vor der Situation, dass viele kleine Betriebe nicht einmal am Samstag Nachmittag mehr aufsperren, weil das Kundenpotenzial nicht vorhanden ist und es sich sich schlicht nicht rechnet. „Bei einer generellen Sonntagsöffnung würde es hier zu einer starken Kaufkraftverschiebung kommen.“

Als einen Ansatzpunkt sieht Roland Murauer die Regelung in manchen deutschen Bundesländern wie z.B. in Bayern oder Baden-Württemberg: „Dort können Geschäfte an bis zu sechs Sonntagen pro Jahr öffnen, sofern die Öffnung in Zusammenhang mit einer traditionellen Veranstaltung steht. Dadurch kann der lokale Handel auch wirklich von den Frequenzen profitieren.“

Sonntagsöffnung: Gewerkschaft auf den Barrikaden

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Hannes Schneller von der Arbeiterkammer Wien

Während einige Vertreter des Handels, wie etwa die Mitglieder des Handelsverbandes über eine Liberalisierung jubeln würden, laufen Gewerkschaft, Kirche und Arbeitnehmervertreter gegen derartige Forderungen Sturm.

So sind die Arbeiterkammer des Bundes und die AK Wien Mitglied der Allianz für den arbeitsfreien Sonntag. Diese Plattform besteht aus rund 50 Organisationen, die sich demgemäß dafür einsetzen, dass der Sonntag für die Arbeitnehmer weitgehend arbeitsfrei bleibt.

„Wir wissen sehr wohl, dass ein Teil der Arbeitnehmer – etwa im Gesundheitsbereich – am Sonntag arbeiten muss“, sagt Hannes Schneller von der Arbeiterkammer Wien. „In anderen Bereichen wie z.B. im Handel bleibt der Sonntag für uns unantastbar.“

Derzeit müssen 15 Prozent der Arbeitnehmer regelmäßig am Sonntag arbeiten. Würde es zu einer Liberalisierung kommen, würde dieser Anteil schon bald auf 30 Prozent und mehr ansteigen. „Vor allem Mütter und Familien wären dadurch stark benachteiligt“, sagt Schneller. „Es ist nicht das Gleiche, ob man unter der Woche frei hat oder sonntags!“, sagt Schneller.

Fotocredit Titelbild: Pixabay

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