Hedonistische Nachhaltigkeit: Wie Städte Lust auf Zukunft machen
05.05.2025
Gesellschaft, Trends

05.05.2025
Gesellschaft, Trends
Städte sind die Brennpunkte vieler globaler Herausforderungen: Überhitzung, Emissionen, Ressourcenverbrauch. Doch sie sind auch die Orte, an denen der Wandel am schnellsten und wirksamsten gestaltet werden kann. Wenn wir den Klimawandel aufhalten und gleichzeitig mehr Nachhaltigkeit der Städte und lebenswerte urbane Räume schaffen wollen, müssen wir Stadtentwicklung radikal neu denken.
Nachhaltigkeit ist längst kein sperriges Zukunftsthema mehr – sie kann ein Teil einer neuen urbanen Lebensart sein. Eine Lebensart, die mehr Freude, mehr Gemeinschaft, mehr Lust am Dasein in sich trägt. Statt Verzicht bedeutet dies, dass Klimafitness und Lebensqualität Hand in Hand gehen. Städte, die grün sind, die Begegnungen fördern, die Platz für Erholung und Kreativität schaffen, sind nicht nur nachhaltiger, sondern auch begehrenswerter.
Der Begriff der hedonistischen Nachhaltigkeit stammt aus Kopenhagen, wo Stadtentwicklung und Klimaschutz gemeinsam gedacht werden und dabei gezielt auf Lebensfreude, Erlebnisqualität und soziale Nähe gesetzt wird. Der Architekt Bjarke Ingels prägte die Vision, dass nachhaltige Maßnahmen nicht „Opfer“ fordern, sondern Freude schaffen sollen.
Dieses Denken verändert die Perspektive auf Stadtentwicklung grundlegend: Es geht nicht darum, Verzicht zu managen, sondern darum, Lebensqualität neu zu definieren.
Stadtplaner Jan Gehl hat schon früh gefordert: Städte sollten für Menschen gebaut werden, nicht für Autos. Diese Idee hat sich weiterentwickelt – hin zu einem neuen Verständnis von urbanem Glück. Kopenhagen zeigt, wie Nachhaltigkeit nicht als Last empfunden wird, sondern als Lebensstil, der das städtische Leben bereichert. Radfahren ist dort keine moralische Pflicht, sondern schlicht die bequemste, schönste und logischste Art der Fortbewegung. Jahrzehntelange Investitionen in sichere, durchgängige Radwege – oft auf Kosten des Autoverkehrs – haben das Fahrrad, das Teil der städtischen DNA wurde, zum bevorzugten Verkehrsmittel gemacht. Hier wird Mobilitätswende als gelebte Normalität verstanden, nicht als erzwungene Umstellung.
Wenn Stadtentwicklung Nachhaltigkeit und Lebensfreude miteinander verbindet, entstehen Orte, die Menschen anziehen, die Gemeinschaft stärken und Widerstandskraft gegen Krisen aufbauen. Der Weg zu solchen Städten erfordert Mut: Mut zur Veränderung, Mut zu unpopulären Entscheidungen – und Mut zur Begeisterung für eine bessere Zukunft.
Aber wie können Städte Nachhaltigkeit neu denken und wie kann Stadtmarketing diesen Wandel begleiten? Beispiele aus ganz Europa zeigen, dass Lebensqualität und Klimagerechtes Verhalten keine Gegensätze sind, sondern ein unschlagbares Duo.
Echte Transformation passiert nicht über kosmetische Eingriffe, sondern über die Bereitschaft, die großen, grundlegenden Fragen anzugehen – auch wenn sie auf den ersten Blick unbequem erscheinen. Nachhaltige Stadtentwicklung bedeutet, tief in bestehende Strukturen einzugreifen und neue Prioritäten zu setzen:
Unser größter Schatz auf dem Weg zu einer nachhaltigen Stadt ist der Bestand. Gebäude zu erhalten und intelligent nachzuverdichten ist deutlich ressourcenschonender als Neubau. Städte müssen weg von der Idee der permanenten Expansion. Neue Quartiere sollten nicht auf der grünen Wiese entstehen, sondern es gilt bestehende Strukturen zu ergänzen und zu beleben.
