
Der Wettlauf um neue Betriebe in der Region wird stärker. Nicht nur harte Faktoren wie die Lage sind bei der Wahl des besten Unternehmensstandortes ausschlaggebend, auch weiche Faktoren rücken bei den Entscheidern zunehmend in den Fokus der Aufmerksamkeit.
Für Städte/Gemeinden bedeutet dies: Wer aktiv dazu beiträgt, als Unternehmensstandort attraktiv zu sein, kann im Wettlauf reüssieren. Wir haben 10 Kriterien für einen attraktiven Unternehmenstandort recherchiert.
1. Geografische Lage
Eine Tatsache vorweg: Die unveränderbare Lage gibt der Region “Vorschuss-Plus- oder Minuspunkte”. Je einfacher und schneller das Unternehmen für Zulieferer, Kooperationspartner und direkte Kunden erreichbar ist, und je effizienter Transportkosten kalkuliert werden, desto interessanter ist der Unternehmensstandort. Die guten und auch weniger vorteilhaften Aspekte können Sie durch eigene Maßnahmen unterstützen oder ausgleichen. Zum Beispiel, indem Sie die Verkehrsanbindung stärken oder die Gesamtinfrastruktur verbessern (s. Punkt 4).
International gesehen genießt Österreich durch seine zentrale Lage und als Drehscheibe für den Osten bekanntlich Vorteile.
Was Sie tun können: Die geografische Lage können Sie nicht ändern, das ist klar. Aber Sie können die individuellen Stärken Ihrer Region bestmöglich herausarbeiten. Erstellen Sie anhand dessen eine starke “City Identity” (s. Punkt 9). Darüber hinaus können Sie auch die Infrastruktur verbessern.
2. Verfügbarkeit der Flächen am Unternehmensstandort
Grundstückspreise und Mieten beeinflussen die Entscheidung für einen Unternehmensstandort maßgeblich. In einem Vergleich von Cushman & Wakefield aus dem Jahr 2014 liegt etwa Wien auf dem 44. Platz von 67 internationalen Städten. Angeführt wird das Ranking von London als der teuerste Standort für Unternehmen. Dahinter liegen übrigens Hong Kong und Moskau. New York liegt auf Rang sechs, Paris auf Rang neun, Genf auf Rang 15, München auf Rang 21 und Brüssel auf Rang 36.
Was Sie tun können: Als Stadt/Gemeinde können Sie Ihr Betriebsflächenmanagement aktiv mitgestalten. Wer die Wirtschaft verändern will, muss selbst an ihr teilhaben. Zu den wichtigsten Maßnahmen zählen strategische Immobilienkäufe durch die Gemeinde, die Sie der Wirtschaft in guten Lagen – etwa mit besonderen Vergabekriterien – zur Verfügung stellen können sowie ebenso aktives wie innovatives Leerflächenmanagement.
3. Spezialisierung

Geballte Grün-Energie in Graz. © Green Tech Cluster
Zentral ist die Frage, wie viele Zulieferer, Kooperationspartner und entsprechende Absatzmärkte es in der Region selbst bereits gibt. Einige Regionen haben sich mit Clustern auf bestimmte Branchen spezialisiert und als Unternehmensstandort einen Namen gemacht – etwa der Automobil-Cluster in Oberösterreich und in der Steiermark sowie der Green Tech Cluster für erneuerbare Energien in Graz. Cluster und andere Branchennetzwerke ermöglichen den Unternehmen einen hohen Grad an Spezialisierung und machen sie auch im internationalen Wettbewerb stärker.
Was Sie tun können: Überlegen Sie Strategien, mit denen Sie in Ihrer Region mehr Synergien zwischen den Betrieben schaffen können. Wie können Sie Unternehmen in gleichen oder ähnlichen Branchen zusammen stark werden lassen? Holen Sie Kooperationspartner an Bord, wie zum Beispiel lokale Immobilienmakler oder Immobilieneigentümer, und erstellen Sie ein Konzept.
4. Infrastruktur und Dateninfrastruktur

Breitbandinternet: Ein Muss zur Aufwertung der Unternehmensstandorte.
