Interkulturelle Gärten: Ihr Nutzen für die Stadt

27.03.2018
Gesellschaft

Titel

Beim gemeinsamen Bewirtschaften von Land mitten in der Stadt entstehen neue Verbindungen und Zugehörigkeiten. In der Erde gedeihen damit nicht nur Pflanzen und Blumen, sondern auch blühende Beziehungen zu sich selbst und den anderen.

Dass Gartenarbeit glücklich macht, wissen PsychologInnen, TherapeutInnen und alle begeisterten Hobby-GärtnerInnen schon lange. Das Graben in der Erde ist schweißtreibend und das Pflanzen von neuem Leben, dem man beim Wachsen und Gedeihen zusehen kann, gibt ein tiefes Gefühl der Befriedigung.

Gemeinsames Garteln regt zum Austausch an. Man unterhält sich über vorhandenes Gartenwissen, tauscht Wurzeln und Triebe aus und unterstützt sich gegenseitig beim Graben und Gießen. Nicht zuletzt ist die Freude über die reiche Ernte aus selbst angebautem Obst und Gemüse besonders groß, wenn man sie mit anderen teilt und den Ertrag gemeinsam zu köstlichen Gerichten verkocht.

Das Projekt „Bunte Daumen“ bei Kufstein. (c) Servicestelle Gemeinschaftsgärten Tirol

Nicht umsonst haben viele Städte interkulturelle Gemeinschaftsgärten als fruchtbaren Weg der Integration für sich entdeckt. In der Begegnung können Berührungsängste abgebaut und Vorurteile aufgelöst werden. Es entstehen neue Verbindungen, man „wächst“ sprichwörtlich „zusammen“.

So zum Beispiel in den fünf interkulturellen Gemeinschaftsgärten in Tirol. Auf einem Feld am Stadtrand von Kufstein wurde der interkulturelle Gemeinschaftsgarten „Bunte Daumen“ gegründet.
Auf einer Fläche von 1.400 qm bepflanzen und pflegen ‚alteingesessene’ KufsteinerInnen und Menschen, die nach der Flucht hier eine neue Heimat gefunden haben, ein eigenes Stückchen Erde gemeinsam mit Paprika, Tomaten, Salaten, Gurken, Kürbissen und vielem mehr.

Neben Beeten für einzelne GärtnerInnen, Familien, zwei Klassen der Volksschule und für den Kindergarten Zell spielen dabei die Gemeinschaftsflächen eine besondere Rolle. Auch eine Gruppe von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen nützt die Gelegenheit, eigenes Gemüse und Lieblingspflanzen anzubauen.

„Das Graben in der Erde übt für Kinder aller Länder eine besondere Faszination aus“, sagt Petra Obojes-Signitzer, Leiterin der Netzwerkstelle Gemeinschaftsgärten Tirol, die bei der Umsetzung von Gemeinschaftsgärten berät, begleitet und unterstützt.

Interkulturelle Gärten fördern Freundschaften

Der interkulturelle Garten in Wilten-Innsbruck besteht seit neun Jahren. (c) Servicestelle Gemeinschaftsgärten Tirol

So ist auch der interkulturelle Gemeinschaftsgarten Wilten-Innsbruck ein Platz der Begegnung und des Kennenlernens für Menschen aus allen Ländern, Lebensformen und Altersstufen. Rund 80 GärtnerInnen aus über 20 Ländern sind hier mit ihren Familien aktiv! Damit ist es eines der größten Integrationsprojekte dieser Art in Österreich.

„Diese Gemeinschaftsgärten sind für alle Beteiligten ein friedvoller und geschützter Ort, der viele Freundschaften gebracht hat und die Geselligkeit fördert“, sagt Obojes-Signitzer weiter. Sie berichtet von einer allein stehenden Frau, die durch das gemeinsame Garteln neue Lebensfreude finden und Anerkennung gewinnen konnte.

„Die Menschen tauschen hier ihr Wissen aus, das sie sonst in keiner Weise mitteilen können. Ob es darum geht, wie man Petersilie besonders gut zum Wachsen bringen kann oder wie man Mangold am besten verkocht, einlegt und konserviert.“

Asiasalate und mehr wachsen im Garten, der Kulturen verbindet. (c) Interkultureller Gemeinschaftsgarten Wilten-Innsbruck

Auch exotische Gemüsesorten wachsen in den interkulturellen Gärten. Vom thailändischen Spargelsalat über die schärfste mexikanische Chili bis zu Tomatillos – einem tomatenähnlichen Gemüse. „Menschen lassen sich Samen aus ihren Heimatländern schicken und sind froh, das Gemüse, das sie von ihrem Herkunftsland kennen und nicht hier in den Geschäften kaufen können, bei uns anbauen zu können.“

Gartenarbeit als Beschäftigung

In der Geigergasse im 5. Wiener Gemeindebezirk ist ebenso ein interkultureller Gemeinschaftsgarten entstanden. Die BewohnerInnen des Wohnhauses sind Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und Pakistan und warten darauf, arbeiten zu dürfen.

Doch was tun bis dahin? In diesem Fall gemeinsam mit den Nachbarn die Freiflächen um ihren Wohnbereich herum gestalten. Es wachsen nun Gemüse und Kräuter aus Hochbeeten, Töpfen und Pflanztrögen, die sie gemeinsam mit Menschen aus der Nachbarschaft bewirtschaften.

Der Verein Gartenleben im Waldviertel ermöglicht mit dem Projekt „easy gardening“ Flüchtlingen, mittels GärtnerInnen Wurzeln in ihrer neuen Heimat zu schlagen. Der Verein fertigte Sammelkarten an, in denen der Anbau sowie die Pflege und Ernte der Pflanzen bildlich erklärt wird und ließ diese auf arabisch übersetzen. Die Karten können hier auch von anderen Vereinen und Initiativen downgeloadet und für Gartenprojekte verwendet werden.

„Auf die Idee kamen wir, als wir beobachteten, wie Flüchtlinge gegenüber unseres Hauses in Zwettl im Oktober Tomaten pflanzen wollten“, sagt Geschäftsführerin Elisabeth Koppensteiner, „Wir wollten helfen und fertigten die Grafiken an, die wir auf arabisch übersetzen ließen.“

Das große Potenzial des gemeinschaftlichen Gartelns für die Integration hat man im Verein Tiroler Bildungsforum – Verein für Kultur und Bildung erkannt und dafür sogar einen eigenen Lehrgang für Begegnungsgärten entwickelt. In vier Modulen wurden Ehrenamtliche dafür ausgebildet, interkulturelle Gärten zu führen.

Dabei war es wesentlich, Basiswissen zu Flucht und Trauma und über die Lebensrealität von Flüchtlingen zu vermitteln. Aber auch Strategien zur Krisenbewältigung, Tipps für Kommunikation und Netzwerken. Und nicht zuletzt viele Möglichkeiten, um einen interkulturellen Gemeinschaftsgarten zu planen, anzulegen und zu erhalten.

Bei einer eigenen Servicestelle des Tiroler Bildungsforums für Gemeinschaftsgärten werden Interessierte und Betreiber fachkundig beraten.

Fazit interkulturelle Gärten

Man lernt sich nicht nur untereinander kennen, sondern geht auch einer sinnvollen Beschäftigung nach, die glücklich macht und dazu anregt, Wissen auszutauschen. Die gemeinsame Ernte spielt ebenso eine große Rolle wie zusammen kochen und feiern.

Fotocredit Titelbild: Elaine Casap on Unsplash

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