Die Seele der Stadt – Murals als Puls der urbanen Landschaft

04.04.2024
Allgemein, Kultur, Trends

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Stellen Sie sich vor, die Wände unserer Städte würden sprechen. Jede Kurve, jede Farbe, jedes Bild erzählt eine Geschichte, die tiefer geht als der bloße Beton. Murals sind nicht nur Kunst; sie sind die Seele einer Stadt, die in bunten Pinselstrichen atmet und lebt. Wenn ich durch einen Stadtteil mit Murals gehe, dann sehe ich eine Welt, in der die Fassade zu einer Leinwand wird. Auf der die Geschichten, Träume und Hoffnungen einer Stadt zum Leben erwachen.

Diese Kunstwerke sind die unsichtbaren Fäden, die das Herz der Stadt mit dem ihrer BewohnerInnen verbinden. Die KünstlerInnen, die mit ihren Murals die Stimmung der Zeit einfangen, laden ein zum Dialog zwischen Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft.

 

Was sind Murals?

Murals sind Wandmalereien, die im öffentlichen Raum in den letzten 20 Jahren enorm an Bedeutung zugelegt haben. Die städtischen Stakeholder haben realisiert, dass Murals das Stadtbild von kleinen bis großen Städten weltweit transformieren. Sie haben die Fähigkeit, Gemeinschaftsgefühl zu stärken, und zu Diskussionen und Interaktionen innerhalb der städtischen Gemeinschaften anregen.

 

Murals sind großflächige Gemälde, Kunstwerke oder andere Formen künstlerischen Ausdrucks, die direkt auf Wänden, Decken oder anderen Oberflächen angebracht werden. Wir finden sie im Innen- oder Außenbereich von Gebäuden. Sie dienen als Plattform für gesellschaftspolitische Botschaften, soziale Kommentare oder zur Verschönerung von öffentlichen Räumen.

Mural in Kanada
Mural in Kanada – (c) Daniela Krautsack

 

Welche Merkmale definieren Murals?

  1. Größe und Skalierung: Murals sind typischerweise großformatig. Sie können die gesamte Höhe und Breite einer Wand einnehmen, wodurch sie im öffentlichen Raum bereits auf größere Distanzen sichtbar werden.
  2. Öffentliche Zugänglichkeit: Im Gegensatz zu Kunstwerken in Museen oder Galerien sind Murals oft öffentlich zugänglich und kostenlos zu betrachten. Das macht sie zu einem integralen Bestandteil des städtischen Raums.
  3. Vielfalt der Stile und Themen: Murals umfassen eine breite Palette von Stilen, von realistischen Darstellungen bis hin zu abstrakten Kunstwerken. Die Themen können kulturelle, historische, politische oder persönliche Aspekte abdecken und dienen oft als Mittel, um soziale Botschaften zu kommunizieren oder kulturelle Identitäten zu feiern.
  4. Integration in die Umgebung: Murals sind speziell für den Raum konzipiert, in dem sie sich befinden. Sie interagieren mit der architektonischen Gestaltung und dem sozialen Kontext des Standorts.
  5. Verschiedene Techniken und Materialien: Die Erstellung von Murals kann verschiedene Techniken wie Malerei, Spraypainting, Stencils, Mosaik und digitale Projektionen umfassen. Künstler verwenden oft langlebige Materialien, um die Wetterbeständigkeit und Haltbarkeit des Kunstwerks im Außenbereich zu gewährleisten.

 

Murals im Wandel der Zeit

Seit Jahrtausenden dienen Murals Menschen als Ausdrucksmittel ihrer Gefühle und Meinungen. Eigentlich sprechen wir hier vom ältesten Medienkanal der Geschichte. Die Historie der Murals spiegelt die sich wandelnden kulturellen, sozialen und politischen Kontexte der Gesellschaften wider, in denen sie entstanden sind.