Der Platzverbrauch durch Autos – insbesondere Parkflächen – ist einer der größten Raumfresser in unseren Städten. Gleichzeitig laden breite Straßen und großzügige Parkmöglichkeiten unbewusst dazu ein, weiterhin auf das Auto zu setzen. Stadtentwicklung muss hier umdenken: Mehr Raum für Fußgänger:innen, Radfahrer:innen, Grünflächen und gemeinschaftliche Aufenthaltsräume.
Eine Stadt der kurzen Wege ist eine Stadt der hohen Lebensqualität. Wenn Arbeit, Einkauf, Bildung und Freizeit innerhalb kurzer Distanzen erreichbar sind, sinkt nicht nur der Verkehr, sondern es entstehen auch lebendige, diverse Quartiere. Verdichtung im positiven Sinne schafft Urbanität ohne Zersiedelung.
Nachhaltige Stadtentwicklung umfasst nicht nur Wohnen, Mobilität oder Energie – auch Ernährungssicherheit wird immer mehr zu einem zentralen urbanen Thema. Regionale Lebensmittelproduktion, kurze Transportwege und die Förderung urbaner Landwirtschaft stärken nicht nur den Klimaschutz, sondern auch die Resilienz einer Stadt in Krisenzeiten.
Ein innovatives Beispiel dafür ist der „Wiener Ernährungsrat“. Er wurde 2017 gegründet, um eine nachhaltige und sozial gerechte Ernährungspolitik in Wien zu fördern. Der Ernährungsrat vernetzt Akteur:innen aus Landwirtschaft, Gastronomie, Stadtplanung, Wissenschaft und Zivilgesellschaft.
Ziel ist es, lokale Initiativen wie Urban Gardening, solidarische Landwirtschaft oder Ernährungsbildung zu unterstützen und die Stadtpolitik bei der Gestaltung eines resilienten Ernährungssystems zu beraten. Der Wiener Ernährungsrat zeigt, dass Ernährung weit mehr ist als individuelle Konsumentscheidung: Sie ist ein Teil der städtischen Infrastruktur – und ein Hebel für soziale Gerechtigkeit, Gesundheit und Klimaschutz zugleich.
Viele Städte und Regionen beweisen bereits, dass nachhaltige Stadtentwicklung mit Lebensfreude und Lebensqualität Hand in Hand gehen kann. Sie setzen Zeichen für eine urbane Zukunft, die grüner, sozialer und resilienter ist.
In Tulln wurde aus 8.000 m² Asphalt der neue Nibelungenplatz – ein Ort mit hoher Aufenthaltsqualität, Biodiversität und Regenwassermanagement. Durch Co-Design-Workshops waren Bürger:innen von Anfang an in die Planung eingebunden. Das Stadtmarketing begleitete die Transformation kreativ, etwa durch Pop-up-Picknicks und Parkfeste, die das neue Areal sofort erlebbar machten.
100 zufällig ausgewählte Menschen aus ganz Österreich entwickelten über mehrere Monate 93 Empfehlungen für den Klimaschutz. Darunter: Vorschläge für nachhaltige Flächennutzung, den Abbau klimaschädlicher Subventionen oder die Förderung von Solarpaneelen über Parkplätzen. Ein starkes Beispiel für partizipative Prozesse, die nicht auf Expertenwissen, sondern auf Bürger:innenintelligenz setzen.
In Barcelona wurden ganze Quartiere zu „Superilles“ erklärt: Der Durchgangsverkehr wird ausgeschlossen, der öffentliche Raum begrünt und für Fußgänger:innen sowie nachbarschaftliche Aktivitäten geöffnet. In Beteiligungsprozessen können Bewohner:innen mitbestimmen, wie ihre neuen Stadtteile gestaltet werden sollen.
In der „Ville du quart d’heure“ sollen Arbeit, Bildung, Einkauf und Erholung binnen 15 Minuten erreichbar sein – zu Fuß oder mit dem Rad. Das Ziel: weniger Autoverkehr, stärkere lokale Strukturen, mehr Lebensqualität. Schulen, Parks und Kulturräume werden zu Zentren der Nachbarschaft. Ein Ansatz, der das urbane Leben verdichtet, bereichert und nachhaltiger macht.
