Best-Practice Bürgerpartizipation

22.12.2014
Gesellschaft, Veranstaltungsberichte, Wohnen

Daniela Krautsack, MBA, Urban Branding Expertin und Trendforscherin (Wien) hat für Stadtmarketing Austria folgende internationalen Vorbildinitiativen im Bereich Bürgerpartizipation recherchiert:

 

© El Campo de Cebada

 ‚People Street‘ – Los Angeles, USA

Communities wird erlaubt, ungenutzte öffentliche Bereiche der Stadt in aktive und lebendige Räume zu transformieren. Dazu gibt es regelmäßig Förderausschreiben, bei denen jene Projekte einreichender Bewohner und Unternehmer finanziell unterstützt werden, die helfen, die Lebensqualität in der Stadt zu verbessern. Drei Flächen werden den BürgerInnen zur Gestaltung und Bespielung mit Interventionen angeboten: Plätze, Parkplätze und Fahrradständer. Das Programm wurde von der Stadtplanungsabteilung, der Verkehrsabteilung der Stadt Los Angeles sowie dem Amt des Bürgermeisters Eric Garcetti ermöglicht. In der Projektvorstellung meinte der Bürgermeister dazu: „Grundlegend für dieses Projekt ist eine bottom-up und am Nutzer orientierte Vorgehensweise. Niemand in der Stadt weiß mehr über die Stadtteile als unsere Menschen, die darin leben und arbeiten. Wir möchten diese Expertisen für eine verbesserte Lebensqualität für uns alle nutzen.“

Projekt People Street (© Jim Simmons)
Projekt People Street (© Jim Simmons)


Let’s Colour – Einsatz international

Die ‘Let’s Colour’ Werbekampagne des Farbenherstellers Dulux hatte es sich zum Ziel gemacht, grauen Wänden in Indien, Brasilien, England und Frankreich einen neuen Anstrich zu verpassen. Die Anwohner der jeweiligen Nachbarschaften applaudierten der Aktion und halfen beim Bemalen von Schulen, Häuserwänden und öffentlichen Plätzen. Zielsetzung der partizipativen Aktion war es, durch Farbe im urbanen Raum einen positiven Effekt für das menschliche Wohlbefinden zu schaffen.

Webseite von Let‘ Colour

Video


Like or Dislike – Helsinki, Finnland

Die Stadtgranden von Helsinki luden BürgerInnen ein, über interaktive City Lights mit einem  „Like“ oder „Dislike“ für den Vorschlag zur Finanzierung eines neuen Guggenheim-Museum in der Stadt abzustimmen. Die BürgerInnen Helsinkis sagten NEIN. ‘Crowdsourcing Urbanism’: Der Aufstieg der Facebook Demokratie?

Projekt Like or Dislike © Daniel Rotstain
Projekt Like or Dislike © Daniel Rotstain


‚Smart Citizen Sentiment Dashboard‘ – Barcelona, Spanien

Der Smart Citizen Sentiment Dashboard (SCSD) ist eine interaktive Installation, die Bürger zur Partizipation einlädt, ihre Stimme zu städtischen Herausforderungen abgeben zu können. Durch eine einfache Schnittstelle, die mit einer Medienfassade verbunden ist, können Passanten und Teilnehmer vor Ort ihre Stimmungen kommunizieren. Das Projekt sammelt das Feedback der Bürger und visualisiert diese Daten auf einer Medienfassade im urbanen Raum. Auf diese Weise verwandelt das ‚Smart Citizen Sentiment Dashboard‘ die Medienfassade in einen Ort sozialer Begegnung, wo einige der Fragen, die die Lebensqualität der Stadt betreffen, offen diskutiert werden. Für die Umsetzung und Entwicklung des Projekts organisierten die Künstler Workshops mit den Einwohnern unterschiedlicher Städte, in denen das Dashboard vorgestellt wurde, wie z.B. São Paulo oder Linz.

Die Workshops halfen, die drängendsten Probleme der Stadt zu identifizieren und wichtige Impulse für das Design der Installation zu erhalten. Der partizipative Prozess übersetzt die Fragen und Stimmungen der Bürger in eine visuelle Sprache, die jeder Betrachter versteht. Die Instrumententafel gibt den Teilnehmern die Möglichkeit, fünf verschiedene Themen – Umwelt, Mobilität, Sicherheit, Wohnraum und öffentlicher Raum – zu kommentieren. Bei diesem Projekt geht es allerdings um mehr als nur eine spielerische Interaktion. Die von den Teilnehmern zur Verfügung gestellten Daten werden gesammelt und in einer Datenbank gespeichert, die ihre Stimmung sichtbar macht. Das SCSD zeigt also das generelle Empfinden der StadtbewohnerInnen und betont jene Orte, an denen noch mehr getan werden muss.