 

Von Höhlenmalereien…

Die ältesten bekannten Beispiele sind die prähistorischen Höhlenmalereien. Zum Beispiel die in der Höhle von Lascaux in Frankreich, die etwa 17.000 Jahre alt sind. Oder die Höhlenmalereien in Altamira in Spanien. Diese frühen Kunstwerke demonstrieren die menschliche Neigung, Geschichten zu erzählen und wichtige Aspekte des täglichen Lebens, spirituelle Überzeugungen und symbolische Darstellungen der Welt um sie herum zu dokumentieren.

Im Laufe der Geschichte haben viele Kulturen Wandmalereien als wichtiges Kommunikationsmittel genutzt. In Ägypten zierten Wandmalereien die Wände von Tempeln und Grabstätten, die oft Szenen des täglichen Lebens sowie religiöse und mythische Darstellungen zeigten. Die alten Griechen und Römer malten ebenfalls Wände ihrer öffentlichen Gebäude und Häuser, um politische Ereignisse, kulturelle Szenen und mythologische Geschichten darzustellen.

 

… zur modernen Form der Wandgemälde-Kunst

In späteren Perioden, wie im Mittelalter, der Renaissance und darüber hinaus, blieben Murals eine beliebte Form der künstlerischen und politischen Ausdrucksform. Sie wurden in Kirchen, öffentlichen Plätzen, Palästen und später in der modernen Zeit auch in städtischen Umgebungen als Teil der Street-Art-Bewegung verwendet.

Die moderne Street-Art und Graffiti-Bewegung, die in den 1960er und 1970er Jahren in den USA begann, hat die Tradition der Wandmalerei weitergeführt und erneuert, indem sie sie zu einem Instrument sozialen und politischen Kommentars machte.

Heute sind Murals weltweit verbreitet. Sie dienen als Mittel zur Verschönerung öffentlicher Räume, zur Förderung des Gemeinschaftsgefühls und als Plattform für sozialen und politischen Diskurs.

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Murals lesen und verstehen

“I am the BBC of the underground”, erklärte mein alter Freund Steven van der Kruit seine Tätigkeit, die den holländischen Trendforscher jahrzehntelang durch 20 Metropolen im Jahr führte. Steven las die Wände der Stadt, um daraus Trends für ein Schweizer Parfümimperium zu destillieren. Er las die Botschaften auf Hinterhof-Mauern. Die Sticker auf Straßenlaternen. Kritzeleien, mit denen Plakatwände überschrieben waren. Er hat mir beigebracht, zwischen den Zeilen zu lesen, wenn man diese Mini-Codes betrachtet. Mit ihm bin ich durch London, Berlin und Wien gezogen und habe Wörter analysiert, Street Art Designs fotografiert und in Steven’s Software Programm geladen, das sofort Farb- und Formencluster erkannte. Und dann haben wir über mögliche Strömungen diskutiert.

 

Die Mural Szene in Österreich

So lernte ich auch viele Mural Artists rund um den Globus kennen. Ich habe mit Künstlerinnen und Künstlern gesprochen, sie nach ihren Inspirationen gefragt, ihren Auftragsarbeiten und Sorgen. Ich interviewe auch immer wieder Stakeholder, die ihre Hausfassade verschönern wollen, interagiere mit Stadtverantwortlichen, die Murals zulassen und solchen, die sogar Wände für KünstlerInnen bereitstellen.

 

Österreich hat eine lebendige Street-Art-Szene, die von einheimischen und internationalen Künstlern geprägt ist. Ich arbeite seit einiger Zeit mit der chilenischen Künstlerin Agostina Suazo zusammen, die aus Santiago de Chile stammt. Agostina kam der Liebe wegen vor 10 Jahren nach Österreich und ließ sich im 1.437 Einwohner zählenden Dorf Kohfidisch nieder. Dort lebt und arbeitet sie im Schloß Kohfidisch. Als klassisch ausgebildete Künstlerin malt sie auf Leinwänden, hat aber vor einigen Jahren die Liebe zur großflächigen Fassadenmalerei entdeckt.

