Smart Data im Stadtmarketing: Welche Daten und Erhebungsinstrumente sind wirklich sinnvoll?
16.06.2025
Leerstandsmanagement, Trends, Wirtschaft

16.06.2025
Leerstandsmanagement, Trends, Wirtschaft
Städte stehen heute vor komplexen Herausforderungen: Leerstände im Einzelhandel, veränderte Mobilitätsbedürfnisse, touristische Saisonalität – und die Frage, wie urbane Räume lebenswert bleiben. Klassische Kennzahlen wie Passantenfrequenzen oder Leerstandsquoten reichen längst nicht mehr aus, um diese Dynamiken zu verstehen. Entscheidungen auf Basis von Bauchgefühl oder veralteten Daten und Statistiken bergen Risiken – von Fehlinvestitionen bis hin zu verpassten Chancen.
Smart Data eröffnen hier neue Perspektiven, indem sie rohe Daten zu strategischem Steuerungswissen verdichten. Doch welche (neuen) Datenquellen und Erhebungsinstrumente stehen aktuell am Markt zur Verfügung – und wie lassen sie sich sinnvoll einsetzen?
„Smart Data“ sind intelligent aufbereitete und analysierte Daten, die konkrete Entscheidungsgrundlagen für strategische Maßnahmen im kommunalen Kontext liefern – beispielsweise in den Bereichen Stadtentwicklung, Wirtschaftsförderung, Tourismus oder Mobilität.
Charakteristisch für Smart Data sind:
Smart Data ermöglichen somit eine datenbasierte, zukunftsorientierte Steuerung von Innenstädten und Ortszentren. Sie liefern die notwendige Tiefe und Kontextualisierung, um aus Daten echte Erkenntnisse zu gewinnen – und aus Erkenntnissen wirksame Maßnahmen.
Es gibt Daten ohne Information, aber keine Information ohne Daten.
Daniel Keys Moran
Die Anforderungen an Daten und Kennzahlen haben sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert. In den 1990er und frühen 2000er Jahren dominierten eher einfache, mengenorientierte Kennzahlen zur Bewertung von Standorten. Seitdem ist nicht nur die Digitalisierung massiv vorangeschritten – auch gesellschaftliche Trends wie Demografiewandel, Klimakrise, Mobilitätswandel und verändertes Konsumverhalten haben dazu geführt, dass Daten heute vielseitiger, tiefgreifender und kontextsensitiver erhoben und genutzt werden.
Die Datenerhebung diente vorrangig dem klassischen Stadt- und Handelsmarketing. Sie basierte auf einfachen, quantitativen Kennzahlen, die mit relativ geringem technischem Aufwand erfasst wurden. Es ging vor allem um:
Ziel: Bewertung des wirtschaftlichen Potenzials und der Standortattraktivität – insbesondere für den stationären Handel – mit Schwerpunkt auf physischer Infrastruktur und Handelsangebot.
Die Datenbedürfnisse sind heute komplexer und stärker kontextbezogen – mit Fokus auf Qualität, Motivation, Nachhaltigkeit und Zusammenhänge: Statt einfacher Standortkennzahlen stehen integrierte, strategisch relevante Informationen im Mittelpunkt, die wirtschaftliche, soziale, ökologische und stadtplanerische Aspekte verknüpfen:
Ziel: Daten dienen nicht mehr allein der Standortbewertung, sondern der aktiven Gestaltung lebenswerter, zukunftsfähiger Städte – mit Fokus auf ganzheitliche Entwicklung, Nachhaltigkeit und Nutzerzentrierung.
Wer wissen will, warum Menschen Städte besuchen, einkaufen oder ihnen fernbleiben, braucht mehr als klassische Umfragen. Die Forschung hat sich von eindimensionalen Methoden wie Telefoninterviews (z. B. CATI zur Kaufkraftmessung) zu einem vielschichtigen Ansatz entwickelt. Heute geht es darum, Konsumverhalten und Besuchs-/Nicht-Besuchsmotive mehrdimensional zu erfassen durch
Neben Befragungen bieten ergänzende Methoden und innovative Technologien zusätzliche Einblicke in Konsum- und Besuchsmotive:
Social Listening analysiert öffentliche Online-Diskussionen (Kommentare, Hashtags), um:
Influencer-Marketing setzt wiederum Meinungsmacher ein, um Botschaften zu verbreiten und die Reaktionen der Zielgruppen zu testen.
