Haushaltsbudget im Wandel: 8 Faktoren für den Innenstadthandel

14.08.2024
Gesellschaft, Wirtschaft

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Viele Innenstadthändler:innen stehen aktuell vor großen Herausforderungen und existenziellen Fragen. Das Konsumverhalten hat sich gewandelt, nicht allein durch Einkaufszentren auf der grünen Wiese oder Online-Shopping. Denn über die Jahre zeigen sich starke Veränderungen in der Ausgabenstruktur der Haushalte.

Das vorhandene persönliche Budget wird anders eingesetzt als noch in den 1990er- oder 2000er-Jahren, das ist letztlich auch ein wesentlicher Faktor für die Rückgänge im Innenstadthandel. Immerhin trägt der private Konsum rund 50 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. In diesem Beitrag sollen acht wesentliche Punkte beleuchtet werden, wie sich verändernde Konsumausgaben dem Innenstadthandel zusetzen.

Klar ist: Die Herausforderungen für den Einzelhandel in den Innenstädten sind komplex und langfristige Lösungen notwendig, um diesen entgegenzuwirken.

1. Höhere Wohnkosten (für Mieter:innen)

Zwar sind laut diesem Standard-Bericht vom Juni 2024 die monatlichen Wohnkosten in Österreich zwischen 2013 und 2023 insgesamt nur leicht über der Inflation, die ja durch Lohnerhöhungen abgegolten wird, gestiegen: Um 34 Prozent bei einer aufsummierten Teuerung von 32,8 Prozent.

Löst man jedoch nur die Gruppe der Mieterinnen und Mieter aus der Gesamtbetrachtung heraus, zeigt sich ein anderes Bild. Für sie stiegen die Wohnkosten in diesem Zeitraum um 38 bis 49 Prozent. Was wiederum überdurchschnittlich viele betrifft: Österreich ist nach Deutschland das EU-Land mit der höchsten Mieterquote, derzeit liegt sie bei 45,8 Prozent. Was bedeutet: Für knapp die Hälfte der Bevölkerung sind die Wohnkosten merklich angestiegen und belasten das Haushaltsbudget mehr als zuvor.

Türschild in städtischem Altbau. Wohnungsmieten sind in Relation stark angestiegen und engen das verfügbare Haushaltsbudget ein
Die Wohnkosten für Mieter:innen in Österreich sind zwischen 2013 und 2023 um bis zu 49 Prozent gestiegen (c) pexels.com

2. Plus bei Lebensmittelpreisen

Seit der Teuerungskrise im September 2021 sind die Preise für Grundnahrungsmittel in Österreich laut aktuellem AK-Preismonitor um 43,3 Prozent gestiegen. Besonders betroffen sind Produkte wie Kartoffeln und Nudeln, deren Preise sich nahezu verdoppelt haben. Trotz eines minimalen Rückgangs der Preise im Jahr 2023 bleiben sie nun auf einem hohen Niveau stabil.

Diese Preissteigerungen treffen vor allem Haushalte mit niedrigem Einkommen hart, die bereits davor auf Diskonter und günstige Angebote angewiesen waren. Das verfügbare Budget der Konsument:innen wird zunehmend für Grundbedürfnisse aufgebraucht. Auch das verschärft die Probleme für Innenstadthändler.

Sujetbild für Ausgaben im Lebensmittelhandel, die immer mehr vom Haushaltsbudget binden
Lebensmittel haben sich massiv verteuert in den vergangenen fünf Jahren (c) pexels.com

3. Mehrausgaben für Technologie und Unterhaltung

In den letzten 15 bis 20 Jahren haben sich die Ausgaben für Technologie und Unterhaltung stark erhöht. Der Siegeszug der Smartphones seit Mitte der Nullerjahre hat zu monatlichen Kosten für Mobilfunkverträge und Internetverbindungen geführt. Auch Streamingdienste für Filme, Musik und Sport sind mittlerweile zur festen Größe im Haushaltsbudget geworden.