 

Agostina Suazo vor ihrem Atelier im Schloß Kohfidisch
Mural Artist Agostina Suazo – (c) Agostina Suazo

 

Im Interview mit den Machern

Im Interview erzählt mir Agostina über ihre Erfahrungen. Sie hat dazu auch einen Künstler-Freund eingeladen, den bekannten chilenischen Mural Artist Felipe Henríquez aus Santiago.

 

Beobachtet Ihr die Reaktionen der BewohnerInnen auf Eure Murals?

Agostina Suazo: „Meine Arbeit als Mural Artist hat zwei Schwerpunkte: Ich spezialisiere mich einerseits auf das Schaffen von lebendigen, frauenzentrierten Illustrationen auf großflächigen Wandbildern.“

Mural Art Design Agostina Suazo
Murals mit Frauen und ihrer Rollen im Fokus – (c) Agostina Suazo

 

Agostina fährt fort: „Und anderseits fokussiere ich auf nicht figurative Designs. Ich wurde in der Vergangenheit auch oft für realistische Darstellungen von Alltagsszenen beauftragt, vor allem im ländlichen Bereich sind diese auf Hausfassaden beliebt.“

Mural Artist Agostina Suazo - Beispiele ihres Schaffens
Quelle: Agostina Suazo https://www.instagram.com/agostinasuazo/ (c) Agostina Suazo

 

Agostina Suazo als Landschafts- und Dorfszenenmalerin - Fotos Agostina Suazo
Agostina Suazo als Landschafts- und Dorfszenenmalerin – (c) Agostina Suazo

 

Bei diesen beiden Herangehensweisen an meine Arbeit erhalte ich sehr unterschiedliche Reaktionen. Bei der ersten sagt mir der Auftraggeber, dass die Anzahl der Besucher steigt. Dass sie mit dem Gemälde interagieren, indem sie sich davor darstellen und lange draufschauen. Auf der anderen Seite erhalte ich oft eine direkte überwältigende Reaktion. Mit meinen figurativen Designs wecke ich bei den Menschen alte Erinnerungen – ich habe Wandbilder gemalt, auf denen ich eine Familiengeschichte, die 100 Jahre überspannte,  dargestellt habe. Die Reaktionen sind immer sehr herzlich; alle wollen dann ‚ihre‘ Erinnerungen mit mir teilen. Dadurch kommen die Leute ins Gespräch und das gefällt mir.“

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„Manchmal wenden sich Kommunen der Kunst zu, um Stadtteile zu revitalisieren, die als weniger attraktiv angesehen werden. Wurdet Ihr von solchen Organisationen schon mal beauftragt?“

Agostina: „Ja, ich habe einige Wände von Vereinslokalen in Dörfern und Kleinstädten bemalt, auch Gemeinschaftsräume, Bushaltestellen oder Feuerwehrhäuser, die einladender aussehen sollten. Auch Schulen und Kindergärten haben mich beauftragt, vor allem den Kindern durch meine Wandmalereien Freude zu bereiten. Ich zähle auch Immobilienfirmen zu meinen Auftraggebern, die letzte große hat mich beauftragt, das alte Jugendstilrelief eines mehrstöckigen Gebäudes in Wien wie anno dazumal zu bemalen. Auch Besitzer von Luxuswohnungen haben mich beauftragt, die Nachbarwand zu bemalen, um damit auf ihrer Terrasse eine grüne, natürliche Atmosphäre zu schaffen. Das war ein Ort mitten in der Stadt, umgeben von Betonwänden. Nachher saßen die Leute im Grünen – optisch.“

Felipe AKA Henruz antwortet: „Für mich gilt, dass ich mich nicht gerne an Projekten beteilige, die die Gentrifizierung von Gebieten durch Kunst im öffentlichen Raum fördern. Aber ich habe an Projekten des taktischen Urbanismus mitgewirkt, die zur Aktivierung verfallener und stillgelegter Flächen beitrugen, wie etwa die Schaffung von Plätzen aus dem Nichts, die den Handel einbeziehen und zu Treffpunkten werden. Oder es handelt sich um Projekte, wie das Museo a Cielo Abierto de San Miguel in Chile, ein revitalisierter Ort, der heute ein Touristenmagnet für diejenigen ist, die sich für Street Art interessieren.“

 

Viele Stadtplaner suchen nach Instagram-tauglichen Orten, um den Tourismus und das Engagement potentieller Gäste zu fördern. Habt Ihr soziale Medien und digitales Teilen Eurer Werke im Blick?

