Welchen Wert haben Grünflächen in der Stadt?

16.05.2017
Architektur, Gesellschaft, Wohnen

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Grünflächen in der Stadt bestimmen in wesentlicher Form die Lebensqualität der StadtbewohnerInnen. Neben ihrer Funktion als Erholungsraum erfüllen sie jedoch eine Reihe weiterer wichtiger Funktionen, die im Zuge des Klimawandels stetig an Bedeutung gewinnen.

 

Grünflächen in der Stadt gegen „Citywarming“ und Smog

Wer in der Stadt wohnt, hat sicherlich schon festgestellt, dass an manchen Sommertagen der Temperaturunterschied zwischen Stadt und Umland mehrere Grad betragen kann. Eine NASA Studie aus dem Jahr 2015 zeigt sehr anschaulich, welche essentielle Rolle Grünflächen in der Stadt in Hinblick auf die Stadterwärmung spielen.

Städte sind im dicht bebauten Gebiet aufgrund der versiegelten Oberflächen gigantische Hitzespeicher. Straßen und Gebäude speichern die Hitze stärker als bewachsene Flächen, hinzu kommt die Abwärme von Betrieben und Autos. Städtische Wärmeinseln, die in der Nacht kaum auskühlen, sind die Folge.

Urban Heat Islands

Wie hoch die Temperaturen in diesen „Urban Heat Islands“ ansteigen, steht laut der Studie in direktem Zusammenhang mit der Anzahl und Art von Grünflächen in der Stadt. Bis zu einem Anteil der versiegelten Oberflächen in der Höhe von 35 Prozent bleibt die Temperatur im Stadtgebiet bei konstant 1,3 Grad über der Stadtumgebung. Darüber steigt die Differenz auf z.B. 1,6 Grad bei einer Verbauung von 65 Prozent. Das klingt vielleicht auf den ersten Blick nicht viel, aber 1 Grad ist bereits ausreichend, um den Verbrauch von Klimaanlagen um 20 Prozent ansteigen zu lassen.

 

Grünflächen in der Stadt gegen Wärmeinseln im Sommer - NASA Studie
© NASA: Versiegelte Oberflächen (ISA) und Temperaturdifferenz zum Umland (Δ T)

 

Andere Studien haben ergeben, dass man mit zehn Prozent mehr Grünflächen die sommerliche Temperatur in den Städten um bis zu drei Grad senken kann. In großen Ballungsräumen wie etwa Tokio konnte man die lokale Temperatur durch Nachbegrünung sogar um bis zu 13 Grad reduzieren.

Wenn unsere Städte weiterhin wachsen und Grünflächen mit versiegelten Flächen ersetzt werden, steigen somit automatisch auch die Temperaturen. Mehr Grünflächen in der Stadt bedeuten kühlere Städte und eine höhere Lebensqualität. Insbesondere  Dach- und Fassadenbegrünungen, Alleen, große Parks und Wasserelemente bewirken Kühleffekte und können die Temperatur im innerstädtischen Bereich um mehrere Grad reduzieren. Auch ein entsprechendes Regenwassermanagement trägt zur Kühlung bei und sollte vor allem in neuen Stadtteilen verstärkt forciert werden.

Einige beeindruckende Beispiele von grünen Großstadtprojekten zur Reduktion des Wärmeinsel-Effektes finden Sie in unserem Beitrag „Ideen für eine menschenfreundliche Stadt“.

 

Regenwassermanagement gewinnt zunehmend an Bedeutung

Die positive Wirkung eines effizienten Regenwassermanagements beschränkt sich nicht nur auf seine Kühlfunktion: Der Neubau von Wohnungen und die Erschließung von Gewerbeflächen bewirkt die zunehmende Verdichtung und damit Versiegelung von Flächen. Gleichzeitig droht infolge des Klimawandels zukünftig häufiger Starkregen. Beides belastet die bestehenden Entwässerungsinfrastrukturen.

