KI im Stadtmarketing: Zwischen Algorithmus und Haltung

29.07.2025
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(c) AI gen. by playground/Goiginger

Wir leben in einer Zeit, in der wir lernen müssen, das Neue nicht nur zu nutzen, sondern auch zu hinterfragen. Künstliche Intelligenz ist eine dieser neuen Errungenschaften. Sie ist da, sie wird bleiben und sie wird verändern, wie wir Städte erleben, entwickeln, erzählen. Die Frage ist nicht mehr, ob wir sie einsetzen – sondern wie.

KI kann viel: Sie kann Prozesse beschleunigen, Inhalte generieren, Daten analysieren, Bilder erschaffen. Sie kann aber nicht fühlen, nicht zuhören, nicht verbinden. Und sie ersetzt keine Idee, die aus Erlebtem heraus entsteht. Wer im Stadtmarketing arbeitet, weiß: Es geht nicht ausschließlich um Effizienz. Es geht nicht darum, möglichst viel Content in möglichst kurzer Zeit zu produzieren. Vielmehr geht es um Atmosphäre, um Relevanz, um Vertrauen, um ein Grundverständnis für den Ort, an dem wir wirken. KI kann durchaus als Werkzeug unterstützend eingesetzt werden aber sie ist kein Ersatz für Haltung und sie kann Stadt nicht spüren.

Wofür wir KI nutzen – und warum

Auch wir nutzen KI. Auf unserer Website www.stadtmarketing.eu zeigen wir bewusst KI-generierte Bilder. Nicht, weil wir auf einen Hype aufspringen wollen, sondern weil wir neue Perspektiven zeigen möchten. Weil wir uns mit der Zukunft der Stadt beschäftigen und dafür Bildwelten brauchen, die es so noch nicht gibt. Diese Bilder entstehen nicht am Reißbrett, sondern aus konkreten Ideen:

  • Wie könnten unsere Städte in zehn Jahren aussehen?
  • Wie sehen Orte aus, die nicht nur funktionieren, sondern inspirieren?
  • Und wie können wir über visuelle Impulse Denkprozesse anregen?

Diese Bildwelten sind kein Ersatz für echte Beteiligung. Aber sie können Gedanken in Bewegung setzen – und das ist ein Wert, den wir ernst nehmen.

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KI-Visualisierung eines möblierten, begrünten Stadtplatzes (c) AI gen. by playground/Goiginger

Wo KI tatsächlich helfen kann

Es gibt Einsatzbereiche, in denen Künstliche Intelligenz im Stadtmarketing sinnvoll und entlastend ist. Vor allem dort, wo sich Aufgaben wiederholen, wo Abläufe standardisiert sind, wo Datenmengen ausgewertet werden müssen, ohne dass dabei individuelle Nuancen verloren gehen.

Texterstellung ist so ein Bereich. Wer regelmäßig Veranstaltungshinweise, Pressetexte oder Social-Media-Posts erstellt, kennt die Wiederholungen, die Routinen. Tools wie ChatGPT können hier Entwürfe liefern, Vorschläge formulieren oder bestehende Texte vereinfachen. Aber sie brauchen immer einen kritischen Blick, eine redaktionelle Entscheidung, einen menschlichen Feinschliff. Denn Tonalität ist keine rein formale Angelegenheit – sie entscheidet darüber, ob eine Botschaft ankommt oder nicht.

Auch in der Analyse von Daten liegt Potenzial. Wenn wir wissen wollen, welche Inhalte besonders gut performen, welche Veranstaltungen tatsächlich Reichweite erzeugen oder wie Besucherströme durch eine Innenstadt verlaufen, liefert KI wertvolle Einsichten. Aber auch hier gilt: Daten sind nur so gut wie die Fragen, die man ihnen stellt. Und Entscheidungen trifft man nicht auf Basis von Algorithmen allein – sondern mit Blick auf das große Ganze.