Agostina: „Ich arbeite nicht an einem Wandbild basierend auf Guidelines, die soziale Medien diktieren. Wenn ich ein Wandbild gestalte, ist es für mich viel wichtiger, dass die Wand zur Umgebung passt, in der sie platziert wird. Ich versuche, so respektvoll wie möglich zu sein, um keine visuelle Unordnung oder Kontamination im Raum zu schaffen. Ich glaube, wenn ein Wandbild nahtlos in seine Umgebung integriert ist, neigen die Menschen ganz natürlich dazu, es auf Instagram zu teilen.

Felipe: „Ich denke hier wie es der mexikanische Muralist David Alfaro Siqueiros in seinem Buch „Wie man ein Mural malt“ beschreibt, der bereits in den 1950er Jahren vorschlug, sich vor dem Malen an den Ort zu stellen, von dem aus die meisten Menschen das Foto der Wand machen werden, und das Design in Bezug auf diese fotografische Erinnerung zu gestalten, damit das Werk immer gut aussieht. Es ist eine Tatsache, dass sich die Zeiten geändert haben und diese Erinnerung heute, mit der Geschwindigkeit der sozialen Netzwerke, nur noch ein Augenblick ist. Wenn jemand diesen Augenblick mit meiner Arbeit haben möchte, dann dafür, dass jedes Foto gut aussieht.“

 

Wie wichtig ist die Freiheit des Künstlers, den Inhalt des Designs zu bestimmen?

Agostina: „Grundlegend! Kreative Freiheit ist der Traum jedes Künstlers. Aber normalerweise kennen die Leute meine Arbeit, bevor sie mich beauftragen und wissen, was ich gut kann. Das bedeutet, dass sie mir normalerweise eine sehr vage Idee geben – manchmal erhalte ich auch sehr spezifische Briefings – und dann kommt der Vertrauensprozess. Inwieweit kann ich meinen Stil einbringen und vertrauen sie darauf, das zu bekommen, was sie sich erwarten. Ich würde aber sagen, dass ich innerhalb der vorgegebenen Anforderungen meiner Auftraggeber ausreichend Freiheiten habe, mit meinen eigenen Kreationen und Ideen zu spielen. Bekomme ich völlige Freiheit, das zu tun, was ich möchte, ist das ein grandioses Gefühl.

Felipe: „Ich würde hinzufügen, dass die Möglichkeit für den zum Projekt eingeladenen Künstler wichtig ist, sich einige Tage mit der Umgebung und den Bewohnern, die das Werk empfangen werden, zu vernetzen. Das Design und die Ausführung des Projekts müssen sich des lokalen und territorialen Einflusses bewusst sein. Mir ist es passiert, an stark geleiteten Projekten teilzunehmen, wo die Anweisung lautete, dass ich abstrakte Murals mit dieser und jener Farbpalette machen soll, was überhaupt nicht in die Umgebung passte. „Wer zahlt, schafft an“, ist zwar die gängige Meinung rund um den Erdball, meine Empfehlung ist das aber nicht.“

 

Öffentliche Kunst kann oft ein Werkzeug für Bildung und Bewusstseinsbildung über lokale Geschichte oder Umweltfragen sein. Können Ihr Beispiele dafür geben, wie Eure Wandbilder einen Bildungszweck erfüllt haben? Wie wichtig ist es, politische Aussagen in Murals zu platzieren?

