Die Stadt und ihr Naturraum: Vom privaten Balkonkistl zum kommunalen Blühstreifen

08.07.2021
Gesellschaft, Trends

Biodiversität bedeutet Artenvielfalt in Stadt und Land und wird zunehmend zur Überlebensstrategie. Naturnahe Bepflanzungen im privaten und öffentlichen Raum, die Blühstreifen der landwirtschaftlichen Nutzbereiche und entlang der Bahnstrecken und Straßen sowie in den Kommunen leisten jeweils einen großen Beitrag.

Tiroler-Blumenwiese-vor-dem-Tourismusverband-Hall-Wattens

Biodiversität bedeutet Artenvielfalt in Stadt und Land und wird zunehmend zur Überlebensstrategie. Naturnahe Bepflanzungen im privaten und öffentlichen Raum, die Blühstreifen der landwirtschaftlichen Nutzbereiche und entlang der Bahnstrecken und Straßen sowie in den Kommunen leisten jeweils einen großen Beitrag. Viele Initiativen sind best practice, wie wir in den Regionen und Städten mit gezielten Programmen mehr Naturraum – eine vielfältige Fauna und Flora ermöglichen können.

Der Wert urbaner Grünflächen wird sträflich unterschätzt – sie schaffen ein kühleres Klima in den Sommermonaten und sind zugleich Lebensraum für Vögel und Insekten. Wenn alle an einem Strang ziehen, können wieder mehr Pflanzen und Tiere in städtischen Gemeinden angesiedelt werden.

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Gartenparadiese klimafit machen

Die kleinsten Grün-Einheiten sind Balkone, Terrassen sowie private wie gemeinschaftlich genutzte Gärten. Damit diese „Paradiese“ klimafit werden, können die Bürger von Hall in Tirol im Zuge einer in Österreich einzigartigen Aktion kostenlose Beratung durch Experten von „Natur im Garten“ in Anspruch nehmen.

Das Tiroler Bildungsforum betreut seit dreißig Jahren Gemeinden in der Gestaltung des öffentlichen Grünraums und bei den beliebten, landesweiten Blumenschmuckbewertungen. Hier wurde erkannt, dass Gärten ein enormes Potential an Lebensraum bilden und Gartenbesitzer dabei unterstützt werden, naturnahe Grünoasen zu schaffen.

Die Ökologisierung von Gärten und Grünräumen hat das Ziel, ohne chemisch-synthetische Pestizide, Dünger und ohne Torf auszukommen. Es geht darum, den Wasserverbrauch zu senken und Pflanzen individuell für den jeweiligen Garten auszuwählen.

Die Höhe des Rasenschnitts, die Verwendung von Mulch zur Abdeckung der Beete, die Wirkung von Moos und die Verdunstungskälte durch Laubbäume sind beispielsweise konkrete Tipps. Diese Gartenberatungen werden von der Stadtgemeinde Hall subventioniert und sind für alle Bewohner kostenlos zu buchen.

„Gardensharing“ im Klostergarten

Die Kreuzschwestern bieten in ihrer Klosteranlage einen Gemeinschaftsgarten für 41 Familien und die Sonderschule Hall. Jedes Beet ist individuell, die Hobbygärtner werden vom Tiroler Obst- und Gartenbauvereins unterstützt – angebaut und geerntet wird, was Freude macht und schmeckt.

Seit 2015 erfreut sich „Public Gardening“ oder „Gardensharing“ wachsender Beliebtheit und jeder kann auf seinen gut zwanzig Quadratmetern selbst für „G´sundes“ sorgen. Die lernwilligen „Pflegefamilien“ können sich ihr Wissen in der Gartenakademie aneignen. Für die Infrastruktur wie Parkplätze, WC-Anlangen, Gartengeräte und Bewässerung ist gesorgt.

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Artenvielfalt durch kommunale Achtsamkeit

Bis zu 80 Prozent weniger Insekten als noch vor wenigen Jahrzehnten sind für Nahrungsketten und hochkomplexe Symbiosen in der Natur eine wahre Katastrophe. Der Siedlungsraum des Menschen ist schließlich oft letzter Rückzugsort für selten geworden Tier- und Pflanzenarten. Gemeinden können Flächen zur Verfügung stellen und damit zur Erholung der Insektenbestände beitragen.

Ein weiterer Vorteil ist, dass diese grünen Inseln weniger Pflege bedürfen. Wo kann also eine Natur-Blumenwiese entstehen? Jeder kleine Rasenstreifen zwischen Gehweg und Straße, auf der Erweiterungsfläche eines Friedhofes oder Sickermulden, Böschungen, Allee-Zwischenräume…überall ist Platz. Hier kann mit heimischem Blumen-Saatgut bereits nach zwei bis drei Jahren eine schöne Wiese entstehen und Bienen, Hummeln, Käfer und Schmetterlinge kehren zurück.

Das Gelingen hängt von den Bürgern ab, denn diese gekennzeichneten Flächen sollten nicht als Gehweg oder Sportplatz missbraucht werden. Konkrete Anleitungen für Kommunen zu diesen Ideen unter www.naturimgarten.at.

Willi Hofer, Leiter der Stadtgärtnerei Hall in Tirol

Hall in Tirol zieht beispielsweise jährlich in der Stadtgärtnerei 25.000 Sommerblumen, die man für große Blumenbeete, als Dekoration für Feste, Blumenkisten und Großtöpfe für den Straßenschmuck verwendet. Dafür ist die Gemeinde eigenverantwortlich und sorgt durch pflegeintensive Gärtnerarbeit für schöne Plätze, Parkanlagen, Kreisverkehre und Grünflächen.