Beide Methoden ergänzen sich ideal: Social Listening identifiziert relevante Themen und passende Influencer, während Influencer-Kampagnen neue Diskussionen anstoßen, die anschließend durch Social Listening ausgewertet werden. So erhalten Kommunen sowohl eine neutrale Beobachtung als auch eine aktive Steuerungsmöglichkeit, um:
Ein Beispiel: Eine Tourismusregion entdeckt z.B. über Social Listening, dass Besucher besonders Biolandwirtschaft thematisieren – daraufhin entwickelt sie „Farm-to-Table“-Erlebnisrouten und bindet lokale Influencer ein, um diese Angebote zu bewerben.
Moderne Monitoring-Tools wie Brandwatch oder Socialbakers unterstützen sowohl Social Listening als auch Influencer Marketing: Sie analysieren automatisiert Online-Diskussionen, identifizieren relevante Themen wie auch passende Influencer, und steuern Influencer-Kampagnen.
Chatbots auf städtischen Websites oder Tourismusseiten beantworten nicht nur Fragen – sie sammeln gleichzeitig anonymisierte Informationen darüber, was Menschen interessiert, was sie suchen und was sie eventuell vermissen.
Künstliche Intelligenz ermöglicht es, aus historischen Daten zukünftige Kaufkraftentwicklungen zu prognostizieren. Mithilfe von Machine Learning und Predictive Analytics lassen sich Muster im Konsumverhalten erkennen und in algorithmischen Simulationen verschiedene Szenarien durchspielen – etwa: Wie wirkt sich ein neues Event auf den Innenstadtbesuch aus? Wie wirkt sich die Eröffnung eines Co-Working-Spaces auf das Mittagsgeschäft umliegender Gastronomie aus?
Durch anonymisierte Bewegungsdaten von Smartphones (z. B. über Mobilfunkanbieter, Bluetooth-Beacons oder WLAN-Tracking) sind Besucherströme sehr detailliert analysierbar. In Kombination mit Geofencing-Technologien kann ausgewertet werden, wie sich Besucher in bestimmten Zonen der Stadt bewegen – und wie lange sie bleiben.
Moderne Lidar- oder Kamerasensoren messen Besucherfrequenzen in Echtzeit, ohne dabei personenbezogene Daten zu erfassen. Kombiniert mit IoT-fähigen Kassensystemen können diese Daten sogar mit Echtzeit-Umsätzen abgeglichen werden, um den Zusammenhang zwischen Frequenz und Kaufverhalten besser zu verstehen.
Moderne Stadtentwicklung lebt vom Dialog mit den Menschen vor Ort. Digitale Beteiligungsplattformen schaffen dafür neue, niederschwellige Zugänge – unabhängig von Ort und Zeit. Sie ergänzen klassische Formate wie Bürgerversammlungen oder Workshops und ermöglichen eine breitere, flexiblere Einbindung in Planungsprozesse.
Ein Beispiel für eine innovative Plattform mit KI-gestützten Funktionen ist die Senf.app. Sie wurde speziell für die Bürger:innenbeteiligung bei Planungsprojekten entwickelt und unterstützt Kommunen dabei, Beteiligung einfacher, inklusiver und effizienter zu gestalten.
Die Einsatzmöglichkeiten der App sind äußerst vielfältig. CIMA nutzt Senf bereits für Einzelhandels- und Stadtentwicklungskonzepte, City-Studien oder im Projekt „Natur Urban – Gewerbegebiete im Klimawandel“, um Einschätzungen von Expert:innen zu den Klimaschutzpotenzialen von Gewerbegebieten zu erheben.
Um Besucherströme, Verkehrsaufkommen oder Nutzungsverhalten im öffentlichen Raum zu analysieren, stehen heute innovative Technologien zur Verfügung, die je nach Fragestellung, Standort und Datenschutzanforderungen eingesetzt werden können.
Spezielle Sensoren erfassen Bewegungen und Wärmequellen im Raum. Sie können zwischen Passant:innen, Radfahrer:innen und Fahrzeugen unterscheiden – unabhängig von Tageslicht oder Wetter. Anbieter wie Hystreet, Vaisala oder Xovis bieten solche Lösungen für Innenstädte und Verkehrsknotenpunkte an.