Agostina: „Es gab eine kleine Stadt in der Nähe meines Studios, die mich schon öfter beauftragt haben, Wände zu gestalten. Sie wollten stets eine typische Alltagsszene aus der Vergangenheit wieder aufleben lassen. Beim letzten Auftrag ging es im konkreten um ein Gebäude, das früher das Milchhaus des Ortes war. Die Verantwortlichen dieser Community wollten diese spezifische Erinnerung für die junge Generation mithilfe von alten Bildern übermitteln, die sie gemeinsam mit allen Nachbarn eruiert haben. Ich fand das sehr berührend.

Was politische Statements angeht: Wenn ich mit völliger Freiheit arbeiten kann, gibt es in meinen Werken eine gesellschaftspolitische Aussage. Kunst selbst ist bereits eine politische Aussage. Aber wenn es darum geht, das Bewusstsein für ein spezifisches Thema zu schärfen, sind es bei mir Themen rund um die Rolle der Frau.“

 

Sicherheit und Instandhaltung sind häufige Anliegen von Stadtplanern, wenn es um Kunst im öffentlichen Raum geht. Welche Maßnahmen ergreift Ihr, um die Langlebigkeit Eurer Murals zu gewährleisten und den Wartungsbedarf zu minimieren? Seht Ihr Murals als ‚temporäre‘ Kunstwerke oder bedarf es überhaupt einer Diskussion über die Langlebigkeit?

Agostina: „Es gibt Möglichkeiten, ein Gemälde vor Verblassen oder Vandalismus zu schützen. Bestimmte Lacke können auf die Oberfläche aufgetragen werden, um die lebendigen Farben länger zu erhalten, oder Anti-Tag-Beschichtungen, um leicht reinigen zu können, wenn jemand auf die Wand malt. Die Langlebigkeit eines Gemäldes hängt von verschiedenen Faktoren ab. Bestimmte Kunstwerke erfordern Erhaltungsmaßnahmen, insbesondere solche mit bedeutender ästhetischer Bedeutung.

Felipe: „Ich glaube, dass urbane Kunst von Natur aus vergänglich ist. Persönlich versuche ich, Versiegelungen gegen UV-Strahlung zu nutzen oder klimatische Faktoren, die das Werk verschlechtern könnten, zu minimieren.“

 

Kunst kann eine entscheidende Rolle im Placemaking spielen. Wie arbeitet Ihr mit StadtplanerInnen zusammen, um Eure Murals in die breitere Vision für städtische Räume zu integrieren und sicherzustellen, dass sie positiv zur Identität eines Ortes beitragen?

Agostina: „Ich arbeite Seite an Seite mit ihnen. Mein Schlüssel zum Erfolg ist es, mich in die Lage meiner Auftraggeber zu versetzen. Ihre Ambitionen zu fühlen und zu verstehen. Sobald man das tut, kann das Ergebnis nicht schiefgehen. Wenn man einen Ort einladender oder schöner machen will, oder wenn das Ziel ist, dass sich die Menschen mit einem Ort identifizieren und integrieren, muss man wirklich fühlen und verstehen, was die Hauptziele jedes Kunden sind. Indem ich mich wirklich mit den Bestrebungen meiner Kunden identifiziere, stelle ich sicher, dass jeder Pinselstrich mit ihrer Vision in Einklang steht und so eine harmonische und wirkungsvolle Verwandlung des Raumes bewirkt.

 

Interview mit den Auftraggebern

Bei meinen regelmäßigen Besuchen in Düsseldorf in den letzten Jahren sind mir immer mehr Standorte mit Murals aufgefallen. In einem Interview mit dem Büro des Oberbürgermeisters von Düsseldorf, Dr. Stephan Keller, höre ich, dass sich Düsseldorf in den letzten Jahren zu einem bedeutenden Zentrum für Mural Art und Street Art in Deutschland entwickelt hat.