In Amsterdam können Bewohner:innen über das „Buurtbudget“ mitbestimmen, wofür öffentliche Gelder in ihrem Viertel verwendet werden. Viele der eingereichten Projekte zielen auf mehr Grünflächen, Gründächer oder die Umwandlung von Parkplätzen in Lebensraum. Das fördert nicht nur ökologische Nachhaltigkeit, sondern auch das soziale Miteinander.
Im ehemaligen Industriehafen im Nordosten von Kopenhagen entsteht mit Nordhavn eines der ambitioniertesten Stadtentwicklungsprojekte Europas. Auf einer Fläche von mehr als 200 Hektar werden hier Wohn- und Arbeitsräume für jeweils 40.000 Menschen geschaffen – alles im Zeichen von Nachhaltigkeit, Lebensqualität und hedonistischer Urbanität.
Auch Nordhavn folgt konsequent dem Konzept der „Stadt der kurzen Wege“: Alle wichtigen Funktionen des Alltags – Wohnen, Arbeiten, Freizeit, Versorgung – sollen innerhalb von fünf Gehminuten erreichbar sein. Das Viertel wird mit innovativer Infrastruktur ausgestattet, darunter ein intelligentes Energiesystem, entwickelt im Rahmen des „EnergyLab Nordhavn“: Hier werden neue Lösungen für eine CO₂-arme Energieversorgung, Elektromobilität und smarte Gebäude getestet.
Der öffentliche Raum wird großzügig begrünt, alte Hafenstrukturen werden kreativ integriert und für die Gemeinschaft nutzbar gemacht. Über die neue Metro-Linie M4 ist Nordhavn direkt mit der Innenstadt von Kopenhagen verbunden. So entsteht eine Stadt der Zukunft, die Klimaneutralität, hohe Aufenthaltsqualität und wirtschaftliche Attraktivität miteinander verbindet – ein Paradebeispiel für hedonistische Nachhaltigkeit auf Quartiersebene.
Eine Stadt, die den Anspruch einer nachhaltigen Zukunft sehr ernst nimmt, ist Leonding in Oberösterreich. Mit rund 30.000 Einwohner:innen gehört sie zu den Kleinstädten – und zeigt dennoch, wie große Schritte möglich sind. Leonding ist eine von 48 Städten in Österreich, die an der EU-weiten Mission „Klimaneutrale Stadt“ teilnehmen. Das Ziel: Klimaneutralität bis 2040 erreichen.
Gefördert vom österreichischen Klimaschutzministerium und dem Klima- und Energiefonds verfolgt die Mission einen innovativen Ansatz: Forschung und lokale Projekte sollen Hand in Hand gehen, Städte sollen als Reallabore für nachhaltige Zukunftsmodelle fungieren. In Leonding wird dieser Ansatz auf besonders praxisnahe Weise umgesetzt – mit den sogenannten „Klimaneutralitätsfahrplänen“.
Die Idee dahinter: Nicht vage Zukunftsziele formulieren, sondern konkrete Schritte definieren. Für bestimmte Stadtgebiete, Unternehmen oder öffentliche Einrichtungen werden individuelle Fahrpläne entwickelt, um deren CO₂-Emissionen systematisch zu reduzieren. Dabei geht es um konkrete Maßnahmenpakete: Gebäudesanierungen, Mobilitätskonzepte, Energieeinsparungen und vieles mehr.
Ein erfolgreicher Wandel hin zu hedonistischer Nachhaltigkeit braucht starke Geschichten: Geschichten von Menschen, die ihr Leben klimafreundlicher gestalten und dadurch gleichzeitig mehr Lebensqualität gewinnen. Geschichten von Städten, die bunter, grüner, sicherer und lebendiger werden, weil sie Emissionen reduzieren und gleichzeitig Raum für Begegnung und Erholung schaffen.
Das Stadtmarketing setzt hier gezielt auf die richtige Kommunikation: Es wird nicht nur das erzählt, was geplant ist – es zeigt, wie sich neue Räume anfühlen, wie Nachbarschaften neu entstehen und wie Zukunft aussehen kann.