Neben der grundlegenden Infrastruktur, welche u.a. die Anbindung an den öffentlichen Verkehr einschließt, nimmt der Ausbau eines flächendeckenden Breitbandinternets eine immer größere Bedeutung ein. Gerade Videos, Virtual Reality und Cloud-Services brauchen große Bandbreiten in der Datenübertragung. Doch die flächendeckende Erschließung ist in Österreich ist noch nicht ausreichend.
“In benachteiligten Regionen müssen technologieneutrale Fördermodelle angewandt werden, um Investitionsanreize für private Infrastrukturunternehmen zu schaffen und einen fairen Wettbewerb zwischen breitbandfähigen Infrastrukturen zu gewährleisten”, sagt Claudia Huber von der Stabsabteilung Wirtschaftspolitik der WKO, “Um den Wirtschaftsstandort Österreich als Top-IKT-Volkswirtschaft zu positionieren, ist es erforderlich, die flächendeckende ‘Speed-Offensive’ für Hochgeschwindigkeitsinternet mit oberster Priorität fortzusetzen.”
Branchenspezifisch hat man sich hinsichtlich Übertragungsqualität schon teilweise selbst geholfen: Aufgrund der bislang oft sehr schlechten Empfangsqualitäten des Mobilfunks in entlegenen Gebieten haben der Österreichische und Deutsche Alpenverein mit rund 600 Hütten, die im Tourismus genutzten werden, gemeinsam mit der Telekom Austria eine Initiative gestartet, Mobilfunkempfang und Breitband-Internet über WLAN auch an entlegenen Berghütten kostengünstig zu ermöglichen.
Teil einer unternehmerfreundlichen Infrastruktur am Unternehmensstandort ist auch die Verfügbarkeit von ausreichend Parkplätzen für Kunden, Lieferanten oder Mitarbeiter.
Was Sie tun können: Ausbauen, Ausbauen, Ausbauen. Jegliche Infrastruktur kann nicht dicht genug sein, wenn es um die Attraktivierung eines Unternehmensstandortes geht. Dies betrifft auch den Punkt 10 “Lebensqualität”!
5. Arbeitsmarkt am Unternehmensstandort
Entscheidend, wie attraktiv ein Unternehmensstandort ist, ist auch das lokale Angebot an Man- und Womanpower. Braucht das jeweilige Unternehmen eine große Anzahl an Fachpersonal, und ist dieses ausreichend vor Ort verfügbar? Sie als Stadt/Gemeinde können das lokale Arbeitsmarktangebot u.a. unterstützen, indem Sie Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten etablieren.
Wenn Sie eine Bestandsaufnahme erstellen, wie gut die Karrieremöglichkeiten in den Unternehmen in Ihrer Region/Stadt/Gemeinde grundsätzlich sind, erhalten Sie ebenso Aufschluss darüber, wie attraktiv der Unternehmensstandort aus der Sicht von qualifizierten Fachkräften ist.
Was Sie tun können: Verbessern Sie die Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten in Ihrer Region und entwickeln Sie alle Kriterien, die unter Punkt 10. “Lebensqualität” fallen. Das lokale Arbeitsmarktangebot ist freilich auch ein “Henne-Ei-Problem”: Gibt es ausreichend attraktive Unternehmen mit entsprechenden Karrieremöglichkeiten und ist die Lebensqualität in der Region entsprechend hoch, werden auch die guten Arbeitskräfte nicht ausbleiben. Ist die Lebensqualität so hoch, dass viele Fachkräfte herkommen wollen, braucht es schon entsprechende Firmen vor Ort, die als Arbeitgeber in Frage kommen.
6. Familienfreundlichkeit

Zum familienfreundlichsten Betrieb 2016 in der Kategorie “Betriebe mit 21 – 100 Mitarbeitern” gekürt: LAFER + PARTNER Wirtschaftstreuhand- und Steuerberatungs-GmbH (STMK) © Harald Schlossko
Halten wir uns vor Augen, dass bereits 60 Prozent der Uni-Absolventen weiblich sind, die Kinderbetreuung aber nach wie vor hauptsächlich in Frauenhänden liegt, wird deutlich, wie wichtig die Unterstützung bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie auf allen Ebenen ist. Es braucht also flächendeckende, ganztägige Kinderbetreuungseinrichtungen von Kindern aller Altersstufen.