Video

Smart Citizen Sentiment Dashboard © Verve Cultural
Smart Citizen Sentiment Dashboard © Verve Cultural

 

Smart Citizen Sentiment Dashboard © Verve Cultural
Smart Citizen Sentiment Dashboard © Verve Cultural


72h Weltmeisterschaft für spielbare Architektur – Witten, Deutschland

Der erste weltweite Echtzeit-Architekturwettbewerb im kleinen Städtchen Witten, bei dem 60 Kreative aus aller Welt 3 Tage und 3 Nächte lang Zeit hatten, Entwürfe, Baupläne und Umsetzungen für Projekte im öffentlichen Raum – als Reaktion auf die lokalen Bedürfnisse – zu entwickeln. Die Teams, die vorwiegend aus jungen Architekten, Raumplanern, Bauingenieuren, Designern und Künstlern bestanden, planten, hämmerten, schliefen und machten Party aufgrund der limitierten Zeitvorgabe und des knappen Wettbewerb-Budgets ‚vor Ort‘.  Die 72 Stunden Aktion im urbanen Raum lud Fachleute und Bewohner ein, aktiv mitzuwirken, um damit Teil der Installationsprojekte zu werden. Bottom-up ist die Mission dieses Wettbewerbs. Die entwickelten Projekte sollten zeigen, dass auch kurzfristig entwickelte Installationen, in Zusammenarbeit von Menschen, die sich vorher nie begegnet sind, die Stadtlandschaft nachhaltig beeinflussen können.

Das Schlagwort ‚Spielerische Architektur‘ stellte auch gleichzeitig die Frage nach der Trennung zwischen „seriöser“ und „spielerischer“ Nutzung des urbanen Raums. Sollten Städte diese Nutzungsformen trennen? Oder sollten sie die verantwortungsvolle und offene Art, mit der Stadtlandschaft zu spielen, propagieren und lehren?

Webseite: 72hourinteractions.com

72h Spielbare Architektur Wettbewerb
© Martin Christopher Welker Fotodesign, Berlin

 

Guerilla Klassenzimmer – Milwaukee, USA

Lebensgroße Puzzles und Wortsuch-Spiele, Labyrinthe, XXL-Bücher, Zeichen-Sprache-Übersetzer und eine visuelle Klangwellen-Wand. Diese High-Impact-Spiele und Aktivitäten – viele die ersten ihrer Art – wurden als „offline“ Anwendungen der Mathematik, Naturwissenschaften, Geographie und Lesen konzipiert, um die Interaktion zwischen Eltern und ihren Kindern auf spielerische Weise zu fördern. Die urbanen Installationen – als interaktive Lerndisplays oder als Guerilla Klassenzimmer konzipiert – luden zum Mitgestalten  vor der Designphase ein.

Guerrilla Klassenzimmer © cramer-krasselt
Guerrilla Klassenzimmer © cramer-krasselt

 

El Campo de Cebada – Madrid, Spanien

Hier handelt es sich um einen selbstverwalteten Raum in Madrid, der auf schlaue Weise zeigt, wie der urbane Lebensraum des 21. Jahrhunderts aussehen könnte. Gemeinschaft und das Konzept freier Autorenschaft waren die Prämissen für den Erfolg der Bürger-Initiative. Die BürgerInnen arbeiteten in einem gemeinschaftlich verwalteten Raum, brachten ihr Wissen ein und lernten voneinander. Der Ort schuf eine Gemeinschaft, in dem man sich zur gemeinschaftlichen Verantwortung motivierte. Der Ort wurde nicht von der Obrigkeit zur Verfügung gestellt oder fremdbestimmt kontrolliert, sondern ist ein Ort, der von gemeinsam getroffenen Entscheidungen bestimmt ist, so dass sich jeder als Teil dieses Ortes fühlt und sich um diesen Ort kümmert. Einer der wichtigsten Pfeiler, auf denen Campo de Cebada aufbaut, ist Inklusion, jeder ist willkommen und soll sich repräsentiert fühlen. Die Aktivitäten werden nicht von einer politischen oder subkulturellen Gemeinschaft angeführt, sondern von den Entscheidungen der Gemeinschaft, die wöchentlich getroffen werden. Architekten haben die Rolle übernommen, zwischen den Bürgern und der Stadtverwaltung zu vermitteln. Die Atmosphäre im Camp ist heterogen, viele Dinge geschehen gleichzeitig, es finden viele verschiedene Aktivitäten statt und es gibt eine große Bandbreite an mitwirkenden Anrainern. Das Projekt wurde 2013 mit der Goldenen Nica im Rahmen des Prix Ars Electronica ausgezeichnet.