Dämme gegen Überflutung oder der Ausbau der Kanalisation sind sehr kostspielig, ebenso hitzebeständige Straßenbeläge. Mit vergleichsweise kleinem Budget lässt sich jedoch durch Schaffung von Grünflächen in der Stadt ein effizientes Regenwassermanagement zum Schutz vor Überschwemmungen umsetzen. Bäume und Grünflächen machen die Stadt nicht nur lebenswerter, sie speichern auch Wasser und sind daher in der Lage, das Kanalisationsnetz bei starken Niederschlägen zu entlasten.

Ulrike Pitha und Vera Enzi (Universität für Bodenkultur) nennen drei Strategien für nachhaltiges Regenwassermanagement:
  • Versickerung durch aktive Bodenfilterpassage (Versickerungsfähige Oberflächen, Mulden-Becken-Rigolsysteme, Dach- und Fassadenbegrünung)
  • Speicherung und Verdunstung (Transpiration Pflanzen, Evaporation Substrate -> Evapotranspirationsleistung)
  • Speicherung (Zisternen) und Nutzung (Bewässerung, Gebäudekühlung, WC-Spülung)

 

 

Grünflächen in der Stadt als effektives Regenwassermanagement
Versickerung, Retention und Verdunstung, Speicherung und Wiederverwendung – drei Strategien des Regenwassermanagements für Städte (Pitha und Enzi, 2013)

 

Durch die bewusste Einplanung von Bepflanzungsmaßnahmen wie Bauminseln, Baumstreifen, Versickerungsmulden und -becken wird eine natürliche Wasserversickerung erreicht. Die Entsiegelung von Freiflächen (z. B. Parkplätzen) und versickerungsfähige Oberflächenbelege bei der Erschließung neuer Wege und Parkplätze bringt folglich zusätzliche Qualitätsverbesserungen im  Regenwassermanagement.

Ebenso stellt die Nutzung des brachliegenden Flächenpotentials von Bauwerken wirksame Maßnahmen dar. Insbesondere Dach- und Fassadenbegrünungen können einen wichtigen Beitrag zum Regenwassermanagement leisten. Gerade in verdichteten und versiegelten Stadtbereichen sollten sie verstärkt eingesetzt werden.

 

Grünflächen in der Stadt wirken der Hitze im Sommer entgegen und sind ein effektives Regenwassermanagement.
Biotope-City, Versickerung, Retention und Verdunstung, Speicherung und Wiederverwendung – drei Strategien des Regenwassermanagements für Städte (Pitha und Enzi, 2013)

 

Regenwassermanagement durch Grünflächen in der Stadt bietet somit zahlreiche Vorteile:
  • Finanzielle Vorteile durch die Entlastung von Kanalsystemen und Kläranlagen.
  • Verringerung der Hochwasserabflussmengen.
  • Reduktion von Hochwasserschäden bzw. erforderlichen Schutzbauten.
  • Kühlung der Umgebung durch die Verdunstungskälte.
  • Laufende Erneuerung des Grundwassers, da das Wasser im natürlichen Kreislauf bleibt.
  • Versorgung des Bodens und der Pflanzen mit Wasser.
  • Erhöhung der Luftfeuchtigkeit durch die Verdunstung von Regenwasser.
  • Einsparung von Trinkwasser durch Nutzung von Regenwasser für Bewässerungszwecke.
  • Nutzung von gespeichertem Wasser in Trockenperioden.
  • Erhaltung bzw. Neuschaffung von Grünflächen und Feuchtbiotopen.

 

Eine umfassende Beispielsammlung erfolgreicher nationaler und internationaler Projekte finden Sie in der Publikation Integratives Regenwassermanagement – Motivenbericht und Beispielsammlung.

 

Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung

Neben der Schaffung neuer Grünflächen in der Stadt und der Nutzung von Gebäudeflächen ist folglich auch die Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung zu sehen. Der Begriff beschreibt grundsätzlich Maßnahmen und Stadtumbauprojekte, die von Menschen genutzte Flächen wieder in einen möglichst naturnahen Zustand zurückführen sollen.

Gegenstand von Renaturierungsmaßnahmen im städtischen Kontext sind insbesondere aufgelassene Gewerbe-, Infrastruktur- und Siedlungsflächen sowie Fließgewässer. Dabei entstehen sowohl parkartige, teils extensiv gepflegte Erholungsflächen, aber auch neue produktive Landschaften mit forst- und landwirtschaftlichen Nutzungen.

