
Konsumfreie Zonen sind im Aufwind. Weil Wohnraum immer teurer wird, werden immer mehr Menschen mehr Zeit draußen verbringen.
Auch die steigenden Durchschnittstemperaturen treiben uns selbst im sogenannten “Winter” immer öfter hinaus ins Freie. Und nicht zuletzt, weil Handelsketten mit Geschäftsräumen weniger präsent sein werden, gewinnen konsumfreie Zonen an Bedeutung.
Der Handel ist im Wandel: Online-Zampanos wie Amazon, Zalando & Co bescheren heimischen Läden schlechte Karten. Rund sechs Milliarden Euro geben Herr und Frau Österreicher beim Onlineshopping aus, davon fließt jedoch die Hälfte schon ins Ausland.
Nicht nur deshalb rücken konsumfreie Zonen im Stadtkonzept in den Fokus: Sind Sie doch ein Ort der Begegnung, die das Leben und Zusammenleben mitbestimmen. In Zeiten steigender Wohnkosten sind sie für Menschen, die sich keinen eigenen Garten oder eine Terrasse leisten können, eine wichtige Alternative zur Erholung und für die Freizeitgestaltung.
Die Neukonzipierung öffentlicher Räume ist auch aufgrund der steigenden Bevölkerungszahlen eine Notwendigkeit: Allein die Stadt Wien wird bis 2030 – jedenfalls personenmäßig – um mindestens 250.000 BürgerInnen “größer” sein. Die Fläche aber bleibt gleich. Stellt sich die Frage: Wo sollen all die Menschen bloß in ihrer Freizeit hin?
Wir haben konsumfreie Zonen ausfindig gemacht, die gleich mehreren Ansprüchen gerecht werden. Lassen Sie sich inspirieren, denn bestimmt ist auch für Ihre Stadt eine tolle Idee dabei:
1. MQWien – Relaxen im Museum

Die Sitzmöbel in Knallfarben sind im MQ schon Kultobjekte.
Das Wiener Museumsquartier ist ein Paradebeispiel für gelungene konsumfreie Zonen. Umrandet von Museen und angesagter Gastronomie ist der großflächige Innenhof das Verbindungsstück zwischen Kommunikation, Kultur und Genuss. Der Rand eines großen, rechteckigen Wasserbeckens ist eine angenehme Sitzgelegenheit, bei der man sich mal eben schnell erfrischen kann.
Fast schon legendär sind die abstrakten Hofmöbel, die seit 2002 das Bild des MQs prägen. Sie wurden von den Architekten Anna Popelka und Georg Poduschka designet und wechseln jedes Jahr ihre Farbe – einmal laden sie im frischen Schwimmbadblau, dann in fruchtigem Pistaziengrün und später in schrillem Zitronengelb zum “Abhängen” ein.
Witziger Clou: Zwölf Stück der Sitzmöbel schließen sich aneinandergereiht zu einem kreisähnlichen Zwölfeck. Das Sitzmöbel, in dem gleich mehrere Personen Platz finden, lässt unterschiedliche Möglichkeiten des Hineinlegens und Hineinsetzens zu.

Bei Tag & Nacht und zu jeder Jahreszeit ein beliebter Treffpunkt: Der Innenhof des MQ Wien. Fotos (2): Herta Hurnaus
“Das Besondere ist”, so MQ-Direktor Dr. Christian Strasser, “dass das MuseumsQuartier zum einen ein Kulturareal mit einem unglaublich vielfältigen Angebot ist – das Spektrum reicht von bildender und darstellender Kunst über Architektur, Musik, Mode, Theater, Tanz, Literatur, Kinderkultur, bis hin zu Game Culture, Street Art, Design oder Fotografie. Zum anderen ist das MQ eine Oase der Ruhe und Erholung im Herzen der Stadt, das ‘Wohnzimmer“ der WienerInnen’.”
Im Innenhof des MQ kann man sich in den Sommermonaten Boule-Kugeln ausborgen, am Wochenende machen nationale und internationale DJs Stimmung.