Abonnements für Plattformen wie Netflix und Spotify, sowie laufende Ausgaben für diverse Apps und andere digitale Inhalte summieren sich und nehmen veritable Teile des monatlichen Haushaltsbudgets in Anspruch. Der Spielraum für andere Ausgaben, etwa im stationären Einzelhandel, ist dadurch weiter reduziert.

4. Ausgabenfokus auf Freizeit und Dienstleistungen

Eine bedeutende Verschiebung in den Haushaltsbudgets weist auch die Jahresbilanz „Handel in Österreich“ aus 2023 auf. Die Konsumausgaben wandern ab in Richtung Tourismus und Freizeitaktivitäten wie Sport, Gastro, Veranstaltungen. „Das Konsumverhalten hat sich deutlich verlagert, weg vom klassischen Produktkauf hin zu Aktivitäten und Erlebnissen. Während die Investitionen in langlebige Konsumgüter im Vorjahr um 5,3 Prozent regelrecht erodiert sind, stiegen die Ausgaben für Reisen, Freizeit und Mobilität um mehr als 9 Prozent„, bestätigt Studienautor Andreas Kreutzer, Geschäftsführer von Kreutzer Fischer & Partner.

Diesen Trend bekommt der Innenstadthandel empfindlich zu spüren. Einige Warengruppen mussten 2023 ein großes Minus verkraften, darunter Produkte für Haus & Garten (-22,1%), Einrichtung & Hausrat (-12,5%) und sogar die zuletzt wachstumsstarke Branche der Sportartikel (-2,1%).

Hafenzwitschern in Klagenfurt. Foto zum Thema Haushaltsbudget im Wandel. Heute wird viel für Freizeitaktivitäten ausgegeben, Städte müssen reagieren
Das Ausgabeverhalten hat einen neuen Schwerpunkt im Thema Freizeit. Dazu gehören auch Veranstaltungen  (c) derSchindler

5. Verändertes Spar- und Kreditverhalten

Noch in den 1980er und 1990er Jahren waren Haushalte tendenziell disziplinierter beim Sparen – wohl auch aufgrund attraktiverer Verzinsung – und der Zugang zu Konsumkrediten war strenger geregelt. Diese Disziplin förderte langfristige Investitionen und eine stabile finanzielle Basis. Diese Situation hat sich grundlegend gewandelt.

Viele Menschen finanzieren ihre Konsumausgaben heute auf Pump – Stichwort: Klarna-Schulden. Während dies kurzfristig den Konsum ankurbeln mag (zumal vor allem den Online-Konsum), führt es langfristig zu finanziellen Engpässen bis hin zu Privatkonkursen. Die unterstreicht auch die Statistik. Laut KSV stieg die Zahl eröffneten Schuldenregulierungsverfahren 2023 gegenüber dem Jahr davor um 8,2 Prozent. Schon von 2021 auf 2022 verzeichnete man ein Plus der Anträge auf Privatkonkurse von 17,4 Prozent.

6. Auswirkungen des Onlineshoppings

Der Onlinehandel verzeichnete laut Handelsbilanz 2023 einen Anstieg der eCommerce-Ausgaben um 3,5 Prozent auf 9,4 Milliarden Euro. Die Onlinequote, also der Anteil des eCommerce an den gesamten Ausgaben im Einzelhandel, steigt damit auf ein neues All-Time-High von 12,1 Prozent.

Trotz dieses Wachstums profitieren laut Handelsbilanz vor allem internationale Plattformen wie Temu und Shein, während heimische Onlinehändler preisbereinigt letzlich sogar einen Rückgang von 7,5 Prozent hinnehmen mussten.

