Psychologie der Stadt . Die Stadt verstehen
Österreichs Dachverband für Standortentwicklung und -management – Stadtmarketing Austria – lud von 30.09-2.10. zur CitymanagerInnen-Tagung, der „DenkwerkStadt“, nach Nußdorf / Attersee. Bei der Tagung waren vier hochkarätige Vortragende zu Gast und diskutierten mit den 30 TeilnehmerInnen über„ Die Psychologie der Stadt“ und über aktuelle Fragen der Stadtentwicklung.
In unterschiedlichen Workshops wurden Veränderungspotentiale von Städten skizziert, sowie aktuelle und zukünftige Anforderungen an Stadtmarketingverantwortliche thematisiert. Erörtert wurden dabei Fragen nach der Stadt der Zukunft, bzw. wo die Stadt in 20 oder 30 Jahren stehen wird und wie wir unseren urbanen Lebensraum in sozialer, ökonomischer, ökologischer und infrastruktureller Hinsicht gestalten wollen.
Thematisiert wurde des weiteren der Umgang mit aktuellen Herausforderungen (zB.: Flüchtlinge) oder die Auswirkung von Megatrends (zB.: Online Handel, Konsumverweigerung ) auf die Gesellschaft und auf die Städte.
Michael Kerbler, Studium der Publizistik und Psychologie, ORF Chefredakteur
Michael Kerbler diskutierte mit den TeilnehmerInnen über die sozial und ökologisch nachhaltige Stadt, darüber was die Attraktivität einer Stadt ausmache, sie zu einer lebenswerten Stadt mache und wo die größten Veränderungen lägen. Dem städtischen öffentlichen Raum müsse in Zukunft besondere Bedeutung beigemessen werden, da der Baugrund in der Stadt immer teurer werde, die Freiräume aber als Orte der Begegnung an Attraktivität in der Bedeutung zugenommen hätten. Es ginge um den Platz zwischen den Gebäuden, um die Zwischenräume, die den Rhythmus einer Stadt ergeben.
Das Rethinking des städtischen Lebensraumes habe bereits begonnen. Dieser Wandel sei noch lange nicht abgeschlossen und stelle Verantwortliche im Bereich Stadtmarketing, Stadtplaner und Architekturgestalter vor große Herausforderungen.
Die Gespräche berührten vielfältige Themen: Fragen der Stadtarchitektur und Stadtplanung, der Landflucht oder der generellen Frage, was Menschen heute in die Stadt treibe.
Johannes Moser, Lehrstuhlinhaber für Volkskunde/Europäische Ethnologie an der Ludwig-Maximilians Universität München
Johannes Moser debattierte mit den TeilnehmerInnen über urbane Ethiken und über„ das gute Leben und Wohnen in der Stadt“. Anhand von Fallstudien in mehreren Städten weltweit zeigte er, welche Vorstellungen von einem guten Leben in der Stadt die Bürger bewegen würden. Dabei seien Stadtbewohner zunehmend ethischen Appellen ausgesetzt, etwa der Forderung, sich ökologisch nachhaltig zu verhalten. In einer Fallstudie in der Stadt Auckland wollen die Ethnologen die Vorstellungen von Sauberkeit und Verschmutzung untersuchen und die Bemühungen, auf das Verhalten der Bewohner durch Regulierungen und Partizipationsverfahren einzuwirken.
„Auf dem Weg zur Slow City?“ ist die Fallstudie in Tokio betitelt. Zusammen mit dem Lehrstuhl für Japanologie untersuchen die Forscher Initiativen zur Entschleunigung des Lebens in der japanischen Hauptstadt. Weitere Fallstudien in Bukarest, Istanbul und Moskau betrachten Leitbilder um Urbanität, die Ethik von Stadtumbau und Denkmalschutz sowie Protestkultur im Kontext eines autoritären Regimes.
Am Beispiel von München wurde gezeigt, welche Standpunkte gegenwärtig im Kontext von Stadtpolitik und bürgerschaftlichem Engagement eingenommen werden. Von Interesse seien dabei besonders Wechselwirkungen und Konflikte, die sich in Auseinandersetzung mit dem Topos ‘Wohnen in der Stadt’ festmachen lassen.