© El Campo de Cebada
© El Campo de Cebada

 
‚Obststadt‘ – Wiener Neustadt, Österreich

Der ausgebildete Überlebenstrainer Martin Mollay setzte sich vor Jahren zum Ziel, im urbanen Raum auf die Vielfalt und Reichtümer unserer Natur hinzuweisen und diese mit Unterstützung Gleichgesinnter sinnvoll zu nutzen. Seine Idee: Obstbäume auf öffentlichen Grünflächen zu pflanzen. Mollay stellte die Idee kurzerhand dem Bürgermeister von Wiener Neustadt, Bernhard Müller vor, der die Umsetzung seither tatkräftig unterstützt.

Die Gründe, die für die Obststadt sprechen, sind mannigfaltig: 1) Nachhaltigkeit: ein Baum überlebt im Regelfall Generationen an Menschen und spendet jahrzehntelang Früchte und frische Luft. 2) Lebensraumschaffung: für eine Vielzahl an Tieren und Pflanzen bietet der Baum einen Lebensraum. Dies hat wichtige Folgen für den Menschen (z.B. Bienensterben betrifft uns alle). 3) Krisensicherheit: Obstbäume sichern Nahrung in ‚schlechten Zeiten‘ 4) Stadtklima: Bäume binden Feinstaub aus der Luft, sorgen für einen angenehmen Duft und tragen zur Stadtästhetik bei 5) Bildung: bei der Bepflanzung durch die BürgerInnen entsteht eine emotionale Bindung zwischen Mensch und Pflanze. ‚Baumpaten‘ verfolgen die Entwicklung ihres Baumes ab der Pflanzsetzung und 6) Kontaktpunkt: gemeinsames Pflanzen und Ernten fördert den Kontaktaufbau zwischen Menschen im urbanen Raum.

Es ist der Community-Gedanke, der solche Initiativen wachsen lässt und trägt. In Wiener Neustadt hat sich bei den regelmäßigen Treffen und Pflanzaktionen bereits ein Netzwerk gebildet. Und wer wissen will, wo die Bäume im öffentlichen Raum von Wiener Neustadt stehen, in einer Fruitmap sind sie alle verzeichnet.

Obststadt Wr. Neustadt: Fruitmap
Obststadt Wr. Neustadt: Fruitmap

Wenn Sie die Expertise von Herrn Mollay für die Bepflanzung von öffentlichen Flächen in Ihrer Stadt einholen möchten, kontaktieren Sie Ihn via email: info@obststadt.at oder Telefon: 0650 252 62 66

Interview mit Martin Mollay der Obststadt Initiative:

Das Interview führte Daniela Krautsack (DK) mit Initiativengründer Martin Mollay (MM).

DK: „Wie kam es zu dieser Idee?“

MM: „Als Überlebenstrainer bin ich oft mit Menschen in der Natur unterwegs. Früher wurden in Dörfern und Städten viele Nutzpflanzen gesetzt, um in Krisenzeiten Obst und Gemüse zur Verfügung zu haben. Der Kastanienbaum ist ein gutes Beispiel, so einen musste jede Familie haben, weil daraus Mehl gewonnen wurde. In unserer Landschaft gibt es das heute kaum, Obstbäume im öffentlichen Raum. Das wollte ich ändern.“

DK: “Wie sind Sie bei der Vorstellung und Umsetzung der Idee vorgegangen?“

MM: „ Ich bin zum Bürgermeister gegangen und habe angefragt, was er von der Idee hält. Er fand die Idee gut und hat seine Unterstützung zugesagt. Das Stadtgartenamt hat mir daraufhin Plätze genannt, wo ich mit dem Pflanzen der Bäume beginnen konnte.“

DK: „Das klingt ja recht einfach. Es gab also keine bürokratischen Hürden?“

MM: „Glücklicherweise nicht. Ich werde von Leuten aus ganz Österreich kontaktiert, die ähnliche Ideen umsetzen wollen – viele jammern, dass Ihnen die Behörden Steine in den Weg legen und die Auflagen die Umsetzung behindern. In Wiener Neustadt lief das problemlos. Ich bin der Stadtgemeinde Wiener Neustadt sehr dankbar.“

DK: „Wie finanziert sich das Projekt?“

MM: „Über Spenden und Baumpatenschaften. Aber es ist nicht nur Geld, das geholfen hat, das Projekt über Wiener Neustadt hinaus erfolgreich und bekannt zu machen. Es sind die vielen Schüler, die helfen, die Baumschulen, die Wissen liefern und viele Freiwillige, die beim Aufbau und darüber hinaus kräftig angepackt haben.“

DK: „Wie geht’s weiter, was ist Ihre Vision?“

MM: „Wir wollen das Projekt in ganz Österreich verwirklicht sehen. Ich biete meine Expertise überall an, wo Menschen die Vorteile sehen, die wir damit erreichen. Lienz ist z.B. unser erster Obststadtpartner – hier wird das Projekt auch als Stadtmarketingprojekt vermarktet. Meine Vision ist, dass Österreich obst-autark wird. Obst soll Menschen überall in Österreich ohne Entgelt zur Verfügung stehen.“

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