Best Practices: Köln, Buenos Aires, Barcelona

Dass KI im Stadtmarketing kein Nischenthema mehr ist, zeigen einige prominente Beispiele. Die Stadt Köln setzt seit 2024 auf einen eigenen KI-gestützten Textbot: VisitKölnGPT. Er liefert passgenaue Textvorschläge für unterschiedliche Medienkanäle – abgestimmt auf Zielgruppen, Tonalität und Themenlage. Die Content-Produktion konnte dadurch fast verdoppelt werden, gleichzeitig wurde die Zusammenarbeit mit externen Agenturen reduziert. Doch der Output wird nicht automatisiert veröffentlicht. Er dient als Basis, als Inspirationsquelle. Und genau das ist der entscheidende Punkt: KI liefert Material. Was wir daraus machen, bleibt unsere Aufgabe.

KI im Stadtmarketing_VisitkoelnGPT (c) visitkoelngpt.de
Der KölnGPT: Zielgruppenorientierte Contenterstellung exklusiv für Köln Tourismus Mitarbeitende (c) https://visitkoelngpt.de/

In Buenos Aires heißt der städtische Chatbot Boti. Ursprünglich entwickelt, um während der Pandemie Informationen bereitzustellen, ist er heute eine feste Größe in der öffentlichen Kommunikation. Boti beantwortet Millionen Anfragen – zu städtischen Dienstleistungen, kulturellen Angeboten oder Events. Das spart Zeit, sorgt für Transparenz und stärkt das Vertrauen in die Verwaltung. Gleichzeitig ersetzt auch Boti keine politischen Entscheidungen. Aber er zeigt, wie Serviceorientierung in einer digitalisierten Stadt aussehen kann.

KI im Stadtmarketing_Video Screenshot Boti (c) Youtube
Entstand in Covid 19 und hat sich seither bewährt: Der KI-Bot „Boti“ in Buenos Aires (c) Screenshot von https://www.youtube.com/watch?v=oYLh4zYuNh8

Barcelona geht einen Schritt weiter. Dort wird KI genutzt, um Mobilitätsdaten auszuwerten und in Echtzeit sichtbar zu machen, wie sich der öffentliche Raum verändert. Das hilft nicht nur bei der Verkehrsplanung, sondern auch bei der Weiterentwicklung von Stadtvierteln. Gleichzeitig wird KI hier bewusst als Werkzeug verstanden, nicht als Steuerungsinstrument. Der Mensch bleibt im Zentrum – als Entscheider, als Akteur, als Maßstab.

Was wir von diesen Städten lernen können

Diese Beispiele zeigen: KI kann Prozesse effizienter machen. Sie kann helfen, Muster zu erkennen, Vorlagen zu liefern, Ressourcen zu bündeln. Aber sie ersetzt nicht das, was Stadtmarketing eigentlich ausmacht: das Gespür für die Stadt, das Verständnis für Zielgruppen, die Fähigkeit, komplexe Entwicklungen verständlich zu kommunizieren.

Wenn wir KI nutzen, dann mit Bedacht. Dann dort, wo sie wirklich entlastet – und nicht dort, wo sie Identität glättet oder Inhalte vereinheitlicht. Denn die größte Stärke im Stadtmarketing ist das Lokale, das Echte, das Unverwechselbare. Genau das darf nicht verloren gehen.

Blinde Flecken

Bei aller Innovationsfreude darf der Einsatz von Künstlicher Intelligenz nicht losgelöst von ökologischen und gesellschaftlichen Überlegungen erfolgen.

Ressourcenverbrauch & Klimabilanz

Erstens: KI-Anwendungen verbrauchen – besonders in Trainings- und Analysephasen – erhebliche Mengen an Energie und Rechenleistung. Städte, die auf digitale Technologien setzen, müssen daher auch den CO₂-Fußabdruck ihrer digitalen Infrastruktur im Blick behalten und transparente Nachhaltigkeitsziele formulieren.

Deshalb braucht es eine klare Haltung: KI ja, aber nur dort, wo sie einen echten Mehrwert bringt. Wir sollten nicht in die Falle tappen, alles automatisieren zu wollen, was automatisierbar ist. Sondern uns fragen: Was bringt uns wirklich weiter? Wo gewinnen wir Zeit, die wir für andere, wichtigere Aufgaben nutzen können? Und wo drohen wir, uns in einer permanenten Content-Maschinerie zu verlieren?