Foodtrucks wie die “hy-kitchen” sorgen für trendige Snacks. Foto: hy-kitchen
Vergangenes Jahr startete man ein Pilotprojekt mit bekannten Streetfood-Tradern, die in ihren Trucks trendiges Fingerfood für die Passanten anboten: Von Pulled Pork Burger über Korean Fried Chicken bis zum Soul-Beef-Sandwich war für jeden Gaumen etwas dabei. Im Winter avanciert der MQ-Innenhof zum hippen Punschtreff. Künstlerisch designte Eispavillons, ein innovatives Lichtkonzept und DJ-Sound ziehen vor allem das junge, intellektuelle Publikum an.
Benefits: In das kulturelle Umfeld des mumok fügt sich die konsumfreie Zone hervorragend ein. Die innovativen Sitzmöbel sind multifunktional. Das Rahmenprogramm wird je nach Jahreszeit angepasst. Damit ist die Zone zu jeder Jahreszeit attraktiv.
2. Les Plages de Paris – die Mutter aller Stadtstrände

Lust auf ein Match vor dem Rathaus? In Paris ist das möglich.
Der Stadtstrand von Paris an der Seine ist der erste aller Stadtstrände und feierte seine Premiere vor 14 Jahren. Viele Städte haben das Konzept seitdem nachgemacht, darunter Berlin, München und auch Wien. In der französischen Metropole sind an drei Orten gleichzeitig die Bagger los um Sand aufzuschütten: Am Ufer der Seine, am künstlich angelegten Wasserbecken Bassin de Vilette im Nordosten und am Vorplatz des Rathauses.
Jeder Strand ist mit bunten Liegestühlen und Sonnenschirmen bestückt, welche die Beachboys und -Girls kostenlos nützen können. Besonders begeistert waren Groß und Klein von den Wasserzerstäubern, die wie eine feine Dusche an heißen Tagen kühle Erfrischung bietet.

Wassersport am Stadt-See.
Am Bassin de Vilette finden unterschiedliche Aktivitäten am Wasser statt: Beim Kayaken, Segeln oder Tretbootfahren vergisst man schon fast, dass man sich mitten in einer urbanen Metropole am Wasser bewegt!
Auch an Land wird es nicht langweilig: Hier sorgen Tischfußball, Bogenschießen und Street Tennis für Abwechslung. Am Schauplatz vor dem Rathaus im Stadtzentrum wurde sogar ein ganzer Beachvolleyballplatz aufgeschüttet, und wer lieber Bälle in Körbe schießt, kann sich nebenan beim Basketball vergnügen.
Für die Kinder gibt es übrigens kostenloses Sandspielzeug und Gesellschaftsspiele im Großformat wie Dame oder Schach. Am Abend ist am Bassin de Vilette die Tanzfläche frei: Täglich ab 17.00 Uhr klingen verschiedene Musikstile aus den Boxen. Die Party ist eröffnet!

Sand & Sonne gibt es 3x in Paris. Fotos (3): Paris Tourist Office, Marc Bertrand
Benefits: Die Kombination Sand und Wasser ist im Sommer in der Stadt ein großes Highlight. In Paris hat man sich mit vielen Details für unterschiedliche Altersgruppen und Bedürfnisse zahlreiche Extras überlegt. Erholung, Erfrischung, Sport, Spiel und Genuss treffen hier zusammen.
Stadtstrände sind als konsumfreie Zonen international der Renner!
3. Wientalterrasse – Oase beim Wienfluss

Die Wientalterrasse an der U4 wertet bisher ungenutzte Orte auf.
Das Wiental zwischen der Urania und der Stadtgrenze ist denkmalgeschützt und geht auf die Zeiten Otto Wagners zurück. Obwohl es ganze 14 km lang ist, war es lange Zeit ein vergessener Ort, der hauptsächlich als Verkehrsschleuse für Autos und U-bahn genutzt wurde. An öffentlichen Freiräumen entlang des Wienflusses fehlte es. Um diesen Fluss, der Österreichs Hauptstadt ihren Namen gab, sichtbarer zu machen, wurde die erste Wientalterrasse erbaut, die den fünften mit dem sechsten Bezirk verbindet. Die großflächigen Terrassen oberhalb der U-Bahntrassen direkt bei der U4-Station Pilgramgasse sollen den WienerInnen nun neue Erholungsräume bieten.