Die praktischen Erfahrungen belegen, dass Renaturierungsprojekte zahlreiche Vorteile mit sich bringen:
  • Verbesserung des Stadtklimas
  • Erhöhung der Wasserqualität
  • Hochwasserschutz
  • Höhere Biodiversität
  • Erholungsraum für die Stadtbevölkerung
  • Aufwertung städtischer Quartiere

Im Fokus stehen derzeit vor allem Revitalisierungen von Flüssen und Bächen. So wurde etwa in der Stadt Salzburg die Glan in mehreren Etappen renaturiert. Damit konnte nicht nur die Gewässerökologie aufgewertet werden, sondern auch ein Naherholungsraum für die Bevölkerung geschaffen werden.

 

Grünflächen in der Stadt durch Renaturierung der Glan in Salzburg
Renaturierung der Glan, Salzburg Wiki

 

Auch in Graz wird derzeit an einem ambitionierten Renaturierungsprojekt gearbeitet. Das Projekt „Mur findet Stadt“ soll die Mur zum zentralen und verbindenden Element der Stadt machen. In diesem Sinne wurden von ExpertInnen aus Stadtentwicklung, Raumplanung, Landschaftsarchitektur, Wasserbau und anderen Fachrichtungen mehrere Projekte entlang der Mur gestaltet.

Herzstück des Projektes ist der Flusspark im Süden vom Graz. Hier kann nach den Plänen von „Mur findet Stadt“ ein Park entstehen, der Freizeitoase, Naturraum und Hochwasserschutz in einem Konzept verbindet. Die Mur soll über einen Seitenarm in den Park integriert werden. Zusätzlich entsteht mit einer neuen Insel ein vielfältiger Lebensraum für Pflanzen und Tiere.

 

Schaffung von Grünflächen in der Stadt durch Renaturierung - Beispiel Mur in Graz
© Mur findet Stadt

 

Ein Teich im Zentrum des Flussparks ist mit der Mur verbunden und verbessert auf diese Weise den Hochwasserschutz. Der flache Uferbereich ermöglicht die Verbindung zwischen Freizeit- und Naturraum. Rad- und Fußwege führen am Ufer entlang, hinein in den Park mit Sport-, Spiel-, und Grillplätzen sowie zahlreichen Plätzen zur Entspannung. Neben dem Flusspark sind auch für die Grazer Innenstadt Maßnahmen vorgesehen, z. B. für den Augarten oder den Andreas Hofer Platz mit der Tegethoffbrücke.

 

Mehr Baumvielfalt in Städten ist gefragt

Die Bedingungen für Bäume in Städten haben sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert. Eine große Herausforderung sind vor allem Bäume, die an den Straßen stehen. Mehr Hitzetage, stärkere Stürme, stark verdichtete Böden und Streusalz im Winter erfordern daher die Anpassung des Baumsortiments.

Damit jeder Baum einen Platz mit optimalen Bedingungen bekommt, haben ForscherInnen der Technischen Uni Dresden knapp 400 Stadt-Baumarten in einer öffentlich zugänglichen Datenbank namens Citree erfasst und nach 54 unterschiedlichen Merkmalen aufgeschlüsselt. Mithilfe der Datenbank soll nicht nur die Baumvielfalt in Europas Städten erhöht werden, sondern auch jeder Baum den richtigen Standort erhalten.

Auch in Wien verfolgt man diesen Ansatz und hat schließlich 20 Baumarten ausgewählt, die für diese veränderten Bedingungen in Zukunft besser gewappnet sind. Unter ihnen finden sich der asiatische Ginkgobaum und die Celtis. Sie werden in den kommenden Jahren Kastanie und Spitzahorn ersetzen, die äußerst empfindlich auf Schmutz und Salzstreuung reagieren.

 

Bienen erobern die Stadt

Monokulturen, Umweltverschmutzung, Pflanzenschutzmittel, Schädlinge und Krankheiten machen den Bienen schwer zu schaffen. Die Natur auf dem Land hat sich folglich verändert. Vielfach findet man Monokulturen, die für Bienen und Insekten keine verwertbare Nahrungsquelle darstellen.