Folgende Faktoren werden mir genannt, warum die Stadt für ihre Wandmalereien bekannt ist:

  1. Unterstützung durch die Stadt: Die Stadtverwaltung von Düsseldorf hat erkannt, wie wertvoll Kunst im öffentlichen Raum für das Stadtbild und die Lebensqualität ihrer Bürger ist. Es gibt Initiativen und Programme, die Künstlern Flächen zur Verfügung stellen, um ihre Werke legal zu präsentieren. Diese Unterstützung fördert nicht nur lokale Künstler, sondern zieht auch internationale Talente an.
  2. Vielfältige Kunstszene: Düsseldorf hat eine lebendige Kunstszene mit zahlreichen Galerien, Museen und Kunstakademien, was eine kreative Atmosphäre schafft, die sich auch in der Mural Art widerspiegelt. Die Stadt ist bekannt für ihre Avantgarde-Tradition und fördert eine Kultur der Innovation und des künstlerischen Ausdrucks.
  3. Kunstprojekte und Festivals: Regelmäßig stattfindende Kunstprojekte und Festivals, wie das „40° Urban Art Festival“, haben dazu beigetragen, die Mural Art in Düsseldorf zu fördern. Solche Veranstaltungen bieten Künstlern eine Plattform, um ihre Werke einem breiten Publikum vorzustellen, und verstärken das Interesse und die Wertschätzung für Straßenkunst in der Bevölkerung.
  4. Internationale Künstler: Durch die Einladung international bekannter Mural-Künstler hat Düsseldorf einige beeindruckende und weltweit anerkannte Werke im öffentlichen Raum hinzugewonnen. Diese Werke ziehen Touristen an und erhöhen das internationale Ansehen der Stadt als Zentrum für zeitgenössische Kunst.
  5. Urban Art Walks und Touren: Die zunehmende Anzahl von Urban Art Walks und geführten Touren zu den Murals in Düsseldorf trägt ebenfalls zur Bekanntheit der Stadt in diesem Bereich bei. Diese Touren bieten Einheimischen und Besuchern die Möglichkeit, die Vielfalt und Geschichte hinter den Wandgemälden zu entdecken.
  6. Engagement der Gemeinschaft: Es gibt eine starke Gemeinschaft von Street-Art-Enthusiasten und -Förderern in Düsseldorf, die sich für die Erhaltung und Erweiterung der urbanen Kunstlandschaft einsetzen. Dieses Engagement sorgt für eine kontinuierliche Erneuerung und Erweiterung der Mural Art in der Stadt.

Positiver Einfluss von Murals auf Tourismus

Ich frage Jannika Hansen, Senior PR Managerin Content & Communications der Düsseldorf Tourismus GmbH: „Wie beurteilen Sie die Auswirkungen der Murals auf den Tourismus in Düsseldorf? Haben Sie eine Zunahme von Touristen festgestellt, die speziell wegen der Straßenkunstszene Düsseldorfs kommen?

Jannika Hansen: „Der Einfluss von Urban Art auf die Anzahl der Touristenankünfte und Übernachtungen in Düsseldorf ist bislang nicht statistisch belegt. Allerdings deuten mehrere Faktoren darauf hin, dass die Wandmalereien einen positiven Einfluss auf den Tourismus in Düsseldorf haben:

 

  • Ergänzung des touristischen Angebots: Urban Art ergänzt das touristische Angebot Düsseldorfs im Bereich Kunst um eine weitere Facette und zeigt, dass Düsseldorf sowohl Kunstsammlungen mit internationaler Strahlkraft als auch Wandbilder von international bekannten Künstler*innen zu bieten hat.
  • Faszination für Gäste: Urban Art übt eine große Faszination auf Gäste der Stadt aus. Dabei sind sozio-demografische Merkmale nicht entscheidend. Vielmehr geht es um das Vorhandensein einer positiven Einstellung zu Kunst im öffentlichen Raum.
  • Nachfrage nach Informationen: Bestimmte Murals, die Besucher*innen beispielsweise bei Instagram angezeigt bekommen, werden u.a. in der Tourist-Information nachgefragt. Das zeigt, dass auch Murals auch ein beliebtes Ziel für Tourist*innen sein können.
  • Touristische Angebote: Um das Thema touristisch erlebbar zu machen, bietet Visit Düsseldorf gemeinsam mit dem Urban Art-Galleristen Klaus Rosskothen den „Urban Art Walk“ und den „Urban Art Ride“ an. Dass Urban Art als Besuchermagnet funktionieren kann, zeigte zuletzt auch der Erfolg der Ausstellung „Wonderwalls. Art & Toys“ im NRW-Forum Düsseldorf.