Die Fläche umfasst über 1.000 m2
Wichtiges Element für den neuen Knotenpunkt ist die zusätzliche Fußgängerbrücke, die den 5. Bezirk mit dem 6. verbindet und den Zugang von beiden Seiten ermöglicht. “Platz braucht Bewegung und Ruhe. Beides bietet die, ungewöhnlich für Wien, mit Holz beplankte Terrasse”, sagt Manuela Hötzl von den Architekten Tillner & Willinger, “Nicht nur der tote Winkel im hinteren Bereich der U-Bahn Station wird offen und durchlässig, auch die Fassade der Häuser mit ihren Grünstreifen und der Wienfluss selbst werden erneut Teil eines erweiterten Stadtraums.”

Eine von drei Terrassen ist bereits gebaut. Fotos (3): Tillner Willinger Architekten
Die erste von drei geplanten Terrassen befindet sich zwischen Redergasse und Spengergasse, sie ist 76 Meter lang und 13,5 Meter breit. Als Belag für die Stahlkonstruktion wurde Lärchenholz gewählt, wodurch die Terrasse natürlich und behaglich erscheint. Holzbeete, die mit Gräsern bepflanzt sind, verleihen der Konstruktion einen dreidimensionalen Charakter.
Neben der Terrasse verbindet ein Steg für FußgängerInnen die Bezirke Margareten und Mariahilf. In weiterer Folge sollen noch zwei Terrassen errichtet und das Netz an Radwegen entlang des Wienflusses verbessert werden.
Benefits: Die großzügige Fläche bringt Holz – ein sonst in Wien wenig verwendetes Material – ins Stadtbild. Das Areal ist gleich bei einer U-Bahnstation und somit als Erholungsoase öffentlich gut erreichbar.
4. LaendYard – konsumfrei im Wohnbau

Das Projekt LaendYard Wien setzt auf konsumfreie Zonen mit Dorf-Atmosphäre. Foto:
Das neue Wohnungsprojekt wird derzeit im dritten Wiener Gemeindebezirk nahe des Donaukanals errichtet. 500 Wohnungen sollen hier bin 2018 entstehen. Auf einer Fläche von 1.400 Quadratmeter werden sich Geschäfte im gut durchdachten Branchenmix von Nahversorgung, Bäcker, Greißler oder Gastronomie wie bei einem Dorfplatz mitten in der Stadt im Kreis gruppieren.
Die Freifläche von 1.500 Quadratmetern bietet ausreichend Platz für konsumfreie Zonen: Hier kann man E-Bikes ausleihen, Carsharing-Autos abholen oder sich auf den Sitzgelegenheiten niederlassen, die den Blick auf Grünflächen und Wasserspiele eröffnen. Neben Anschlüsse für Foodtrucks wird es am Dorfplatz auch kostenloses WIFI für alle geben. Der Dorfplatz soll das Zentrum der Kommunikation der Wohnanlage werden. Für die gegenseitige Vernetzung der BewohnerInnen wird auch eine eigene LaendYard App entwickelt.“ Vielfalt und Individualität werden durch unterschiedliche Bodenbeläge, verschiedene Niveaus, individuelle Geschäftsportale und neue Sichtachsen hervor gestrichen.
Benefits: Großen Wohnkomplexe werden oft als anonym erlebt. Hier wirken konsumfreie Zonen entgegen, die insbesondere mit dem kostenlosen WLAN als Anziehungspunkt punkten. Durch die Stationen für Carsharing und E-Bikes wird die Zone auch zur Drehscheibe für umweltfreundliche Mobilität.
5. Karls Garten – Garteln in der City

Salat, Tomaten und Paprika beim Wachsen zusehen mitten in der Stadt? Kann man: Im Karls Garten mitten in der Wiener City.
Dieser Platz ist eine kleine Sensation: Auf über 2.000 Quadratmetern an der Grenze zwischen viertem und ersten Wiener Bezirk kann man hier also das ganze Spektrum aus dem Garten und der Landwirtschaft bewundern. 18 Obstbäume, mehr als 140 gesetzte Sträucher, über 1.000 gesetzte Setzlinge und sogar 50 Weinreben in Wiener Tradition – all das wächst im Karls Garten, der sich direkt am Karlsplatz mitten in der Wiener Innenstadt befindet.
Die Natur rückt hier tatsächlich ein großes Stück näher: Auf der Bienenheide kann man den fliegenden Honigproduzenten beim Summen um die bunten Blumen zusehen und -hören. Der “Grüne Gürtel” bietet eine bunte Abgrenzung zum Verkehr, weil sich hier Mais, Amaranth und Sonnenblumen aus dem Boden ranken. Dahinter fädelt sich eine Reihe von Schneeballsträuchern mit rauer Blattstruktur auf, die auch eine Funktion als Feinstaubfänger erfüllen. Weizen, Gerste aber auch Sojabohne und Hirse machen sich auf dem “Getreidehügel” breit.