Durch den Klimawandel der letzten Jahre ist folglich der Arbeitsaufwand beim Gießen stark gestiegen. Also setzt man verstärkt heimische Pflanzen mit ihren tiefen Wurzeln – siehe das Projekt „Tiroler Blumenwiese“. Die bevorzugten Margeriten und Wiesensalbei sind hervorragende Nahrung für Insekten und kommen mit wenig Wasser aus.

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Bruder Baum

Der Baumnavigator ist ein Tool der Homepage www.willbaumhaben.at: Bäume müssen mit schwierigen Standortbedingungen und dem verstärkten Klimawandel zurechtkommen. Insbesondere im Bereich von Straßen ist Robustheit gefragt.

In diesem Tool werden 115 verschiedene Baumarten im Detail dargestellt – von der Standortauswahl, Größe, Bodenbeschaffenheit bis hin zur Pflanz-und Pflegeanleitung. Ob nun Bäume für Gartenbesitzer oder den öffentlichen Raum in Gemeinden, diese Auswahl ist detailliert und konkret erläutert.

Im digitalen Baumkataster von Hall sind 2000 Bäume verzeichnet. Jeder Baum wird von einem Fachmann auf Schäden, Totholz, Faulstellen und abgebrochene Äste kontrolliert. Sollten Bäume wegen etwaiger Schäden gefällt werden, können sie sofort und zielgerichtet nachgepflanzt werden.

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Biodiversität durch Autobahn

Gut ausgebaute Verkehrswege sind notwendig, greifen jedoch massiv in die Lebensräume von Tieren und Pflanzen ein. Die ASFINAG zählt mit rund 53km² Gehölzflächen und zirka 22.000 Bäumen zu den größten Waldbesitzern Österreichs. Ihr eigener Baumkataster und Waldwirtschaftsplan dient als Nachweis der Verkehrssicherungspflicht des Straßenbetreibers.

Er wird als Managementinstrument genutzt, um langfristig Aufbau, Entwicklung und Erhalt eines gesunden, verkehrssicheren und funktionellen Baumbestandes zu garantieren. „Grünquerungen“ nennen sich naturnahe Brücken und Tunnels, die den Wildwechsel fördern und die Vielfalt der umliegenden Grünflächen garantieren. Achtzehn Regionalprojekte werden so geplant, dass bedeutsame Zielarten ihren natürlichen Radius beibehalten können.

Dazu zählen Rothirsche, Rehe, Wildschweine und Gämsen, aber ebenso Reptilien, Käfer und Heuschrecken. Zusätzlich verzichtet man auf den Einsatz von Glyphosat und unerwünschte Pflanzen arbeitet man händisch aus. Mähzyklen sind den Blütenzeiten der Pflanzen angepasst und unterstützen damit ihre natürliche Ausbreitung.

Bienenbehausungen der ÖBB

ÖBB – Schienenbienen

Die ÖBB bezeichnet sich als größtes Klimaschutzunternehmen Österreichs und betreibt seit Jahren Projekte, um diesem Ruf gerecht zu werden. Bahngrünflächen werden als Naturoasen und Rückzugsorte für schützenswerte Tiere und Pflanzen gesehen. „Schienenbienen“ heißt das Zauberwort: Imker Markus Bleich bestückt ausgewählte Flächen mit Bienenbehausungen und kümmert sich um das Wohl der Tiere und die Pflege ihres Lebensraumes.

Diese Bienenoasen sind bereits in Tirol, Salzburg, Niederösterreich und dem Burgenland angesiedelt, das Programm baut man laufend aus. Den produzierten Honig erhält man ab Herbst im ÖBB Webshop und in den Bahnbistros. Zusätzlich serviert man ihn in Nachtzügen zum Frühstück – da schmeckts gleich viel besser.

Bienenpate werden

Wer in Tirol eine Bienenpatenschaft übernehmen möchte, kann dies unter www.gemueselandtirol.at tun. Fünf Gemüsebetriebe haben zehn Hektar Ackerfläche ein Jahr lang ertragsfrei gestellt und eine Wiesenblumenmischung gesät. „Bienenpaten“ können für einen Euro pro Quadratmeter und Jahr ihren Beitrag zum Bienenschutz leisten.

Fazit: Die Stadt und ihr Naturraum

Unsere Zukunft entscheiden wir alle gemeinsam. Jeder Grashalm und jede Blume ist ein Bollwerk gegen den drohenden Klimawandel. Der „Green-Deal“ ist Aufgabe von Städten, Gemeinden und jedem einzelnen Menschen.

Klimabotschafter Arnold Schwarzenegger gibt mit denkwürdigen Worten die Richtung vor: „Wir brauchen keinen Daueralarm in der Klimakrise, sondern müssen Lösungen aufzeigen.“ Die angeführten Beispiele sind vielleicht nur kleine Schritte, können aber in ihrer Gesamtheit zum großen Erfolg führen. 

Gsaller

Michael Gsaller

Michael Gsaller ist seit 25 Jahren Geschäftsführer vom Stadtmarketing Hall in Tirol und seit vielen Jahren im Vorstand des Dachverbandes „Stadtmarketing Austria“. Ein ausgewiesener Experte für belebte und attraktive Orte.
Gsaller war Referent bei der zweiten Ausgabe der Südtiroler Akademie für Orts- und Stadtentwicklung.

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