Finnland – „Frag nicht, mach einfach!“

10.04.2018
Architektur, Gesellschaft, Trends

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Der Verband Stadtmarketing Austria lädt Anfang Juni zu einer Reise in ein Land ein, das in vieler Hinsicht ganz experimentelle Wege geht. In Finnland gibt es zum Beispiel den Tag des Restaurants, an dem jeder im ganzen Land ein Restaurant für einen Tag eröffnen kann. Irgendwo. „Ein Bistro in einer Bushaltestelle vielleicht?“

Der Finne und ‚Stadtmacher’ Jaakko Blomberg hat sich jedenfalls vorgenommen, aus Helsinki eine richtige Großstadt zu machen. Er sagt: „Wer bei uns Freiheit fordert, muss auch Verantwortung tragen“. In Finnland habe Regulierung, Tradition und die Verwaltung eine starke Rolle bei der Planung und Kontrolle des Stadtlebens. Immer mehr junge Leute würden sich engagieren, um das Leben in der Stadt mit zu gestalten.

 

Die Verwaltung Helsinkis habe sich von einer regulierenden zu einer unterstützenden Organisation gewandelt, sagt Blomberg. Wesentlicher Erfolgsfaktor dabei sei allerdings, dass keine Protestkampagnen der Bürgerinnen und Bürger gemacht würden, sondern Aktionen, die Positives ausstrahlen und keinen Schaden anrichten. „Wir in Helsinki sind bekannt für unsere Gemeinschaftserlebnisse und sind uns nie sicher, was passiert“, schmunzelt Blomberg. „Was ich sicher weiß: Wenn Du etwas in dieser Stadt verändern willst, dann machst Du es und schaust, wie die Leute reagieren. Hinterher sehen sie die Stadt meist mit anderen Augen.“

 

Urbanes Leben in Helsinki

Meistens passiert sehr viel, denn der 34-Jährige hat Einfluss, schrieb Brand Eins vor einigen Jahren über Blomberg. Eines Tages kam er auf die Idee, dass Helsinki mehr Farbe gebrauchen könnte. Er erstellte eine Facebook-Gruppe und postete, dass Street Art in Helsinki erwünscht sei. Binnen weniger Stunden wurde der Eintrag Tausende Male geliked. Dann dauerte es nicht lange, bis sich jemand von der Stadtverwaltung meldete und vorschlug, man möge sich doch zusammensetzen. Daraufhin bekam er 40.000 Euro aus dem Regionalfonds der Finnischen Kulturstiftung, um Street Art in die Hauptstadt zu bringen.

Anfänglich betrachtete ihn die Stadtverwaltung mit Skepsis. Doch weil er viele Leute mobilisieren konnte und sich von Verboten nicht abschrecken ließ, ging sie dazu über, ihn zu unterstützen. Der Ex-Vizebürgermeister Pekka Sauri sagt über Blomberg: „Er ist eine großartige Ressource für urbanes Leben in Helsinki.“

 

Finnland im Wandel

Finnland war jahrhundertelang unter schwedischer, ab 1809 unter russischer Herrschaft und ist erst seit 1917 unabhängig. Damals wurde Helsinki mit 150.000 EinwohnerInnen zur Hauptstadt. Das Land war lange Zeit landwirtschaftlich geprägt. Erst ab den fünfziger Jahren entwickelte es sich zu einer Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft. Immer mehr Menschen zogen in die Städte, vor allem nach Helsinki.

 

Für Subkultur sei in Finland jedoch nie Platz gewesen, schrieb der finnische Autor Mika Hannula, weil die Gesellschaft zu homogen sei und der geringe Ausländeranteil im Land die Vielfalt verhindere. Es fehlten die Spannungen, die Straßenkultur gedeihen lassen. Dazu kam, dass die Administration der Städte urbane Interventionen durch Überregulierung nicht zuließ.

 

Das änderte sich vor knapp zehn Jahren, als ein junger Fotograf ein Restaurant eröffnen wollte, aber mit den damit verbundenen Auflagen der Stadt konfrontiert wurde. Stattdessen bauten sie eine Fahrrad-Bar, radelten durch die Stadt und boten Wein, Longdrinks und Tapas an. Das war gleich in mehrfacher Hinsicht illegal. Sie hatten keine Lizenz für den Lebensmittelverkauf, keine Lizenz für die Ausschank von Alkohol und keinen genehmigten Standort. Ein Jahr zuvor waren die ersten Foodtrucks in Helsinki aufgetaucht, und die Stadtverwaltung – mit mobilen Restaurants unerfahren – hatte verfügt, dass diese nur auf wenigen ausgewählten Plätzen stehen dürfen.

 

Mut zur Veränderung

Nun waren da plötzlich die drei Männer mit ihrer Fahrrad-Bar und verkauften, was und wo sie wollten. Sie forderten andere auf, mitzumachen, was dazu führte, dass an diesem Tag dutzende illegale Hobbyküchen ihre Speisen und Getränke auf Helsinkis Straßen anboten. Selten war die Stimmung in der Stadt so ausgelassen.