Beeindruckend: Wer will, kann den Bienen zusehen, wie sie Honig produzieren.
Der Karls Garten wird vom Verein Karls Garten betrieben, dem derzeit 13 Mitglieder angehören. Anders als bei anderen Urban Gardening Projekten ist es für die Allgemeinheit ohne Anfrage an den Verein nicht möglich, sich am öffentlichen Garteln zu beteiligen.
Schließlich wird der Garten auch zu Forschungszwecken betrieben. So werden hier etwa Hochbeete – sogenannte SmartBeete – getestet, die selbständig für die Wasserversorgung der Pflanzen sorgen und den Gärtner via App auf dem laufenden halten. Mit im Team sind Experten aus Raumplanung, Agrarwissenschaften und Landschaftsgestaltung. Die Oase dient auch als überbetriebliche Ausbildungsstätte für rund 20 Lehrlinge.

24 Stunden täglich ist der Garten offen. Fotos (3): Verein Karls Garten
“Es war und ist uns ein Anliegen die Themen der Nahrungsmittelproduktion in der Stadt jedem, insbesondere den Jüngsten, näher zu bringen”, sagt Projektleiterin Esther Blaimschein, “Deshalb veranstalten wir Schulexkursionen, legen großen Wert auf Bewusstseinsbildung und stehen für Fragen und Antworten immer parat.” Heuer gab es außerdem schon Workshops mit unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlingen: “Sie haben mit bemerkenswertem Enthusiasmus ihr eigenes Wissen beim Garteln eingebracht.”
Im Jahr 2016 liegt der Schwerpunkt auf alten Sorten, die man in einer derartigen Umgebung wohl nicht vermuten würde: Litschitomaten, wilde Mini-Kiwis oder Malagaspinat finden im Karls Garten Beachtung und zeigen, dass auch Vergessenes wieder seinen Platz finden sollte.
Der Karls Garten hat sich auch schon als Eventtreff etabliert: Das Restaurant Heuer hat im Sommer die erste Cocktailmesse Wiens veranstaltet, und im Herbst stand ein Erntefest am Programm. “Niemand muss bei uns kaufen, konsumieren oder verkaufen. Konsumiert wird nur Wohlfühlzeit und vielleicht ein bisschen neues Wissen darüber was auf wenig Platz, an einer der meist befahrensten Straßeninseln Wiens, alles gedeihen und wachsen kann”, so Blaimschein.
Benefits: Ein großflächiger Obst- und Gemüsegarten mitten in der Stadt lässt auch urbane BewohnerInnen am Prozess des Pflanzens, Gedeihens und Erntens vielfältiger Gewächse in außergewöhnlicher Weise teilhaben. Eine außergewöhnliche Oase der Erholung für Stadtmenschen!
Konsumfreie Zonen – die Erfolgsfaktoren:
- ausreichend Sitzmöglichkeiten
- Begrünung & Bepflanzung
- Wasserelemente, z.B. Wasserspielplatz, Springbrunnen, Erfrischungsbecken
- Gratis WLAN
- Anschlüsse für Foodtrucks
- Sanitäranlagen
- Attraktionen für Kinder, z.B. ein Trampolin
- Beschattungen
- Anschlussstelle für E-Bikes
- Fahrradabstellplätze
- Barrierefreiheit
- Ein ansprechendes Beleuchtungskonzept
- Kombination aus Wasser, Sand und Liegestühlen/Sonnenschirmen
- Veranstaltung von kostenlose Kursen wie Yoga, Tai-Chi oder Tanzen
- Gesellschaftsspiele in Großausführung wie Schach oder Dame
- Equipment für Tischtennis, Tischfußball, Volleyball, …
- Schau- und Mitmachgärten, Hochbeete
- Anschlussstellen für Foodtrucks
- Musik und Performances bei freiem Eintritt
Fazit konsumfreie Zonen
Konsumfreie Zonen gewinnen an Bedeutung. Die Gestaltungsmöglichkeiten sind vielfältig. Mit den richtigen Angeboten können die öffentlichen Räume zum Anziehungspunkt für Begegnung, Erholung und Unterhaltung avancieren.