Aggregierte Standortdaten von Smartphones – etwa aus Navi- oder Shopping-Apps – werden anonymisiert ausgewertet, um Bewegungsmuster zu erkennen. Die Methode eignet sich gut für großräumige Analysen. Anbieter sind u. a. A1 Mobility Insights oder Drei.
Mobilgeräte mit aktivem WLAN oder Bluetooth werden erkannt, wenn sie an Hotspots vorbeikommen. So lassen sich Aufenthaltsdauer und Bewegungsprofile im Raum erfassen. Anbieter wie vitracom, Frequentum, INWT Statistics oder Smart Pricer setzen diese Methode in Einkaufszonen oder Verkehrszentren ein.
Drohnen liefern Luftbilder, die anschließend per Künstlicher Intelligenz analysiert werden, um z.B. Personen bei einmaligen Events wie Festivals zu zählen. Anbieter ist z. B. das Fraunhofer-Institut.
Bestehende Kamerasysteme können durch KI erweitert werden, um Bewegungen automatisch zu analysieren – z.B. zur Zählung von Personen oder zur Beobachtung von Besucherflüssen. Anbieter wie Eagle Eye, ViSense oder IBM Visual Insights bieten solche Lösungen an.
Mehr dazu in: Frequenzmessung in Städten: Anonyme Daten für die smarte Stadtplanung der Zukunft
Moderne Standortanalysen müssen mehr leisten als reine Bestandsaufnahmen. Sie sollen komplexe Zusammenhänge sichtbar machen, wirtschaftliche Potenziale erfassen und Grundlagen für Stadtentwicklungsprozesse liefern. Der folgende Überblick zeigt, wie zeitgemäße Analysen zur Generierung von Smart Data beitragen können.
Innenstädte sind heute weit mehr als reine Einkaufsorte – sie sind multifunktionale Räume zum Leben, Arbeiten und Begegnen. Um ihre Zukunftsfähigkeit zu sichern, braucht es eine Datengrundlage, die den gesamten innerstädtischen Wirtschaftsmix sichtbar macht – nicht nur den Einzelhandel. Eine umfassende Erhebung sollte im Sinne einer „multiuse-Orientierung“ auch Gastronomie, Dienstleister, Handwerk, Gewerbe, Kultur-, Sozial- und Bildungseinrichtungen sowie neue Nutzungsformen wie Co-Working-Spaces oder Urban Production berücksichtigen.
Die klassische Leerstandserhebung erfasst meist nur, welche Flächen aktuell ungenutzt sind. Moderne Ansätze – wie sie etwa die CIMA verfolgt – gehen darüber hinaus: Leerstände werden nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ bewertet – nach Lage, Zustand, Größe oder Nutzungsflexibilität. So wird ermittelt, ob eine Fläche überhaupt vermarktbar ist – kurzfristig oder mittelfristig.
Die Einordnung in A-, B- oder C-Lagen – abhängig von Lagequalität, Frequenz und wirtschaftlichem Umfeld – liefert dabei ein differenziertes Bild. Das Ergebnis ist ein realistisches Potenzialprofil des Immobilienbestands für Handel, Gastronomie oder neue Nutzungsformen wie Pop-up-Stores, Co-Working oder Kultur. Damit erhalten Städte ein wirksames Instrument für aktives Leerstandsmanagement.
Viele leerstehende Flächen sind derzeit nicht vermietbar – sei es aufgrund baulicher Mängel, sichtbarer Schäden oder eines insgesamt desolaten Zustands. Andere Objekte sind zu groß für marktübliche Nutzungskonzepte oder werden aus strategischen Gründen nicht angeboten. Hinzu kommt: Nur wenige potenzielle Mieter sind bereit, umfangreiche Sanierungsarbeiten zu übernehmen – selbst dann, wenn die Kosten vom Eigentümer getragen würden. Eine Vermietung setzt in der Regel einen bezugsfertigen bzw. vermietungsfähigen Rohbauzustand voraus.
Um Eigentümer:innen zur Revitalisierung ungenutzter Immobilien zu bewegen, ist ein praxisnaher Austausch erforderlich. Analyseinstrumente wie das REVIT-Tool können hier unterstützend eingesetzt werden, indem sie Entwicklungspotenziale sichtbar machen und eine belastbare Entscheidungsgrundlage schaffen. Das Tool liefert unter anderem eine grobe Objektbewertung, vergleicht die Investitionskosten für Renovierung, Sanierung und Modernisierung und leitet daraus die erforderlichen Mieterträge ab, die für eine wirtschaftlich tragfähige Nutzung notwendig sind.