Gleichzeitig ist aber durch neue Formen der Begrünung und dem Trend zum Urban Gardening das Pflanzen- bzw. Blütenangebot in der Stadt gewachsen. Es werden immer mehr Grünflächen in der Stadt geschaffen und mit den unterschiedlichsten Pflanzen bestückt, deren Blüten kaum durch Pestizide belastet sind. Seit Jahren ist daher auch ein Anstieg von Bienen in der Stadt zu beobachten, die hier einen neuen Standort suchen.

Immer mehr Städte reagieren auf diese Entwicklung und schaffen bienenfreundliche Grünanlagen, die sich durch eine Mischung von  früh-, mittel- und spätblühende Arten mit einem hohen Angebot an Nektar und/oder Pollen sowie langer Blütezeit auszeichnen.

In Linz ist man noch einen Schritt weiter gegangen. Nach dem Vorbild der Pariser Oper, auf deren Dach Bienen gezüchtet werden, setzte beispielsweise die Imkerinitiative „Dachmarke“ in Kooperation mit Landeseinrichtungen und privaten SponsorInnen ähnliche Projekte auch in Linz um. Insgesamt 900.000 Linzer Stadtbienen produzieren schließlich auf dem Dach des Musiktheaters und weiteren fünf Standorten besten Linzer Stadthonig.

 

Grünflächen in der Stadt fördern das Überleben von Bienen
© DACHMARKE, Florian Voggeneder

 

Eine weitere interessante Initiative sind beispielsweise die „Stadtimker“, die für Bienenvölker und aussterbende alte Bienenrassen bessere Überlebensgrundlagen in der Stadt schaffen. Bienen siedeln sich allerdings gerne auf Balkonen oder Spielplätzen, an Hausmauern oder Gartenzäunen an, wo sie von StadtbewohnerInnen nicht unbedingt erwünscht sind. In der Regel werden diese Bienenvölker von der Feuerwehr eingefangen und vernichtet, sofern sich nicht rasch ein neuer Platz finden lässt. Die Stadtimker nehmen sich solcher Bienen an, indem sie neue Standorte beispielsweise auf Dächern, Firmengeländen oder in Grünanlagen organisieren und die Betreuung übernehmen.

 

Fazit: Nachhaltige Grünraumplanung in der Stadtentwicklung

Grünflächen sind also als Erholungsräume in der Stadt von essentieller Bedeutung für die Lebensqualität der StadtbewohnerInnen. Darüber hinaus erfüllen sie eine Reihe weiterer wichtiger Funktionen: Sie fördern die Grundwasserbildung, sind ein wirksamer Schutz vor Überschwemmungen, erhalten die biologische Vielfalt und tragen dazu bei, Hitzebelastungen im Sommer zu reduzieren und die Luft von Schadstoffen zu reinigen.

Effektive Umsetzungsschritte im Rahmen einer nachhaltigen Stadtentwicklung können u.a. folgende Maßnahmen darstellen:
  • Erhaltung und gezielte Erweiterung von Grünfächen in der Stadt, um die Kaltluftzufuhr und -entstehung zu sichern und zu steigern.
  • Verbindung städtischer Grünflächen über „grüne Strahlen und Speichen“ mit dem Umland (Biotopverbund).
  • Schaffung von Parkanlagen als Erholungsflächen auf z. B. Konversionsflächen, um das Stadtklima zu verbessern.
  • Prüfung und Umsetzung von Entsiegelungen und Begrünungen auf versiegelten Flächen.
  • Einrichtung von baumbestandenen Straßenzügen in verdichteten Quartieren zur Vernetzung der innerstädtischen Grünräume.
  • Schaffung von Investitions- und Beratungsprogrammen zur Förderung von Dach- und Fassadenbegrünungen.
  • Unbefestigte Stadtbahntrassen als Rasengleise anlegen.
  • Förderung und Schaffung von Standorten für Bienenstöcke.
  • Sicherung und Weiterentwicklung des städtischen Baumbestandes.

Allgemein betrachtet ist somit für eine grüne Stadt grundsätzlich eine klimaoptimierte Stadtplanung notwendig, die keine weitere Versiegelung und Verdichtung der Innenstadtbereiche durch Schließen von „Baulücken“ mit Gebäuden vorsieht.

 

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