Sie können Betriebe auch selbst dazu motivieren wollen, sich für Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Dienste ihrer MitarbeiterInnen zu engagieren. Das Audit Familie und Beruf begleitet und zertifiziert Unternehmen am Weg in die Familienfreundlichkeit: In einem gemeinsamen Prozess werden Maßnahmen erarbeitet und umgesetzt, die den MitarbeiterInnen die Mehrfachbelastung erleichtern sollen. Dazu zählen u.a. qualifizierte Teilzeit- und flexible Arbeitszeitmodelle, Betriebskindergärten, Jobsharingkonzepte sowie die Förderung von Frauen mit Kindern in Führungspositionen uvm. Jedes Jahr werden die familienfreundlichsten Betriebe in verschiedenen Kategorien gemeinsam mit dem Familienministerium prämiert.
Top: Diese Zertifizierung gibt es auch für Gemeinden. Hier finden Sie eine Liste an Gemeinden, die bereits professionell begleitet und auditiert wurden und die durch umfassende oder kreative Angebote im Bereich Kinder- und Altenbetreuung brillieren.
Was Sie tun können: Bauen Sie vor allem die Kinderbetreuungseinrichtungen für Kinder aller Altersgruppen aus, und passen Sie die Öffnungszeiten an die Bedürfnisse der Eltern an. Motivieren Sie Betriebe aktiv dazu, familienfreundliche Maßnahmen umzusetzen. Das Audit Familie und Beruf ist dafür ein guter Ansprechpartner.
7. Abgaben und Steuern

Österreich – Land der hohen Abgaben und Steuern. © www.citronenrot.at
Die hohe Steuer- und Abgabenquote belastet die österreichischen Unternehmen. Sie wirkt sich leider auch im internationalen Vergleich negativ auf die Standortattraktivität und Wettbewerbsfähigkeit Österreichs aus. Im EU-Vergleich müssen heimische Unternehmen die sechsthöchsten Abgaben leisten – nämlich 43,6 Prozent des BIP im Jahr 2014. “Außerdem müssen Österreichische Betriebe laut der OECD die zweithöchste Steuerbelastung auf Arbeitseinkommen tragen”, erläutert WKO-Expertin Huber.
Diese betrug satte 49,5 Prozent im Jahr 2015. Nur Belgien hat eine höhere Belastung mit 55,3 Prozent. “Gleichzeitig hat Österreich die dritthöchste Sozialbeitragsquote weltweit – nämlich 14,6 Prozent des BIP an SV-Beiträgen im Jahr 2014 und die fünfthöchste Arbeitszusatzkostenbelastung in der EU mit 8,3 Prozent des BIP an den vom Arbeitgeber bezahlten SV-Beiträgen und andere Kosten”, legt Huber die Zahlen auf den Tisch.
In einem Regionalvergleich der Basler Arbeitsgruppe für Konjunkturforschung („BAK Basel“), dem „Taxation Index for Businesses“, der 15 Schweizer Kantone und 23 internationale Städte/Regionen miteinander vergleicht, hat Wien stellvertretend für ganz Österreich die zehnthöchste Steuerbelastung für Unternehmen. Nur Madrid, München, Oslo, Brüssel weisen höhere und Basel, Stockholm, Bern und Luzern niedrigere Steuern auf.
Was Sie tun können: Etablieren Sie als Gegengewicht zu den hohen Abgaben entsprechende Förderungen für Unternehmen. Nicht nur Start-Ups und Neugründer brauchen Unterstützung – oft sind es auch alteingesessene Betriebe, die ihr Geschäft modernisieren wollen/müssen.
8. Wirtschaftsklima
Die Erwartungen zum Wirtschaftsklima verbessern sich, liegen dennoch zum zehnten Mal in Folge im negativen Bereich. “Die allgemeine Stimmung ist damit deutlich negativer als die zukünftigen Geschäftsaussichten der Unternehmen”, sagt WKO-Expertin Claudia Huber, “Da die Erwartungen über der Bewertung der bisherigen Lage sind, zeichnet sich eine langsame, aber stetige Stimmungsaufhellung ab.”