 

Visit Düsseldorf hat das Thema Urban Art für Endkund*innen sowie für die Branche mit verschiedenen Maßnahmen aufbereitet. Unter anderem in Form einer Urban Art-Map auf der eigenen Website sowie im Rahmen des Symposiums „Colouring #urbanana“ zu internationalen Urban Art-Projekten mit touristischer Relevanz im Rahmen des Förderprojektes „NRW als Destination für Urban Lifestyle und Szene“.“

 

Regen Murals auf?

Ja, und wie! Murals sind nicht nur Farbe auf Beton, sie sind ein Weckruf für die Gesellschaft. Sie haben die Kraft, Passanten aus der Monotonie des Alltags herauszureißen und sie zum Nachdenken zu provozieren.

Nehmen wir Banksy – seine Kunst spricht Bände über politische Ungerechtigkeit und gesellschaftliche Missstände. Ein Mural von ihm an einer tristen Ecke kann den Funken zünden, der eine Revolution des Geistes entfacht. In Wien etwa, wo der Künstler Tabby ein Mural mit dem Satz „Love all, trust a few, do wrong to none“ hinterließ, erinnert er uns daran, dass Liebe und Misstrauen zwei Seiten derselben Münze sind.

Als ich 2008 diese Schlagzeile in der internationalen Presse las: „Banksy schlägt wieder zu! Mysteriöses Kunstwerk erscheint über Nacht in SoHo!“ habe ich sofort meinen Flug nach New York gebucht. Einige Stunden später stand ich an der Ecke Grand and Wooster Street vor einem riesigen Mural. Es zeigte eine Ratte mit einem Malstift, die ein „I ♥ NY“-T-Shirt trug.

Banksys Durchbruch und seine Etablierung als weltweit anerkannter Mural Künstler können schon auf das Jahr 2005 datiert werden, als sein Werk auf der palästinensischen Seite der Westbank-Mauer erschien. Die Bilder, die auf der Mauer zwischen Israel und Palästina zu finden waren, machten ihn – vor allem durch das Aufgreifen des brisanten Themas – weltweit bekannt. Seine Fähigkeit, durch seine Kunst politische und soziale Botschaften zu vermitteln, und als Künstler anonym zu bleiben, haben ihn in den Mural-Hall of Fame Himmel katapultiert. Banksy provoziert immer wieder mit seinen Botschaften und den Orten, an denen er seine Murals platziert.

Lenken Murals ab?

In der Tat, aber wie ich finde, auf ‚sanfte‘ Weise! Sie sind die unaufgeforderten Pausenknöpfe unserer beschleunigten Welt. Ein spezifisches Beispiel für die Macht von Murals ist ihre Rolle bei der Unterstützung sozialen Wandels. Durch die Darstellung sozialer Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten erinnern sie daran, dass diese Herausforderungen existieren und bearbeitet werden müssen. Murals dienen also nicht nur der Ästhetik. Sie machen auch starke Aussagen über soziale Fragen und bieten eine Plattform für politischen Ausdruck​ (Justice Art Gallery)​.

 

Wecken Murals auf?

Unbedingt! Ich kann mich an ein Beispiel in Italien erinnern, das für Aufregung gesorgt hat. Es handelte sich um ein riesiges apokalyptisches Mural des italienischen Street-Art-Künstlers Blu in Rom. Dieses Werk wurde im Stadtteil Casal dè Pazzi in der nordöstlichen Vorstadt von Rebbibia gemalt. Es zeigt eine farbenfrohe Spirale, die die Evolution darstellt – beginnend mit Amöben an der Basis und aufwärts durch prähistorische Fische, Reptilien, Dinosaurier, Vögel, Elefanten, Affen und schließlich Homo Sapiens. Die Darstellung führt die Menschheit von der Landwirtschaft über Industrie und Krieg bis zur Überentwicklung und endet schließlich in einem erschütternden Ende, wenn die moderne Welt in Stücke bricht und zerfällt​ (Wanted in Rome)​.