Der Event wurde von der Presse gefeiert, und auch die PolitikerInnen sahen, dass es keinen Zweck hatte, ihn künftig zu verbieten. Er ging als erster Restaurant-Tag in die Geschichte ein. Inzwischen findet das Happening vierteljährlich statt, längst nicht mehr nur in Helsinki, wo mittlerweile bei jedem Mal mehrere Hundert Ein-Tages-Restaurants die Straßen beleben, sondern in zahlreichen anderen Städten.

 

Restaurant Day in Helsinki – Copyright: Jonna Tammisto (links), Urban Finland (rechts)

 

„Der Restaurant Day war auch für mich eine Offenbarung“, sagt Jaakko Blomberg. „An diesem Tag ist mir klar geworden, was möglich ist, wenn man einfach macht, statt vorher zu fragen, ob man darf.“ Der ehemalige Vizebürgermeister Sauri stimmt Blomberg zu: „Hätte Jaakko Blomberg immer erst um Erlaubnis gefragt, hätte die ein oder andere Veranstaltung bestimmt nicht stattgefunden“.

 

Architektonische Highlights

Helsinki bietet viele Stadtdesign-Lektionen mit architektonischem Wow. Die hornförmige Kamppi-Kapelle aus Holz wurde vom jungen finnischen Architekturteam K2S für das Programm World Design Capital Helsinki 2012 entworfen. Sie ist bekannt als „Kapelle der Stille“ (Photo links).

Beeindruckend auch die Aalto University U-Bahn-Station, die sich von anderen Stationen durch eine reiche Materialpalette abhebt. Stahlpaneele, Kupferblechverkleidungen und grauer Granit dominieren den Eingangspavillon. Die Decken-Optik erinnert an eine Origami Struktur. (Photos Mitte und rechts).

Copyright Pablo Ogarrio und Tuomas Uusheimo
Copyright Pablo Ogarrio und Tuomas Uusheimo

 

Im designorientierten Helsinki beherbergten die roten Backsteingebäude des Stadtteils Teurastamo, den auch Sie als TeilnehmerIn dieser Reise besuchen könnten, einst geschlachtete Rentiere, Schweine und Kühe. Heute hat sich dieser Bezirk zu einem Epizentrum für die kreative Schicht der Stadt entwickelt. Vom trendigen Millennial bis zur stilvoll gekleideten Jungmutter; Alle, die gut aussehen und cool sein wollen, finden sich in den Shops und Restaurants von Teurastamo wieder, in denen vor allem ‚lokales‘ aus Finnland angeboten wird.

 

Umweltfreundliche Lösungen

Sie könnten aber auch Helsinki’s schlausten Bezirk namens Kalasatama besuchen. Neue digitale Dienste sollen dort den BewohnerInnen helfen, ihre Zeit besser zu verwalten. Kalasatama will umweltfreundliche Lösungen bieten, wie zum Beispiel ein intelligentes Abfallwirtschaftssystem. Die Stadt Helsinki möchte Kalasatama zu einem Modellgebiet für intelligenten Städtebau machen.Smart City-Lösungen werden den BewohnerInnen dieses Bezirkes ermöglichen, zu Hause oder ‚in nahe gelegenen und geeigneten Räumlichkeiten‘ zu arbeiten“, erklärt Kaisa Eskola, Communications Manager des Smart Kalasatama-Projekts. Lesen Sie hier weiter. Spannende Details zum Vorzeigeprojekt erfahren Sie in knapp zwei Monaten vor Ort.

 

Dann geht es weiter nach Tampere, mit Besichtigung und Fachgesprächen im Universitätsstadtteil Hervanta und einem Besuch im Forschungspark Hermia.

Abseits der Smart City – Metropolen findet man noch ein anderes Finnland.

Copyright Tuomas Uusheimo
Copyright Tuomas Uusheimo

 

Ein Land, in dem seit 1992 die Weltmeisterschaft im Frauentragen stattfindet, das muss einfach besucht werden! Applaus gibt’s vor allem für die Zeitstrafe, die ‚man(n)‘ erhält, wenn er seine Frau fallen lässt (Video).

Quelle: https://bit.ly/2GWWnFy

 

Wenn Sie jetzt auf den Geschmack gekommen sind, melden Sie sich gerne hier an und genießen Sie die Reise in den hohen Norden!

 

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Daniela Krautsack

Daniela Krautsack ist eine österreichische Trendforscherin, Mediastrategin, Autorin und Innovationsdesignerin, die sich durch ihre vielfältige Tätigkeit in der Entwicklung von Marken, der Schärfung von Unternehmensstrategien und der Erforschung von Gesellschafts-, Technologie und Kulturtrends auszeichnet. Sie ist lebenslange Weltreisende und lässt sich von Zukunftsdenkern und den verschiedenen Kulturen inspirieren. Daniela Krautsack ist Gründerin einer Agentur für interdisziplinäre Kommunikation namens ‚Cows in Jackets‘ und der Unternehmensberatung ‚Cities Next‘, die sich auf die Erforschung und Gestaltung von Zukunfts- und Innovationsdesigns im urbanen Raum und kommunikativer Prozesse konzentriert.

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