Früher genügte es, einfach die Anzahl vorhandener Parkplätze zu erfassen – heute reicht das längst nicht mehr. Der Fokus hat sich von der bloßen Quantität hin zu einer ganzheitlichen Analyse des tatsächlichen Bedarfs verschoben.
Moderne Parkraumbedarfsanalysen berücksichtigen neben der Auslastung auch Faktoren wie Parkdauer, Tageszeiten, Nutzergruppen (z. B. Anwohnende, Besucher:innen, Pendler:innen), Mobilitätsverhalten, Events oder die Nutzung von Parkleitsystemen. Ergänzt durch Daten aus Sensorik, Mobile Tracking und Befragungen entstehen daraus die Grundlagen für eine bedarfsgerechte und nutzerorientierte Verkehrs- und Stadtplanung.
Viele Städte oder Standortanalysen betrachten primär Umsätze. Das greift jedoch zu kurz, wenn es darum geht, den tatsächlichen wirtschaftlichen Nutzen (Wertschöpfung) für eine Stadt zu erfassen. Ein hoher Umsatz bedeutet nicht automatisch hohe lokale Wertschöpfung – insbesondere wenn Kaufkraft über Onlinehandel oder Filialisten ins Ausland abfließt.
Was ist der Unterschied?
Um das vollständige Bild des regionalen Wirtschaftskreislaufs zu erfassen, müssen neben der direkten Wertschöpfung auch indirekte und induzierte Effekte in die Betrachtung einfliessen:
Der steigende Wettbewerb zwischen Online- und stationärem Handel stellt Städte vor die Aufgabe, ihre Funktion als Versorgungs- und Begegnungsorte weiterzuentwickeln. Dazu braucht es verlässliche Daten über das tatsächliche Konsumverhalten vor Ort. CIMA Österreich und Mastercard stellen im Rahmen des cima.city.monitor erstmals anonymisierte, aggregierte Zahlungsdaten für kommunale Standortanalysen zur Verfügung – und bieten Stadtmarketingorganisationen damit ein intelligentes Analyseinstrument zur datenbasierten Standortanalyse.
Grundlage: Reale Zahlungsdaten mit hoher Aussagekraft
Das Tool basiert auf anonymisierten Transaktionsdaten, die sowohl Einheimische und in der Region ansässige Bürger:innen als auch in- und ausländische Tourist:innen umfassen. Die Daten stammen von Mastercard-Kund:innen und werden auf alle marktgängigen Kartenanbieter hochgerechnet. Damit lassen sich reale Kaufkraftströme und Konsummuster flächendeckend und detailliert abbilden.
Der cima.city.monitor ermöglicht unter anderem:
Die Ära der isolierten Kennzahlen ist vorbei. Moderne Standortentwicklung erfordert ein systemisches Verständnis: Wie interagieren Tourismusströme mit dem Einzelhandel? Welche Flächen sind nicht nur leer, sondern warum? Und wie lässt sich urbane Attraktivität messen – jenseits von Umsatzstatistiken?
Smart Data transformieren Datenfluten in Steuerungswissen. Ob durch Mastercard-Zahlungsströme, Social Listening oder KI-basierte Prognosen – die Tools sind da. Doch ihr Potenzial entfalten sie nur, wenn Kommunen sie strategisch nutzen:
Die Zukunft gehört Städten, die Daten nicht nur erheben, sondern in Handeln übersetzen. Denn Smart Data sind kein Selbstzweck – sie sind der Schlüssel zu resilienten, lebendigen Orten.
Warum sich bereits mehr als achtzig Standorte in Österreich als Mitglieder beim Dachverband Stadtmarketing Austria austauschen?
Weil wir gezeigt haben, dass „Miteinander“ mehr bringt. Im Miteinander machen Sie für Ihren Standort das Mögliche zum Machbaren. Wir unterstützen Sie dabei mit Know-how, das sich in der Praxis bewährt hat, mit Weiterbildung, die neue Perspektiven eröffnet sowie mit Erfahrungsaustausch, der Sie in Ihrer Rolle stärkt.
Formen Sie aktiv die Zukunft des Stadtmarketings!
Werden Sie Teil unserer dynamischen Gemeinschaft und nutzen Sie unsere vielfältigen Angebote zur fachlichen Weiterentwicklung und Einflussnahme.