Murals als Spiegel der Gesellschaft

Jedes dieser Beispiele zeigt, wie Murals uns herausfordern, die Welt um uns herum und unsere eigene Rolle darin neu zu betrachten. Sie sind ein Spiegel der Gesellschaft. Und zugleich ein Fenster in die Seelen ihrer Schöpfer, die uns dazu bringen, innezuhalten und zu reflektieren.

 

Street Art kennt kein Alter

LATA 65 ist eine Initiative für ältere Menschen im Bereich urbaner Kunst, die von WOOL | Covilhã Urban Art in Zusammenarbeit mit Cowork Lisboa entwickelt wurde. LATA 65 entfacht bei Senioren die Begeisterung für Urban Art, überbrückt die Kluft zwischen Generationen und beweist: Kunst kennt kein Alter. Dieses innovative Programm zeigt, dass jede und jeder, unabhängig von unseren menschlichen Herausforderungen, wie die des Alters, aktiv am künstlerischen Leben der Stadt teilhaben kann.

 

Zusammenfassend, hier die Vorteile von Murals

Für Bürgermeister und Stadtplaner:

  • Verbesserung des Stadtbildes: Murals können dazu beitragen, graue oder vernachlässigte Bereiche in lebendige und ansprechende Orte zu verwandeln.
  • Förderung der sozialen Integration: Durch die Darstellung von lokaler Geschichte oder Kultur auf Murals können sich Einwohner stärker mit ihrer Community verbunden fühlen.

Für den Handel:

  • Steigerung des Fußverkehrs: Geschäfte in der Nähe von beliebten Murals können eine Zunahme an Besuchern verzeichnen. Das belebt den lokalen Handel.
  • Marketing und Branding: Einzigartige Murals können als Teil der Markenidentität von Geschäften dienen und so zur Kundenbindung beitragen.

Für die Bürgerinnen und Bürger:

  • Stärkung der Gemeinschaft: Murals bieten einen Anlass für Gemeinschaftsaktivitäten. Sie können ein Gefühl der Zugehörigkeit und des ‚local pride‘ innerhalb einer Gemeinde fördern.
  • Kulturelle Bildung: Sie bieten eine Plattform für künstlerischen Ausdruck und kulturellen Austausch, der die Vielfalt der Stadtbevölkerung widerspiegelt.
  • Förderung kultureller Offenheit: Die Fähigkeit, seine Umgebung wahrzunehmen, kann trainiert werden. Wer nie von Buntheit und künstlerischem Ausdruck umgeben ist, hat weniger Möglichkeiten, durch die Betrachtung inspiriert zu werden.

 

Einige Mural Festivals 2024

 

Street-Art Guide Austria

https://streetartbooks.eu/products/street-art-guide-austria

 

stadtmarketing-daniela-krautsack

Daniela Krautsack

Daniela Krautsack ist eine österreichische Trendforscherin, Mediastrategin, Autorin und Innovationsdesignerin, die sich durch ihre vielfältige Tätigkeit in der Entwicklung von Marken, der Schärfung von Unternehmensstrategien und der Erforschung von Gesellschafts-, Technologie und Kulturtrends auszeichnet. Sie ist lebenslange Weltreisende und lässt sich von Zukunftsdenkern und den verschiedenen Kulturen inspirieren. Daniela Krautsack ist Gründerin einer Agentur für interdisziplinäre Kommunikation namens ‚Cows in Jackets‘ und der Unternehmensberatung ‚Cities Next‘, die sich auf die Erforschung und Gestaltung von Zukunfts- und Innovationsdesigns im urbanen Raum und kommunikativer Prozesse konzentriert.

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