Nachhaltiges Stadtmarketing bedeutet daher, KI so einzusetzen, dass sie einen messbaren Mehrwert für Umwelt und Gesellschaft schafft. Dazu zählen etwa ressourcenschonende Technologien, barrierefreie digitale Angebote sowie ein bewusster Umgang mit digitalem Konsum. Wer diesen Aspekt integriert, beweist Zukunftsverantwortung und stärkt die Glaubwürdigkeit der Stadt als moderne, nachhaltige und lebenswerte Marke.

Datenschutz & ethische Verantwortung

Zweitens: Der verantwortungsvolle Umgang mit Daten ist das Fundament für den nachhaltigen Einsatz von KI. Stadtmarketing-Konzepte, die KI integrieren, müssen strenge Datenschutzbestimmungen einhalten und transparent kommunizieren, wie und warum Daten erhoben werden.

Zur technischen Umsetzung steht auch die ethische Verantwortung im Vordergrund: Eine vertrauensvolle Datenverarbeitung verhindert Missbrauch und sorgt dafür, dass Bürger:innen sich in einer digitalen Umgebung sicher fühlen. Nur durch klare ethische Leitlinien und umfassende Datenschutzmaßnahmen kann KI im Stadtmarketing langfristig erfolgreich und akzeptiert eingesetzt werden.

Darüber hinaus stellt sich die Frage nach dem fairen Zugang: Welche Bevölkerungsgruppen profitieren von KI-gestützten Services – und wer bleibt außen vor? Gerade im Stadtmarketing, das alle Bürger:innen erreichen möchte, ist es essenziell, soziale Gerechtigkeit mitzudenken und technologische Maßnahmen nicht nur aus Effizienzsicht zu bewerten.

KI ersetzt keine Beteiligung, aber kann sie unterstützen

Ein weiterer Bereich, in dem KI sinnvoll sein kann, ist die Bürger:innenbeteiligung. Es gibt Tools, die helfen, Stimmungen auszuwerten, Kommentare zu clustern, Feedback aus Workshops systematisch aufzubereiten. Auch Visualisierungstools – etwa zur Darstellung alternativer Stadtraum-Nutzungen – können helfen, Diskussionen zu versachlichen und Optionen greifbar zu machen.

Aber auch hier gilt: KI kann Dialoge unterstützen. Sie kann nichts ersetzen. Sie liefert keine Haltung, keine politische Abwägung, keine Integrationsleistung. Beteiligung ist kein Datenprojekt – sondern ein Beziehungsgeschehen. Sie braucht Vertrauen, Präsenz, Zeit. Und genau darin liegt die eigentliche Herausforderung.

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KI Nutzung ja, aber mit Bedacht, verantwortungsvoll eingesetzt und der konsequenten Frage nach dem konkreten Mehrwert für alle Beteiligten (c) AI gen. by playground/Goiginger

KI als Werkzeug, nicht als Weltanschauung

Stadtmarketing wird sich verändern. Das ist unbestritten. Wir werden neue Tools nutzen, neue Kanäle bespielen, neue Formen der Kommunikation erproben. KI kann dabei eine Rolle spielen – als Werkzeug, als Assistentin, als kreative Partnerin.

Aber sie sollte nie zur dominierenden Stimme werden. Denn Städte sind nicht technologische Systeme. Sie sind soziale Räume. Sie leben von Widersprüchen, von Geschichte, von Emotion. Wer Stadt nur durch die Linse der Effizienz betrachtet, wird ihre Seele nicht verstehen.

Stadtmarketing bedeutet, diese Seele sichtbar zu machen. Sie zu schützen. Und sie weiterzudenken – mit Mut, mit Haltung, mit einem klaren Blick auf das, was möglich und sinnvoll ist.

Daniela Limberger, Vizepräsidentin des Dachverbandes Stadtmarketing Austria

Daniela Limberger

Geschäftsführerin Agentur für Standort und Wirtschaft Leonding GmbH

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