Unsicherheit spiegelt sich in einer Zurückhaltung bei Investitionen wider. “Die Investitionsbereitschaft der Unternehmen stagniert auf geringem Niveau und ist weiterhin im negativen Bereich”, sagt Huber, “Der Fokus liegt auch für die kommenden zwölf Monate auf Ersatzinvestitionen und nicht auf Neuinvestitionen.” So geben nur 37 Prozent der Unternehmen Neuinvestitionen als Hauptmotiv für ihre geplanten Investitionen an. Rund 30 Prozent der Befragten planen für die kommenden zwölf Monate keine Investitionen.
Was Sie tun können: Jede Art der Förderung für die Gründung oder Weiterentwicklung von Unternehmen ist gefragt. Banken und Kreditinstitute sowie alternative Finanzierungsmodelle kommen in schweren Zeiten zum Tragen. Ein gutes Wirtschaftsklima fängt aber schon bei den Rahmenbedingungen an. Die Großzügigkeit in der Gestaltung der Öffnungszeiten in der Gastronomie spiegeln dies markant.
9. Image der Gemeinde/Region
Das Image oder die Reputation eines Landes bzw. eines Standortes beeinflusst die Attraktivität gegenüber ausländischen Investoren. Hier hat unser Land per se gute Karten: Im internationalen Vergleich des „Reputation Institute“ rangiert Österreich auf Platz elf von insgesamt 70 untersuchten Ländern. Beim Städtevergleich liegt Wien sogar auf Platz vier von insgesamt 99 Städten. Nur Sidney, Melbourne und Stockholm liegen vor Österreich.
Was Sie tun können: Imageaufbau ist ein Prozess, der Zeit braucht und über viele Kanäle gestärkt werden kann. Ein aktives Stadtmarketing ist dabei ein Muss.
10. Lebensqualität

Wien, Wien, nur du allein: Die lebenswerteste Stadt der Welt.
In zahlreichen internationale Studien und Vergleichen kann Österreich in punkto Lebensqualität immer wieder Bestnoten einholen. In der weltbekannten Mercer Studie wurde Wien für seine Lebensqualität zum siebenten Mal auf Platz eins von 230 Städten weltweit gereiht. Ausschlaggebend für den Schritt auf das Siegerpotest sind u.a. die hohen Gesundheits- und Umweltstandards, der optimale Zugang zu den Gesundheitsdienstleistungen, eine vorausschauende Umweltpolitik, ein hoher Anteil an erneuerbaren Energieträgern sowie ein starker Fokus auf Umwelttechnologien.
Darüber hinaus holt die hohe Verfügbarkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln, eine hohe Beschäftigungsrate bei geringer Einkommensungleichheit, ein umfangreiches System der sozialen Sicherheit, eine niedrige Kriminalitätsrate, ein reichhaltiges Kulturangebot sowie vielfältige Freizeitangebote entscheidende Pluspunkte ein.
Was Sie tun können: Die Lebensqualität einer Stadt/Gemeinde wird wohl von den vielfältigsten Kriterien bestimmt. Als Fahrplan für die Gestaltung einer lebens- und liebenswerten Stadt laden wir Sie herzlich dazu ein, unseren Leitfaden “Kriterien für lebenswerte Städte” herunterzuladen. Darin finden Sie viele Tipps und Kennzahlen, mit denen Sie Ihre Stadt noch attraktiver machen.
Fazit Kriterien Unternehmensstandort
Wenn Sie die Bedürfnisse der Unternehmer und Investoren kennen, können Sie Maßnahmen setzen, um diese bestmöglich zu erfüllen. Fangen Sie gleich damit an. Eine Stadt/Gemeinde ist dann für Unternehmen als Standort attraktiv, wenn die geografische Lage möglichst zentral ist und die Infrastruktur – insbesondere hinsichtlich Verkehr und Datentransfer – bestmöglich ausgebaut ist.
Auch das Image und die Lebensqualität an sich spielen eine entscheidende Rolle, denn sie sind maßgeblich dafür, ob qualifiziertes Personal mit seinen Familien in dieser Stadt arbeiten und leben will. In diesem Zusammenhang wird der Ruf nach flächendeckender Kinderbetreuung laut, da immer mehr top-ausgebildete Arbeitskräfte weiblich sind. Last but alles andere als least müssen die Zahlen stimmen: Wirtschaftsförderungen und leistbare Flächen sind mitunter ausschlaggebend, ob ein Betrieb sich ansiedeln will oder nicht.