Die Rolle des Stadtmarketings beschränkt sich längst nicht mehr nur auf klassische Kommunikation oder Storytelling. Gerade in Zeiten tiefgreifender Transformation können Stadtmarketing-Organisationen eine entscheidende Rolle übernehmen:
Stadtmarketing kann Formate entwickeln, die Menschen einbinden und zur aktiven Mitgestaltung motivieren: Bürger:innenbeteiligung, Co-Creation-Workshops, Grätzl-Spaziergänge, Ideenplattformen oder temporäre Stadtlabore. Diese Formate machen Veränderung greifbar – und erhöhen die Akzeptanz nachhaltiger Maßnahmen.#
Als interdisziplinäre Akteur:innen bringt das Stadtmarketing wertvolle Perspektiven in Stadtentwicklungsprozesse ein. Wir denken über die klassischen Planungsgrenzen hinaus, verknüpfen wirtschaftliche, soziale, kulturelle und ökologische Aspekte und schlagen Brücken zwischen Verwaltung, Unternehmen, Institutionen und Zivilgesellschaft.
Stadtmarketing versteht die komplexen Anforderungen moderner Quartiere: Nutzungsmischung, Aufenthaltsqualität, soziale Integration, Mobilitätskonzepte, lokale Wirtschaftsförderung. Wir können Entwicklungsprozesse nicht nur kommunikativ begleiten, sondern aktiv mitgestalten und wertvolle Impulse für die inhaltliche Ausrichtung geben.
Unsere Aufgabe ist es, Zukunft mitzugestalten – nicht nur Bestehendes zu verwalten. Im Stadtmarketing fließen Trends, gesellschaftliche Entwicklungen, Innovationen und langfristige Visionen in die tägliche Arbeit ein. Wir sind es gewohnt, zukunftsgerichtet zu denken, zu vernetzen und neue Perspektiven in strategische Überlegungen einzubringen.
Manchmal kann Zukunft auch vorweggenommen werden. Temporäre Interventionen, also kleine Bauwerke auf Zeit, geben Quartieren eine neue Atmosphäre und erzeugen damit Sehnsucht nach dem, was entstehen will. Stadtmarketing kann in solchen Prozessen vermitteln und so mögliche Zukünfte einleiten.
Städte wie Leonding, Tulln, Wien, Paris, Amsterdam oder Kopenhagen zeigen:
Ob Kleinstadt oder Millionenmetropole – überall kann Pionierarbeit für mehr Nachhaltigkeit in Städten geleistet werden. Was es dazu braucht, ist nicht nur Technologie oder Fördermittel. Es braucht vor allem eine Haltung:
Die beste Nachhaltigkeit ist jene, die das Leben schöner macht – weil sie Lust auf Veränderung weckt, anstatt Angst vor Verlust zu schüren.
Die Städte der Zukunft werden nicht die höchsten Shoppingcenter oder die breitesten Straßen bieten. Sie werden die besten Begegnungsorte schaffen. Sie werden keine Tiefgaragenrabatte versprechen, sondern Schattenplätze, Stadtgärten, sichere Radwege und vielfältige Nachbarschaften.
Und wir Stadtmarketing-Expert:innen?
Wir sind die Erzähler:innen dieses Wandels.
Wir übersetzen Visionen in erlebbare Bilder.
Wir schaffen die Geschichten, die Menschen bewegen.
Damit aus Strategiepapieren und Klimazielen echte Lebensräume entstehen – voller Lust, voller Leben, voller Zukunft.
Warum sich bereits mehr als achtzig Standorte in Österreich als Mitglieder beim Dachverband Stadtmarketing Austria austauschen?
Weil wir gezeigt haben, dass „Miteinander“ mehr bringt. Im Miteinander machen Sie für Ihren Standort das Mögliche zum Machbaren. Wir unterstützen Sie dabei mit Know-how, das sich in der Praxis bewährt hat, mit Weiterbildung, die neue Perspektiven eröffnet sowie mit Erfahrungsaustausch, der Sie in Ihrer Rolle stärkt.
Formen Sie aktiv die Zukunft des Stadtmarketings!
Werden Sie Teil unserer dynamischen Gemeinschaft und nutzen Sie unsere vielfältigen Angebote zur fachlichen Weiterentwicklung und Einflussnahme.