Martina Löw, Technische Universität Berlin, Institut für Soziologie, Leitung Fachgebiet Planung- und Architektursoziologie
Martina Löw diskutierte mit den TeilnehmerInnen über den Sozialen Raum als Phänomen. Laut Martina Löw würden Städten häufig Eigenschaften zugeschrieben, die darauf zielen, deren besonderen Charakter zu erfassen. Städte würden so betrachtet als dynamisch oder progressiv, kosmopolitisch oder sentimental erscheinen und in diesem Sinne unterschiedliche Wirkungen entfalten. Einige Studien würden deutlich aufzeigen, dass es für individuelle Entwicklung und Selbstbeschreibung einen fundamentalen Unterschied mache, ob man in Graz, in Wien oder in Linz, in New York oder in Los Angeles aufwachse. Identitäten würden also durch Städte vorkonstruiert werden. Städte würden unterschiedlich „ticken“. Daher sei eine Stadt in der Lage, ein Problem besser früher oder umfassender zu adressieren als eine andere bzw. würden bestimmte Problemstellungen in manchen Städten gar nicht erst als Problem wahrgenommen, sondern ignoriert oder in Routineaufgaben umgedeutet werden . Die Stadt sei eine prägende Lebensform. Sie wirke in die „Identität“ hinein, weil sie der Ort sei, an dem wir Heterogenität strukturell verankert hätten.
Hanno Rauterberg, Redakteur Feuilleton DIE ZEIT und promovierter Kunsthistoriker
Hanno Rauterberg diskutierte mit den TeilnehmerInnen über die Psychologie des Urbanen. Es würde die Sehnsucht nach kollektiver Erfahrung wachsen und in der Stadt ihren Ort finden. Ohne dass sie jemand gerufen hätte, ohne dass es eine Kampagne gäbe, gar eine Staatsinitiative zur Reurbanisierung, ziehe es viele Menschen hinein in die Räume der Stadt. Vor allem ihre freien, unbestimmten Räume würden eine andere Bedeutung gewinnen. Es sei ein Urbanismus von unten: Auf mannigfache Weise würden viele Bürger beginnen, sich die Stadt anzueignen und sie zu verändern und so den öffentlichen Raum zurückerobern. Es entständen neue Spielformen des Öffentlichen .
Manche Vorschläge würden in Nacht-und-Nebel-Aktionen realisiert werden, etwa indem die Aktivisten ungefragt Fahrradspuren und entsprechende Verkehrszeichen auf viel befahrene Straßen malen – in der Hoffnung, dass diese entweder bleiben oder den Verantwortlichen der Kommune vor Augen führen, wie dringend angebracht es wäre, den Radfahrern mehr Vorfahrtsrechte einzuräumen.
Häufig handle es sich dabei um einfache Ideen, die leicht zu realisieren seien, etwa auf öffentlichem Grund mehr Obstbäume zu pflanzen oder an Bushaltestellen neue Bänke zu platzieren.
Ähnliche Aktionen hätten rasch viele Anhänger gefunden, so zum Beispiel der sogenannte PARK(ing) Day, der alljährlich in mittlerweile einigen Hundert Städten überall auf der Welt abgehalten wird. Geprägt wurde die Initiative 2005 in San Francisco von den Mitgliedern des Designbüros Rebar, das sich daran störte, wie viel öffentlicher Raum von Autos okkupiert wird. Sie besetzten deshalb eine Parkbucht mitten in der Innenstadt, aber stellten dort nicht etwa ihren Wagen ab, sondern nutzten die freie Fläche, um einen temporären Park einzurichten, mit Rollrasen, Gartenbank, Bäumchen im Kübel.
Je mehr Menschen den öffentlichen Raum mit Aktionen bereichern würden, desto zahlreicher würden die Foren im Internet darüber berichten. Dies würde wiederum die Stadt als Allgemeingut stärker ins öffentliche Bewusstsein rücken.