Ein erheblicher Teil der Online-Ausgaben fließt also nach China. Dies verschärft den Wettbewerb für lokale Einzelhändler. Zudem stieg der Paketversand um 11,4 Prozent auf fast 210 Millionen Sendungen, was den Druck auf den Innenstadthandel weiter erhöht.

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Der E-Commerceanteil im Handel steigt weiter, vor allem zugunsten von Plattformriesen wie Temu und Shein. (c) pixabay.com

7. Verändertes Mobilitätsverhalten

In den letzten Jahren hat sich das Mobilitätsverhalten signifikant verändert – mit weitreichenden Auswirkungen auf den Innenstadthandel. Viele Haushalte geben heute mehr für Mobilität aus, sei es für das oder die Auto(s), Fahrkarten für Öffis, Klimaticket oder zusätzliche Transportmittel wie E-Scooter und Fahrräder, von Rennrad bis Mountainbike – oder oft auch für alles zusammen.

Zudem hat Corona die bevorzugten Destinationen dieser Mobilität verändert. Waren es davor Konsumgewohnheiten, die die Menschen in die Stadt trieben, sind es nun vermehrt die Lust auf Ausflüge in die Natur bzw. das Besuchen von Events, das die Menschen animiert, sich in Bewegung zu setzen. Der Home-Office-Trend befeuert diese Entwicklung zusätzlich, was in Summe die Besucherfrequenz und damit die Umsätze der stationären Einzelhändler negativ beeinflusst.

Auto mit Rad am Dachträger. Foto zum Blog Haushaltsbudget im Wandel, Thema Mobilitätsverhalten
Zwei Autos, mehrere Fahrräder UND ein Klimaticket: Mobilitätskosten stiegen zuletzt durch den Variantenreichtum (c) pexels.com

8. Inflationsbedingte Unsicherheiten

Auch wenn die Teuerungsdynamik jüngst etwas gebremst werden konnte: Die über viele Monate anhaltend hohe Inflation hat das Konsumverhalten der Menschen erheblich beeinflusst und führt im Nachhall zu einer insgesamt vorsichtigeren Ausgabenpolitik.

Verbraucher, die sich über die Preissteigerungen und die wirtschaftlichen Unsicherheiten Sorgen machen, neigen dazu, ihre Ausgaben genauer zu planen. Für die Innenstädte bedeutet dies, dass die spontane Kaufbereitschaft gesenkt wird – obwohl der impulsive Einkauf für den stationären Handel eine zentrale Einnahmequelle darstellt.

Die Konsumenten verlagern ihre Kaufentscheidungen auf größere, geplante Einkäufe oder nutzen Rabattaktionen und Sonderangebote, was den täglichen Umsatz in den Innenstädten schwächt.

Mögliche Gegenmaßnahmen 

Angesichts dieser Entwicklungen, die den Innenstadthandel belasten, sollten Händler als auch Stadtverantwortliche initiativ werden, um sich an die veränderten Bedingungen anzupassen. Mögliche Maßnahmen könnten etwa sein:

  • Angebot an die Zielgruppen anpassen
    Zielführend könnte es beispielsweise für Innenstadthändler:innen sein, verstärkt auf einzigartige und hochwertige Produkte zu setzen, die sich von den standardisierten Angeboten großer Online-Plattformen abheben. Eine stärkere Betonung auf nachhaltige, regionale und handgefertigte Produkte könnte ebenfalls den Nerv der Zeit treffen.
  • Erlebnisorientierte Innenstadtgestaltung
    Da ein großer Teil der Konsumausgaben in den Freizeitbereich fließt, sollten Städte und Händler zusammenarbeiten, um Innenstädte als Erlebnisräume zu gestalten. Dies könnte durch die Schaffung von attraktiven Freizeitangeboten, regelmäßigen Veranstaltungen und Märkten sowie durch die Verbesserung der Aufenthaltsqualität in der Innenstadt geschehen. Denkbar wären auch „Pop-up“-Erlebnisse, die regelmäßig frische Anreize bieten. Tipp: Lesen Sie auch unseren ausführlichen Beitrag zur Attraktivität der Innenstädte.
  • Wohnkosten in den Griff bekommen
    Stadtverantwortliche sollten Maßnahmen zur Mietpreiskontrolle und zur Förderung von erschwinglichem Wohnraum ergreifen, um den Druck auf die Haushalte zu mindern – mit passenden Fördermodellen, etwa das Wohnhaussanierungs- und Revitalisierungsförderprogramm in der Steiermark. Investitionen in den sozialen Wohnungsbau und Anreize für private Investoren, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, könnten die Wohnkosten stabilisieren. Langfristig kann dies das verfügbare Einkommen der Haushalte erhöhen und somit auch dem Innenstadthandel zugutekommen.
  • Integration von Online-Shopping-Trends
    Innenstadthändler sollten das Potenzial von Online- und Offline-Verkaufsstrategien kombinieren. Angebote wie „Click-and-Collect“, bei denen Kunden online bestellen und die Ware im Geschäft abholen, könnten eine Brücke zwischen bequemem Online-Shopping und dem Erhalt des stationären Handels schlagen. Die Einführung von Loyalitätsprogrammen, exklusiven In-Store-Angeboten und einer starken Online-Präsenz sind weitere Strategien, um das Einkaufsverhalten der modernen Konsumenten aufzufangen. Wichtig ist auch, auf eine gute Findbarkeit in Suchmaschinen zu setzen. Vor allem, wenn es um Markenprodukte geht.
  • Nutzung des veränderten Mobilitätsverhaltens
    Städte könnten das veränderte Mobilitätsverhalten nutzen, indem sie den Zugang zur Innenstadt erleichtern und nachhaltige Verkehrskonzepte fördern. Dies kann etwa durch den Ausbau von Radwegen, bessere Anbindung durch öffentliche Verkehrsmittel und die Förderung von Carsharing-Angeboten geschehen. Attraktive Parkmöglichkeiten und Anreize für den Besuch der Innenstadt (z. B. kostenlose Parkzeiten oder Rabatte bei der Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln) helfen die Besucherfrequenz erhöhen.
Erlebnisräume schaffen: ein weg um die attraktivität der Innenstadt zu steigern
Neue Erlebnisräume und -angebote schaffen: So könnten Städte das Freizeit-Konsumbudget vermehrt abrufen (c) Sarina Dobernig

Fazit

Die Analyse der veränderten Haushaltsbudgets und Konsumgewohnheiten zeigt, wie tiefgreifend diese Faktoren den Innenstadthandel beeinflussen. Die steigenden Wohnkosten, hohen Lebensmittelpreise, wachsenden Ausgaben für Technologie und Unterhaltung sowie andere finanzielle Umstellungen schwächen die Umsätze im stationären Einzelhandel. Für viele Innenstadthändler wird es zunehmend schwierig, mit den veränderten Anforderungen und dem gesunkenen Konsumvolumen Schritt zu halten.

Innenstadthändler und Stadtverantwortliche können auf die veränderten Ausgabengewohnheiten reagieren, indem sie ihr Angebot stärker auf einzigartige, nachhaltige Produkte ausrichten und die Innenstadt als Erlebnisraum gestalten. Freizeitangebote und regelmäßige Veranstaltungen könnten die Aufenthaltsqualität erhöhen. Um Wohnkosten zu senken, sollten Städte bezahlbaren Wohnraum fördern. Zudem sollten Händler das Online-Shopping mit „Click-and-Collect“-Angeboten kombinieren und starke Online-Präsenzen aufbauen. Schließlich können Städte das veränderte Mobilitätsverhalten auch für sich nutzen, indem sie alternative, nachhaltige Verkehrskonzepte fördern und den Zugang zur Innenstadt erleichtern.

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Inga Horny

Geschäftsführerin Klagenfurt Marketing GmbH

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